Portrait: Der Pillentester

Darf ich vorstellen? Justus. Justus Richter. 25 Jahre und unterwegs im Auftrag der medizinischen Forschung. Justus ist Student der Politikwissenschaft, kommt ursprünglich aus Hamburg und benötigt möglichst viel, möglichst schnell Geld. Deshalb ist er Teilnehmer an Probanden-Studien am Pharmakologischen Institut hier bei uns in Greifswald.

Vor kurzem stellte Justus seinen Körper zum zweiten Mal der Medizin zur Verfügung. Damit wir später auf deren Wirksamkeit vertrauen können, testete Justus eine neue Art von Kopfschmerztabletten für uns.
Pillentester sollten gesund sein, d.h. nicht rauchen, nur wenig Alkohol und Kaffee trinken, keine Medikamente nehmen und möglichst keinen verletzungsintensiven Sport treiben. Also der perfekte Studentenjob.
Und so muss man sich das Procedere vorstellen: Als erstes wird Justus aufgeklärt über Risiken, Art, Dauer und Aufwands-entschädigungen der Untersuchung.
In Informationsbroschüren kann er alles noch einmal nachlesen und darüber nachdenken. Dann kommt der Hamburger, häufig gemeinsam mit männlichen Studenten der Pharmazie und Medizin, zur Voruntersuchung. Man greift besonders gern auf männliche Probanden zurück, weil deren Testergebnisse aufgrund geringerer Schwankungen bessere Akzeptanz finden. Justus werden Blut sowie Urin abgenommen und auf Giftstoffe und andere Sachen getestet. Dann wird unser Student in eine Gruppe, die ungefähr aus sechs Leuten besteht, eingeteilt. Damit beginnt der eigentliche, im Fachjargon, Kinetik- Tag im Krankenhaus. Mit Hilfe kinetischer Daten lässt sich das Verhalten des Arzneistoffes im Körper nachvollziehen, wie die Freisetzung aus der Arzneiform, dessen Konzentration im Blut oder anderen Körperflüssigkeiten sowie dessen Abbau. Morgens erhält Justus das Medikament, entweder zum Schlucken oder gespritzt. Mit Hilfe regelmäßiger Blutabnahmen, dabei kann es sich schon mal um die 15mal handeln, wird tagsüber kontrolliert wie der Körper auf die Medikamente reagiert und sicher gestellt, dass es Justus auch gut geht. Nebenbei kann der Student sogar noch fürs Studium pauken, DVDs schauen oder nette Leute aus seiner Gruppe kennen lernen. Im Krankenhaus gibt es auch leckeres Essen. Ab 24Uhr kann er dann entweder nach Hause gehen oder auch im gemütlichen Krankenhaus übernachten. Nach einigen Wochen muss Justus noch einmal zu einer Abschlussuntersuchung.
Abhängig von den gesundheitlichen Risiken des Medikaments und ethischen Aspekten wird er für die Teilnahme an den Studien bezahlt. Für das Schlucken der Kopfschmerztabletten erhielt Justus eine Aufwandsentschädigung von 250 Euro. Eigentlich ist das Pillentesten ungefährlich, ungünstig wäre es nur an mehreren Studien gleichzeitig teilnehmen, denn dann können schon mal unangenehme Nebenwirkungen auftreten. Bis zur nächsten Studie sollte der Proband eine Pause von mindestens drei Monaten einlegen. Demnächst werden Magensonden getestet.

Geschrieben von Ina Kubbe

Kino: Nettes Märchen für Kinder

Vier Kinder, die durch einen Schrank in eine verzauberte Märchenwelt gelangen, die von einer bösen Eishexe heimgesucht wurde, sollen für Disney vor der Jahreswende noch das Kinojahr gebührlich abschließen.

Der Konzern bleibt dabei seiner Zielgruppe treu. Für Kinder bietet „Der König von Narnia“ ein gutes Maß an märchenhafter Unterhaltung mit Spannung und der angebrachten Portion Kitsch. Gäbe es eine Liste der ungeschriebenen Märchengesetze, würde er sie wohl alle erfüllen: eine böse Hexe, die guten Tiere, ein Happy End und eine Weisheit.
Für jeden über 14 Jahren wird die erste Verfilmung der siebenteiligen Fantasy-Kinderbuchreihe aber wenig neues bereit halten und lediglich unterhaltend sein, aber nicht wirklich fesselnd. Mit der nötigen Portion Kindlichkeit wird man den Film zwar mögen, aber nicht unbedingt lieben. Jeder Erwachsene, der sich noch ein bisschen kindliche Fantasie bewahrt hat, kann sich bereits im Dezember 2007 auf den Nachfolger „Prinz Kaspian von Narnia“ freuen.

Geschrieben von Joel Kaczmarek

An der Cote d‘Azur

Es ist 12 Uhr Mittags, ich bin seit fünf Stunden auf den Beinen, versuche gerade, einem französischen Kochbuch mit Hilfe des Wörterbuchs das Rezept für Lasagne zu entlocken, während ich meiner Gastmutter telefonisch versichere, dass „es mir gar nichts ausmacht, wenn sie heute Abend etwas später kommt“. Im Hintergrund mosert Charlotte, dass sie die Schuhe ihrer Barbie nicht finden könne. Ich beende das Telefonat, erläutere dem vierjährigen Zwerg neben mir, dass es Sommer und gar nicht schlimm sei, wenn Barbie barfuss laufe, sehe zu, wie sie zufrieden abzieht und wende mich wieder dem Mittagessen zu.

Wie schön könnte es jetzt doch sein, in der Uni zu sitzen und eine ganz normale Konversation mit erwachsenen Menschen zu führen, denke ich kurzzeitig, während ich gleichzeitig schon überlege, was wir diesen Nachmittag noch alles unternehmen können.
Multitasking ist als Au-Pair unerlässlich, genau wie die Fähigkeit, sich ständig und immer auf Neues einzulassen, man weiß nie so genau, was den lieben Kleinen als Nächstes einfällt. Seit drei Jahren verbringe ich meine Sommer jetzt damit, mir als Au-Pair bei verschiedenen Familien im Ausland etwas Geld dazu zu verdienen und nebenbei Sprachkurse zu besuchen und so meine Sprachkenntnisse zu verbessern – wo kann man das besser als in dem Land, in dem die Sprache gesprochen wird?
Dieses Jahr hat es mich nach Belgien verschlagen, genauer gesagt nach Brüssel, wo ich sieben Wochen lang bei einer Familie mit zwei Kindern gelebt und gearbeitet habe und dreimal die Woche zu einem Sprachkurs gegangen bin. Gearbeitet habe ich ca. 50 Stunden die Woche, das ist im Sommer normal, denn die Kinder haben Ferien. Wer sich überlegt, diesen Job zu machen, sollte also auf jeden Fall gerne den ganzen Tag mit Kids arbeiten – und auch genug Ideenreichtum mitbringen, um sie den ganzen Tag zu beschäftigen.
Ein besonderer Vorteil des Lebens als Sommer Au-Pair ist die Tatsache, dass die meisten Familien im Sommer in Urlaub fahren und das Au-Pair mitnehmen, so kann man kostenlos einige Wochen z.B. am Meer verbringen, auch wenn man sich natürlich weiterhin um die Kinder kümmert, aber da die Eltern ja mit dabei sind, meist nicht in dem Umfange wie zu normalen Zeiten. So habe ich in den letzten drei Jahren meine Urlaube in Luxemburg, an der belgischen Nordsee und der Cote d’Azur verbracht. Die Wochenenden hat man als Au-Pair meist frei, genug Zeit also, um sein Gastland genauer kennen zu lernen, oder sich dem Lernen zu widmen.
Wie wird man nun Sommer Au-Pair? Dank offenem Arbeitsmarkt ist der Au-Pair Aufenthalt innerhalb der EU relativ einfach zu regeln. Eine Familie findet man über eine der Hunderten von Onlinedatenbanken (zum Beispiel www.greataupair.com). Voraussetzungen gibt es offiziell keine, die meisten Familien nehmen allerdings lieber ein Au-Pair mit Erfahrung. Das Gehalt ist frei verhandelbar, richtet sich meist nach der Erfahrung des Au-Pairs, der zu arbeitenden Stunden und der Anzahl der Kinder. Wen es in die USA zieht, der muss den Weg über eine Agentur wählen, nur so kommt man an ein Visum. Das Programm dort ist viel stärker geregelt, es gibt nur zwei feste Ausreisetermine, die aber leider meist nicht mit den Semesterferien zusammen fallen. Die Arbeit als Au-Pair ist sicherlich nicht immer einfach, aber zumindest für mich einer der schönsten Sommerjobs der Welt. Ich habe alle meine „Sommerkinder“ ins Herz geschlossen und noch immer regen Kontakt zu den Familien – und ich habe meine Sprachkenntnisse nicht unerheblich verbessert.

Geschrieben von Sarah Rieser

Der amerikanische Traum auf dem Seziertisch

Etwas ist faul im Staate Amerika – und schwappt seit letztem Sommer auch auf unsere Fernsehbildschirme herüber. Mit dem Beginn der letzten Fernsehsaison erschienen auf einmal Serien auf der Bildfläche, die es so noch nicht gegeben hatte. Systematisch und schonungslos demontierten die neuen Erfolgsserien wie „O.C. California“, „Nip/Tuck“ und besonders „Desperate Housewives“ das Bild der perfekten amerikanischen Familie und machen den Blick frei für all die Hässlichkeiten hinter der Fassade. Jetzt, zu Beginn der neuen Seriensaison, sind sie zurück.

Es scheint sich eine Trendwende abzuzeichnen in der amerikanischen Fernsehlandschaft: Die alte Traumwelt, die wir bisher aus dem üblichen Serienfutter kannten, wird systematisch demontiert. Brutal wird der amerikanischen Gesellschaft die Wattewunschwelt unter den Füßen weggezogen und ihr der Spiegel vorgehalten. Und das Bild, das sich darin zeigt, ist keineswegs angenehm: Es wird betrogen und gelogen, und Suburbia, das Vorstadtparadies der oberen Mittelschicht, ist eigentlich nur ein anderes Wort für Kriegsschauplatz.
Auf einmal sind Schwule auch nicht mehr nur als Erfinder von Serien und somit hübsch versteckt hinter der Kamera erlaubt, sondern werden sogar zu den Protagonisten der neuen Erfolgsserien. Wurde ihre Lebensweise in Formaten wie „Queer Eye for the Straight Guy“ noch eher lächerlich gemacht, beschäftigen sich die neuen Serien wie „Queer as Folk“ ganz selbstverständlich mit dem ganz normalen Leben der Homosexuellen und zeigen, dass diese genau die gleichen Probleme haben wie jeder andere auch.
In Amerika fahren die Serien Traumquo-ten ein und werden mit Preisen überhäuft, obwohl – oder gerade weil – sie heftig umstritten sind. Die christliche Rechte verteufelt sie, die Liberalen jubeln, dass sich Hollywood, das jahrelang unter den strengen Augen der Filmaufsichtsbehörde FCC kaum wagte, irgendetwas Anstößiges auch nur im Ansatz zu zeigen, endlich wehrt.
Der Trend, der sich im letzten Herbst abzeichnete, wird mit Beginn des Serienfrühlings fortgesetzt. Die neuen Formate sind deutlich realistischer, sarkastischer und vor allem unterhaltsamer als ihre Vorgänger. Es könnte sich in Zukunft also wirklich mal wieder lohnen, den Fernseher einzuschalten.

Geschrieben von Sarah Rieser

Kino: Welcome to the suck

Sie wollen Saddam Hussein „den Arsch aufreißen“. In die arabische Wüste verfrachtet, sind sie hungrig darauf, ihre hart erworbenen Fähigkeiten in die Tat umzusetzen.

Doch zunächst heißt es warten. Trainieren und warten. Bald ist es weniger der ominöse Feind, der dort irgendwo hinter den Dünen lauert, sondern die Angst um die eigene Freundin, die ihnen den Schlaf raubt. Als der Krieg dann endlich losgeht, wird der erste tödliche Beschuss mit dem schönen Terminus „friendly fire“ versehen werden. Mit seinem Portrait des ersten Golfkrieges hat Regisseur Sam Mendes eine eindringliche Umsetzung der Autobiographie des Marineinfanteristen Anthony Swofford (Jake Gyllenhaal) geschaffen. Trotz all seiner Absurdität ist das Szenario erschreckend authentisch. Die Charaktere sind keine moralisierenden Stereotypen, sondern zeigen sich als abgedrehte GIs ebenso wie als menschliche Unteroffiziere. Das Werk versteht sich als Adaption von Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ und kann dem als Betrachtung der Folgegeneration durchaus gerecht werden.

Geschrieben von Arvid Hansmann