Warum der Pressesprecher der Universität seit Februar arbeitslos ist – und bleibt
Wenn eine Universität ihren „Pressesprecher“ entläßt, dann muss sie ihn gleich gründlich rausschmeißen. Um 12.10 Uhr am 16. Februar dieses Jahres erfuhr Edmund von Pechmann, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Ernst Moritz Arndt-Universität beendet sei. Schon am selben Tag war das Telefon in seinem Büro in der Baderstraße tot, sein Uni-E-Mail-Account gesperrt. Auf der nachmittäglichen Senatssitzung hieß es dann, von Pechmann sei „verhaltensbedingt“ gekündigt worden. Rektor Rainer Westermann wünschte dem Entlassenen noch zum Abschied, er möge mit der schwierigen Situation gut umgehen.
Vier Er- und Abmahnungen, 61 „Uni-Journale“ und vier „Universitätszeitungen“, unzählige Pressemitteilungen sowie einige Skandälchen und Skandale früher kam von Pechmann 1994 nach Greifswald. „In ein Provinznest am Rande Deutschlands“, wie er heute sagt, „das nicht mal telefonisch vernünftig erreichbar war.“ Das einzige, was die deutschlandweite Öffentlichkeit aus Greifswald vernahm, war der gute Ruf der Medizin.
Das sollte sich ändern. Von Pechmann übernahm die Pressestelle und fing an zu schreiben, mit spitzer Feder und feiner Beobachtungsgabe. In den Uni-Journalen und diversen Pressemitteilungen lief er zu Hochform auf. Die „Zeit“ titulierte den Sprachkünstler 1996 als „Vater der frechsten Unizeitung Deutschlands“. Sein feinsinniger, bisweilen auch ironischer Stil lese sich „wie Simplicissimus, FAZ und Titanic zugleich“. Von Pechmann hatte, was er für die Uni Greifswald wollte: deutschlandweite Aufmerksamkeit.
Auch in der Universität war ihm Aufmerksamkeit gewiss. „Man hat viel hineingedeutet in meine Texte“, wundert er sich bis heute. Wer wollte, der konnte immer so einiges aus ihnen herauslesen. Uni-interne Intrigen und Herabsetzungen tolerierte von Pechmann nicht und streute die eine oder andere Andeutung in seine Texte. Während die eine Hälfte der Uni über Sprachphantasie, Stil und mutigen Journalismus jubelte, moserte die andere Hälfte über falsch verstandene Öffentlichkeitsarbeit und Insider-Geschreibsel.
2001 rutschte von Pechmann bei der Beschreibung der abgerissenen Duschbaracken im Studentenwohnheim Fleischerwiese das Wort „auschwitzartig“ heraus. Die Uni-Öffentlichkeit erbebte, es gab persönliche Angriffe und Morddrohungen. Der damalige Rektor Hans-Robert Metelmann stellte sich hinter ihn, nachdem er ihm bis zur Aufklärung kurzzeitig sein Amtes entzogen hatte. Nicht so Rainer Westermann, damals Dekan der Philosophischen Fakultät.
Mit der Investitur Westermanns zum Rektor im Winter 2003 wurde das Eis dünn für von Pechmann. Als Ende 2003 der langjährige Kanzler Carl Heinz Jacob in Pension ging, tauchte die erste Abmahnung aus der Schublade auf. Gleichzeitig wurde die Personalchefin Christiane Müller versetzt. Sie entging der Entscheidung mehr oder weniger, indem sie in Speyer zur Kanzlerin ernannt wurde.
Von Pechmann berichtete sowohl über Müllers Ab- und dann Weggang als auch über Jacobs Verabschiedung – und handelte sich prompt eine Abmahnung von Rektor Westermann ein. Im Christiane-Müller-Artikel verwies von Pechmann auf deren hervorragende Zeugnisse und Beurteilungen, von denen Müller ihm selbst berichtet hatte. Westermann monierte, von Pechmann habe Dienstgeheimnisse ausgeplaudert. Im Carl-Heinz-Jacob-Artikel konnte sich von Pechmann eine kleine Charakteristik der Redner nicht verkneifen. Westermann beschwerte sich, von Pechmann habe „ihn in seinem Bemühen, eine würdige Veranstaltung hinzubekommen, desavouiert“, zu deutsch: bloßgestellt.
Das mehrere Tausend Euro teure Uni-Homepage-Projekt, das Mitte 2004 in der Kommunikationsunfähigkeit zwischen Rektorat und von Pechmann als Verantwortlichen versandete und schließlich eingestampft wurde, ließ das Eis nochmals dünner werden. „Ich war gegenüber Rektor Westermann immer gesprächsbereit“, beteuert von Pechmann heute, „aber bei ihm war von Anfang an kaum guter Wille da.“ Westermann selber wollte sich gegenüber dem moritz dazu nicht äußern.
Überhaupt gibt sich der Rektor wortkarg. Was denn der Kernvorwurf gegen von Pechmann sei, wollte moritz von ihm wissen. Kein Kommentar, solange die Urteilsbegründung der jüngsten Gerichtsentscheidung noch nicht vorliege. Gesprächsbereiter gab sich Uni-Kanzler Thomas Behrens, der von Pechmann illoyales Verhalten gegenüber dem Rektorat vorwirft.
Als von Pechmann Ende 2004 auch noch dazu verdonnert wurde, das Uni-Journal fortan selber zu layouten, fing das Eis an zu brechen. Mitte Februar 2005 hatte er dann gleich zwei Kündigungen auf dem Tisch liegen: Eine fristgemäße und eine fristlose, letztere auf den insgesamt vier vorangegangenen Er- und Abmahnungen beruhend.
Er zog vor das Arbeitsgericht Stralsund, das am 8. November urteilte und erst die Abmahnungen als nicht justiziabel verwarf und dann die Kündigungen abschmetterte. Die fristgemäße Kündigung war wohl zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig. Laut dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung, den die Gewerkschaft im Zuge der Kürzungswellen mit dem Land aushandelte, dürfen nichtwissenschaftliche Uni-Mitarbeiter nicht betriebsbedingt gekündigt werden.
Die Uni hatte aber schon während des Verfahrens deutlich gemacht, dass eine Wiedereinstellung von Pechmanns den Uni-Oberen nicht zuzumuten sei, und stellte einen Auflösungsantrag nach §9 Kündigungsschutzgesetz. Diesem gab das Gericht statt, löste das Arbeitsverhältnis zum 30. September auf, legte eine Abfindung in Höhe von knapp 30.000 Euro fest und entließ von Pechmann mit 55 Jahren in die Arbeitslosigkeit.
Altrektor Jürgen Kohler blickt kritisch auf die getroffene Entscheidung. „Ich habe zwar als Außenstehender, der nicht alle Hintergründe kennen kann, eine einseitige Sicht auf die Dinge, aber die Gründe für den Rausschmiß scheinen mir fadenscheinig“, so der Professor für Zivilrecht. „Außerdem: Wenn man einen Kündigungsprozeß verliert, dann sollte man nicht durch die Hintertür doch noch den Rausschmiß vollziehen.“ Überhaupt sei das Kündigungsschutzgesetz generell bedenklich, weil auf solch eine Weise jedermann im Ergebnis doch gekündigt werden könne, obwohl Kündigungsgründe fehlten.
„Ein gewähltes Organ sollte eine so weitreichende Entscheidung wie den Rausschmiß von Pechmanns nicht aus persönlichen Gründen treffen“, kritisiert auch Altkanzler Carl Heinz Jacob das Zumutbarkeitsargument. Objektive Gründe hätten schließlich nicht vorgelegen, das habe die Gerichtsverhandlung gezeigt.
Von Pechmanns Zukunft sieht zur Zeit schlecht aus. Nicht nur die miserable Lage der deutschen Zeitungsverleger spricht gegen eine Neueinstellung, sondern auch eine miserable Beurteilung über von Pechmann aus dem Jahre 2004. Gegen die geht er inzwischen gerichtlich vor. „Dass man ihn in die Arbeitslosigkeit entläßt, hätte nicht sein müssen“, meint Altrektor Kohler, „stattdessen hätte man sich im Rektorat zusammenraufen und auf eine gemeinsame Arbeitsebene verständigen können.“
Ob das Gerichtsverfahren in die zweite Instanz geht, ist genauso offen wie die Frage, ob es jemals mit dem Uni-Journal weitergeht. Während Uni-Leitung und von Pechmann auf die schriftliche Urteilsbegründung lauern, mag sich zur Zukunft des Journals keiner äußern. Man munkelt, eine neue Uni-Zeitung sei geplant.
Eine erste Solidaritäts-E-Mail begeisterter Uni-Journal-Leser kursierte gleich nach der Entlassung im März auf Uni-Verteilern. Letzter Coup der von-Pechmann-Sympathisanten Ende Oktober 2005: Ein Protestblatt im Uni-Journal-Layout mit über 60 Unterzeichnern, die sich für die „ungehinderte Weiterbeschäftigung Herrn von Pechmanns als Pressestellenleiter“ stark machen.
„Das ist nicht nur herzanregend, das ist wirklich toll“, gibt sich von Pechmann über die Sympathiebekundungen gerührt, „selbst nach so langer Zeit gibt es noch Menschen mit Rückgrat, bei denen die Karriere nicht an erster Stelle steht.“ Was von Pechmann nur ahnt, stimmt tatsächlich: Nach der ersten Rundmail im März zitierte ein Dekan einen Mitarbeiter zu sich, was er sich denn beim Unterzeichnen gedacht habe, wie moritz aus Uni-Kreisen erfuhr.
Sehr selbstbewußt äußerte sich dagegen einer der aktuellen Unterzeichner. Er sei sich dieser Tragweite nicht bewußt und wolle es auch nicht sein. Er habe schon gar nicht an seine Karriere gedacht. „Wenn Entscheidungsträger aufgrund einer solchen Unterschrift eine Karriere verbauen, dann tut es mir auch Leid“, so der von-Pechmann-Sympathisant.
Geschrieben von Ulrich Kötter