Etwas ist faul im Staate Amerika – und schwappt seit letztem Sommer auch auf unsere Fernsehbildschirme herüber. Mit dem Beginn der letzten Fernsehsaison erschienen auf einmal Serien auf der Bildfläche, die es so noch nicht gegeben hatte. Systematisch und schonungslos demontierten die neuen Erfolgsserien wie „O.C. California“, „Nip/Tuck“ und besonders „Desperate Housewives“ das Bild der perfekten amerikanischen Familie und machen den Blick frei für all die Hässlichkeiten hinter der Fassade. Jetzt, zu Beginn der neuen Seriensaison, sind sie zurück.
Es scheint sich eine Trendwende abzuzeichnen in der amerikanischen Fernsehlandschaft: Die alte Traumwelt, die wir bisher aus dem üblichen Serienfutter kannten, wird systematisch demontiert. Brutal wird der amerikanischen Gesellschaft die Wattewunschwelt unter den Füßen weggezogen und ihr der Spiegel vorgehalten. Und das Bild, das sich darin zeigt, ist keineswegs angenehm: Es wird betrogen und gelogen, und Suburbia, das Vorstadtparadies der oberen Mittelschicht, ist eigentlich nur ein anderes Wort für Kriegsschauplatz.
Auf einmal sind Schwule auch nicht mehr nur als Erfinder von Serien und somit hübsch versteckt hinter der Kamera erlaubt, sondern werden sogar zu den Protagonisten der neuen Erfolgsserien. Wurde ihre Lebensweise in Formaten wie „Queer Eye for the Straight Guy“ noch eher lächerlich gemacht, beschäftigen sich die neuen Serien wie „Queer as Folk“ ganz selbstverständlich mit dem ganz normalen Leben der Homosexuellen und zeigen, dass diese genau die gleichen Probleme haben wie jeder andere auch.
In Amerika fahren die Serien Traumquo-ten ein und werden mit Preisen überhäuft, obwohl – oder gerade weil – sie heftig umstritten sind. Die christliche Rechte verteufelt sie, die Liberalen jubeln, dass sich Hollywood, das jahrelang unter den strengen Augen der Filmaufsichtsbehörde FCC kaum wagte, irgendetwas Anstößiges auch nur im Ansatz zu zeigen, endlich wehrt.
Der Trend, der sich im letzten Herbst abzeichnete, wird mit Beginn des Serienfrühlings fortgesetzt. Die neuen Formate sind deutlich realistischer, sarkastischer und vor allem unterhaltsamer als ihre Vorgänger. Es könnte sich in Zukunft also wirklich mal wieder lohnen, den Fernseher einzuschalten.
Geschrieben von Sarah Rieser