Die Indianer Nordamerikas
Warum hassen auch die Bewohner Nordamerikas, die Kanada am Huron- und Eriesee bewohnen und südlich der Vereinigten Staaten die La-Plata-Staaten und Chile bewohnen, die Sitten und die Vornehmheit der Europäer wie die Pest und leisten dem Vordringen der Kultur und einer angenehmen Lebensführung äußersten Widerstand? Wenn Menschen von Natur zur Geselligkeit gebracht werden, wenn sie im Laufe der Zeit freiwillig sich zur bürgerlichen Gesellschaft zusammenschließen und sich ihr anpassen, wie kann es dann geschehen, dass sie durch die Beispiele von 300 Jahren nicht dazu gebracht werden konnten, ihr wildes Leben abzulegen und ihren unbildsamen Sinn dem Ackerbau und den Künsten zur Verfeinerung zu öffnen? Denn man könnte doch glauben, dass sie auch denen nützen und die fördern könnten, die unter dem Erdgleicher oder in der Nähe wohnen, wie wir es oben gezeigt haben. So sehr sich auch hierüber die Meinungen streiten, darin sind sie alle einig, dass die Amerikaner in der Geschichte der Welt eine Sonderklasse darstellen und dass dem, der darauf achtet, viele Besonderheiten aufstoßen, die auf kein anderes Volk der Welt zutreffen. Wer aufmerksam den Plan, die Neue Welt zu entdecken, und ihre Entdeckung verfolgt und bei sich überdenkt, dem muß vieles auffallen, was gegen die Regel und die üblichen Gewohnheiten ist, und wie alles ein anderes Gesicht hat als in der Alten Welt. Niemals hat man ein Volk gefunden, das so energielos und faul und derart roh und gefühllos in seinen Sitten war, ohne alle Kraft und Tüchtigkeit. In der Bewaffnung waren sie den Spaniern gewiß weit unterlegen, aber dafür hatten sie den Vorteil ihrer unglaublichen Massen und den der genaueren Kenntnis ihres Landes. … Die Bewohner des Nordens wurden von wenigen Kolonisten kampflos von den Küstengebieten gewaltsam vertrieben. … Wenn sie wirklich keinen Bartwuchs haben, der doch als Zeichen der Männlichkeit bei allen Völkern gilt, wenn ihre Frauen unfruchtbar sind und vorzeitig altern – zeigt das vielleicht fehlerhafter Bau der Glieder eines entarteten und gleichsam verderbten Geschlechts an? …
Geschrieben von Ernst Moritz Arndt