Ausgesuchtes trägt Evgeny Kissin vor. Nach Robert Schumann, Johannes Brahms und Franz Schubert widmet sich der 1971 in Moskau geborene Pianist der eigenen, russischen Klaviermusik. Mit den Fünf Preludes Alexander Skrjabins (1872-1915) erklingt ein raffinierter Einstieg, der neugierig auf das Folgende macht.

Trotz höchster technischer und ästhetischer Ansprüche fristen Skrjabins Klaviersonaten heute noch ein Mauerblümchendasein. Leider. Die zarten Préludes und die aufgewühlte dritte Klaviersonate zeugen von Chopins Geist, erinnern partiell an Debussy und künden nur ansatzweise von späteren, genialen Ekstasen des Komponisten. Hierzulande mögen zwar unter anderem Claude Debussy und Arnold Schönberg berechtigterweise als Wegbereiter der Musik des 20. Jahrhunderts gelten, ihnen stehen jedoch Igor Strawinsky (1882-1971) und Alexander Skrjabin keinesfalls nach. Von Strawinskys Petruschka tänzerisch gerahmt bildet die Sonata-Reminiscenza op. 38 Nr. 1 des 1921 nach Berlin emigrierten Nikolai Medtners (1880-1951) die programmatische Mitte des bereits im August 2004 aufgenommenen Albums. Ein reizendes Novum. Kissins getroffene Programmwahl und feinsinniger Vortrag erlaubt keine zu geringe Würdigung, hegt jedoch den Wunsch, die russische Moderne pianistisch bald zu erkunden. Hier warten noch Schätze auf ihre Entdeckung!

Geschrieben von Uwe Roßner