In Vorpommern setzt sich das Kameradschaftsmodell durch

Die so genannten „freien Kameradschaften“ sind in Mecklenburg-Vorpommern, vornehmlich aber in Nord- und Ostvorpommern sowie im Landkreis Uecker-Randow, mittlerweile die gängigste Organisationsstruktur der rechtsextremen Szene. Der große Vorteil dieses Organisationstyps ist aus der Sicht der Szene der relativ lose Zusammenhalt.

Im Gegensatz zu Parteien, Vereinen oder Verbänden kennen die Kameradschaften keine festen Mitgliedschaften. Ein loser Zusammenbund, der von Neulingen keine Unterschrift zum Beitritt verlangt, eignet sich besser dazu, Unentschlossene zum Einstieg zu verleiten. Auch ist es so für den Verfassungsschutz schwieriger, die Aktivitäten der Szene zu beobachten und gegebenenfalls ein Verbotsverfahren anzustrengen. Tritt der letzte Fall dann doch einmal ein, ist es wiederum ein leichtes, sich einen neuen Namen zuzulegen und unter diesem die politische Arbeit fortzusetzen.  
Das erklärte Ziel der Rechten hat sich längst gewandelt. Vom sich selbst ausgrenzenden Bomberjackenschläger orientierte man sich in den vergangenen Jahren hin zu einem braveren Auftritt. Man ist um Akzeptanz in der Mitte der Gesellschaft bemüht.  Aus diesem Grunde arbeiten die Kameradschaften, die sich nicht primär der Gewaltausübung und dem Informationskrieg zum Beispiel in der Anti-AntiFa-Szene verschrieben haben, dort, wo sie meinen, nah am gemeinen Bürger zu sein. So gibt es beispielsweise seit August 2002 den Heimatbund Pommern e.V. (HBP). Hier wird gezielt politische Arbeit unter dem Mantel deutschtümelnder Kultur an jungen Menschen betrieben. So gibt es Trachten- und Trommelgruppen, Volkstanz und Singkreise, Familienfeste und „Heldengedenken“.
Der HBP als eingetragener Verein ist eine Ausnahme, ist aus oben angeführten Gründen doch eher die Undurchschaubarkeit der Organisationsstrukturen gewünscht. Einschlägig orientiert ist man aber auch hier. So wird auf der Homepage Stellung bezogen: „Der Heimatbund ist eine Gemeinschaft von nationalen Jugendlichen, denen in dieser Zeit noch Gemeinwohl unseres Volkes gelegen ist und entschieden dafür eintreten.“ Viele Mitglieder sind gleichzeitig in der Ueckermünder Kameradschaft „National-Germanische Bruderschaft“ aktiv. Ebenso gab es mehrere prominente Auftritte beim HBP. Der bekannte Greifswalder Nationalist Lutz Giesen sowie der rechte Liedermacher Jörg Hähnel aus Frankfurt/Oder waren mehrfach Gäste des HBP. Vermutlich gibt es auch gute Verbindungen zum brandenburgischen „Märkischen Heimatschutz“. Der HBP ist eng mit dem Sozialen und Nationalen Bündnis Pommern (SNBP), einer Art Dachverband für Kameradschaften in Vorpommern, verknüpft. Beide teilen sich eine Internetdomain (hbp.snbp.info). Das SNBP fungiert als organisatorische Instanz für Aktionen und Zusammenarbeit in der rechten Szene Vorpommerns. In ganz Deutschland, vermehrt aber in und um Berlin, in Nordrhein-Westfalen und dem mitteldeutschen Raum greift das Modell der Kameradschaft um sich. Als schwer durchschaubare Alternative zu öffentlicheren Plattformen der Rechten wie der NPD setzen die Kameradschaften darauf, ihre aktiven Unterstützer mit Zuckerbrot und Peitsche an sich zu binden. Auf der einen Seite stehen hier ideologische Schulung, Akzeptanz und Verbrüderung mit dem Einzelnen über nationalistische Einstellungen, Deutschsein und gemeinsames Auftreten auf der Straße im Vordergrund. Auf der anderen Seite wird in der Kameradschaft für gewöhnlich ein strenges Regiment geführt. Aussteiger, die Hilfe durch entsprechende Programme angenommen haben, berichten häufig über das Verbot einer kritischen Hinterfragung der Kameradschaft, auch vor gewaltsamer Unterdrückung werde nicht zurückgeschreckt.
Ins Mecklenburg-Vorpommern ist die extreme Rechte über das Kameradschaftsmodell bestens organisiert. Die NPD ist in den Regionen im Osten des Landes weniger engagiert. Dieser Umstand schwächt sie jedoch nicht im Geringsten. Wer sich in der Kameradschaftsszene nicht nur aktiv beteiligt, sondern sich auch einen Namen macht, ist nicht nur gewogen, der NPD seine Stimme zu geben. Beim kommenden Landtagswahlkampf werden auch Kameradschaftsmitglieder auf der Liste der NPD stehen. Dies war schon im Bundestagswahlkampf der Fall und wird zusammen mit Parteibeitritten wahrscheinlich noch zunehmen. Ideologisch haben Kameradschaften und NPD genügend Überschneidungen, um die Zusammenarbeit fortzusetzen. In den klassischen Themenbereichen Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und völkisches Gedankengut ist man im Großen und Ganzen einer Meinung. Der Trend spitzt sich zu in den Ambitionen der NPD, bei den Landtagswahlen dieses Jahres ins Schweriner Schloss zu ziehen.
Starke Verflechtungen zwischen NPD und den Kameradschaften deuten darauf hin, dass die Szene sich nicht mit örtlichem Einfluss zufrieden geben, sondern massiv Einfluss auf das politische Geschehen ausüben will. Zwar reiben sich die verschiedenen Gruppierungen immer wieder aneinander. Dies liegt in vielen Fällen jedoch nicht nur an ideologischen Meinungsverschiedenhei-ten. Vielmehr entstehen häufig Konflikte um Einfluss und die Verwendung von eigenen Ressourcen. Schlussendlich kann man der rechten Szene heute starke politische Ambitionen, gestützt von einer gut organisierten und getarnten Infrastruktur attestieren.

Geschrieben von Stephan Kosa