Umfassende Hilfe und Beratung bei rechter Gewalt

Immer wieder gibt es rechtsextremistisch motivierte Übergriffe. In letzter Zeit ist häufig von den so genannten No-Go-Areas die Rede, die der ehemalige Regierungssprecher Heye in die Diskussion gebracht hat. Mecklenburg-Vorpommern und auch Greifswald haben nicht gerade eine weiße Weste, wenn es um derartige Delikte und Gegenden geht.

Wenn man Opfer einer Aktion von rechts wird, gibt es unterschiedliche Wege, darauf zu reagieren. Man kann einen solchen Vorfall ignorieren, aber damit räumt man dem Täter/den Tätern einen Freiraum ein, der ihnen vielleicht nicht gebührt. Die Polizei ist eine mögliche Anlaufstation, hier kann man Anzeige erstatten.

Lobbi e.V.

Der Verein Lobbi (Landesweite Opferberatung, Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern) berät und unterstützt Opfer, damit diese nicht in eine passive Opferhaltung verfallen und sich so möglicherweise selbst vor einem psychischen Schaden bewahren. Der Verein geht aktiv Tatbeständen mit einem rechten oder rechtsextremen Hintergrund nach. Sie besuchen die Opfer und bieten ihre Unterstützung an. Eine Anzeige bei der Polizei ist für die Hilfe von Lobbi keine Voraussetzung, und Anonymität wird auf Wunsch hin garantiert. Die Hemmschwelle ist deswegen geringer, und wer direkt angesprochen wird, spricht möglicherweise eher darüber, was ihm zugestoßen ist. Die Arbeit von Lobbi besteht in der Information über gesetzliche Möglichkeiten, der Unterstützung bei Suche nach Zeugen und der Beantragung von finanzieller Entschädigung. Auf Wunsch wird psychologische Hilfe vermittelt.
Lobbi begleitet, beobachtet und dokumentiert auch zustande kommende Prozesse gegen die Täter, häufig aber ziehen Opfer ihre Anzeige zurück, wenn sich der Prozesstermin nähert. Der Verein hält es für wichtig, nicht nur die Betroffenen zu unterstützen, sondern gleich deren Umfeld mit. Denn derartige Angriffe richten sich Lobbi zufolge selten nur gegen Einzelpersonen, sondern fast immer gegen Gruppen.Denn die Reduzierung auf bestimmte Merkmale ist ja eines der Kennzeichen rechter Ideologie.
Über diese konkreten Hilfestellungen hinaus führt der Verein Statistik über rechtsradikale Delikte und Straftaten, wodurch versucht wird, das Ausmaß des rechten Problems deutlich zu machen. Nach dessen Angaben gibt es nämlich eine große Differenz der Lobbi-Statistik von rechten Gewalttaten und Übergriffen zu dem, was offiziell dazu an Zahlen vorgelegt wird.
Auch die Polizei  versucht,  die   Zivilcourage zu stärken. Vom Landeskriminalamt ist eine Hotline gegen Rechts eingerichtet worden. Hier kann man Vorfälle per Telefon oder per email melden, die mit Rechtsextremismus in Verbindung stehen.
Von der umfassenden Hilfe, die Lobbi anbietet, ist eine solche Hotline jedoch weit entfernt und was konkret mit den Angaben passiert, die dort eingehen, davon ist nirgendwo die Rede.

EXIT-Deutschland

Hilfe anderer Art bietet die Initiative EXIT-Deutschland an. Sie bietet keine Opfer-, sondern Täterhilfe an. Wer aus der rechten Szene raus will, dem hilft EXIT. Es gibt zwar kein Geld und auch für begangene Straftaten muss der/die Aussteigende selbst gerade stehen, aber die Initiative, die von einer ehemaligen Nazi-Größe und einem Ex-Kriminialoberrat gegründet wurde,  hat die notwendige Erfahrung und weiß, welche Schritte nötig sind, um sich von einem rechten Umfeld loszumachen.  Perspektiven außerhalb der rechten Szene sollen aufgezeigt und  Hilfe zur Selbsthilfe gegeben werden. EXIT hilft nicht nur betroffenen Jugendlichen und Erwachsenen, sondern unterstützt auch Eltern, deren Kinder mit der rechten Szene in Kontakt stehen.  Zwar versuchen EXIT-Leute auch gezielt, Menschen zum Ausstieg aus der Szene zu bewegen, zumeist helfen sie aber Personen, die freiwillig zu ihnen kommen und raus wollen aus ihrem rechten Umfeld.
Der Bund

Der Bund beteiligt sich an vielen Initiativen gegen rechts über die drei Förderprogramme CIVITAS, XENOS und ENTIMON, deren Fördermittel jedoch Ende 2006 auslaufen, und es ist noch nicht klar, wie weiter gefördert wird. Es gibt jedoch Zusagen seitens des Bildungministeriums, dass weitergefördert werden soll.

Die Stadt

Die Hansestadt Greifswald organisiert jährlich eine Präventionswoche (dieses Jahr vom 24. bis 30. September), in der es um Kriminalitätsprävention im Allgemeinen geht. Ein Schwerpunkt liegt allerdings auf der Bekämpfung von Rechtsextremismus. Außerdem gibt es einen Präventionsrat, dessen Vorsitzender der Oberbürgermeister ist und an dem sich Vertreter von Polizei, Uni, Kirche und verschiedenen Ämtern beteiligen. Auch in diesem Rat geht es wieder um Kriminalität im Allgemeinen, es wurden aber eine AG Opferschutz und eine AG Rechtsextremismus gegründet, die sich gezielter mit den Problemen und möglichen Lösungen dieses Phänomens auseinandersetzen sollen.

Stärkung der Zivilgesellschaft

Unzählige Initiativen informieren, klären auf und schaffen Strukturen, die sich derartigen Übergriffen widersetzen, Menschen zudem stärken, indem sie für ihre demokratische Lebensform (verbal) einstehen.  Auf theoretischer Ebene beschäftigen sich hier in der Stadt Vereine wie das Greifswalder Bündnis gegen Rechts oder das Bürgerforum „Freitagsrunde“ mit dem Phänomen Rechtsextremismus.
Beispiele hier in Greifswald für Versuche, die Zivilgesellschaft zu stärken und eine Möglichkeit vorzuleben, mit Andersartigem und Andersartigen umzugehen, findet man im Jugendzentrum KLEX, vor allem aber auch im IKuWo. Der Verein Internationales Kultur- und Wohnprojekt verbindet eine internationale Wohngemeinschaft mit einem multikulturellen Café bzw. Kneipe, es gibt Vorträge, Konzerte und Essen aus den verschiedensten Kulturkreisen. Hier wird vom friedlichen Miteinanderleben nicht nur geredet, sondern es wird auch  ausprobiert.

Geschrieben von Bettina Bohle