CD: Plastic He: Don´t think feel nervous Nellie (Soulfood Music)

Es war einmal in Schweden… da fanden sich vier junge Männer zusammen, um Musik zu machen. Nein, diesmal sollte es nichts mit Disko zu tun haben, sie verfolgten ein höheres Ziel. Durch Eingruppierung in einen Musikstil, der sich „Indie-Rock“ nennen lässt, verbringen die vier ihr Dasein zwischen Travis, Green Day, den Kaiser Chiefs, den Beatsteaks, Franz Ferdinand, Simple Plan und The Killers, was auch einen Hauch von Sonic Youth und den Pixies vermuten lässt.

Ein guter Start, um in den derzeitigen Mainstream Europas auch einen schwedischen Vetreter einfließen zu lassen. Als Gewinner des Emergenza Wettbewerbs „Bester internationeler Act“ im Jahre 2003 nahmen Manne, Hendrik, Magnus und Andy ihre erste EP auf und können seitdem auf zwei Europatouren und eine Tour in den Staaten mit unter anderem Bad Religion und International Noise Conspiracy im Rahmen der Warped Tour zurückblicken. Ihr Album „Don’t think feel“ ist eine gelungene Mischung zwischen ruhigen, sehr eingängigen Melodien und kräftigem Gitarrenrock, der die Nachbarn um ihren Schlaf bringen kann. Ein Genuss, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

Geschrieben von Delia Holm

CD: Kaizers Orchestra: Maestro (Vertigo/Universal)

Zum Nordischen Klang in Greifswald, danach ins Studio und jetzt im Laden!
Unter den Fittichen des deutschen Majors Universal Music kehrt die norwegische Band mit ihrem neuesten Stück zurück: Maestro. Das dritte Album ist anders, wieder besser und klingt erfrischend neu. Vom allseits beliebten Zigeunerrock dürfen sich Kaizer-Fans diesmal verabschieden, aber die sechs Herren sind dafür mit neuen, verwegenen Tönen am Start.

Die CD braucht etwas Gewöhnung, erfreut dann aber dank schwerer Gitarren, Zirkussound, Streichern, Bläsern, Chor und einem Textkonzept à la Klappsmühle immer mehr. Empfehlenswertes sind die nächste Radio-Auskopplung „Knekker deg til sist“, „Blitzregn Baby“ und „Delikatessen“. Schnell wird dann klar: Hellraizer und Co. rocken nach wie vor wie der Maestro höchstpersönlich.

Geschrieben von Anne Breuer

CD: Alanis Morissette: Jagged Little Pill Acoustic (Maverick/Warner)

Zehn Jahre ist es jetzt her, dass die Kanadierin mit ihrem Debüt „Jagged little Pill“ sämtliche Rekorde brach. Um diesen Erfolg zu feiern und auch als eine Art Rückblick hat Alanis ihren alten Freund, Songschreib-Helfer und Produzent von „Jagged little Pill“, Glen Ballard, wieder aufgesucht und die ganze CD noch einmal neu eingesungen und produziert, und zwar unplugged.

Geldmacherei, schimpfen die einen; diejenigen aber, die sich Zeit nehmen und reinhören, wissen es besser: Alle Songs haben ein neues Gesicht. Mit akustischen Gitarren, Piano und Streichern klingen die Lieder plötzlich ruhiger, friedlicher und gar nicht mehr so wütend wie noch vor zehn Jahren. Ihre Stimme hat sich verändert, verbessert. Sie ist mit 30 viel gelassener als in den wilden 20ern.

Geschrieben von Anne Breuer

Groß war die Artemis der Epheser

Impressionen einer Reise zwischen Vergangenheit und Zukunft

Die staubige Straße windet sich durch das karge, steinübersäte Bergland. Ein alter Bauer mit verblichener Weste und Strickmütze versucht mit einem dünnen Ast die Herde der schwarzen Ziegen zusammenzuhalten, die sich über den spärlichen Bewuchs hermacht. Der klimatisierte Reisebus bahnt sich unaufhaltsam seinen Weg. Am Abend wird er auch die engen Gassen mit extremer Hanglage meistern, um seine Passagiere wohlbehütet im Vier-Sterne-Club-Hotel mit geräumigen Appartements, Pool und einem Buffet von höchster kulinarischer Detailfreude ankommen zu lassen .

Was sich hier nach einem entspannten Pauschalurlaub anhört, war nur eine Seite der Medaille mit dem Titel „Auf den Spuren des Apostels Paulus in Kleinasien“. Die andere Seite wurde einem bewusst, wenn man im Morgengrauen von einem intensiven „Allah u akba“ aus den Lautsprechern am nicht weit entfernten Minarett geweckt wurde. Dann galt es die Sachen zu packen und das Frühstücksbuffet so gut wie möglich auszunutzen, denn um 8.00 Uhr Ortszeit ging es täglich los und dann sollten Wasser und Kekse (gelegentlich auch mal ein Eis aus einer Tankstellenkühltruhe) die einzige Nahrung bis zum nächsten Abend sein.
Das Tagesprogramm war von der Erkundung antiker Stätten bestimmt, die es oft in unwegsamen Gelände zwischen allerlei Gestrüpp zu rekonstruieren galt. Wer auf den Rat gehört hatte, geschlossenes Schuhwerk anzuziehen, war bewegungstechnisch klar im Vorteil, da er sich weniger um die fiesen Disteln kümmern musste. Aber auch wenn andernorts die mitunter 2.000 Jahre alten Steinstraßen für die Touristenscharen von der Vegetation befreit waren, gab es dennoch einen Faktor, der die Aktivität stark einschränkte: die Hitze. Die Einheimischen betrachteten es oft kopfschüttelnd, wenn sich die Gruppe aus Deutschland über verdorrte Felder und Hügel bewegte. Eine Kopfbedeckung war überaus sinnvoll.
Wenn man dann aber nach einigen Stunden auf die Mittelmeerküste traf, konnte einem nichts das Gefühl nehmen, es sich verdient zu haben. Nereiden und Tritonen gleich stürzten wir uns in die Brandung, um hinterher eine Cola-Dose für rund 3 Euro zu erwerben, was man in dem Bewusstsein, die 7 Euro für eine Liege und einen Sonnenschirm gespart zu haben, gerne tat und sich stattdessen in den brennend heißen Sand setzte, wo man den Rücken mit Sonnencreme von einer netten Kommilitonin eingerieben bekam.
Sicher hatte der Apostel Paulus im 1. Jahrhundert n. Chr. ein anderes Verhalten an den Tag gelegt, als er seine Missionsreisen durch Kleinasien unternahm. Dieses zu rekonstruieren hätte wohl mehr als die zwei Wochen der Exkursion in Anspruch genommen. Das fachübergreifende Projekt vereinte Theologen, klassische und christliche Archäologen sowie Kunsthistoriker unter dem Leitgedanken, ein plastisches Bild von der Welt der Antike und des frühen Mittelalters zu erhalten. Man bekam weit mehr als das geboten.
Die überwältigende Vielzahl archäologischer Befunde erfüllte einen oft mit Ehrfurcht, andererseits empfand man vielerorts den Erhaltungszustand und den Umgang mit den Resten vergangener Kulturen erschreckend. So fand sich dort, wo einst eine Stadt namens Derbe gewesen sein musste, nur noch ein großer Hügel, der sich vermutlich aus dem zusammen geschobenen Schutt ergab, der die Bauern über die Jahrhunderte auf den umliegenden Feldern gestört hatte. Was brauchbar war, war im eigenen Heim verbaut worden. Wem dieser Umgang mit dem kulturellen Erbe respektlos erscheint, der sei daran erinnert, daß auch viele ältere Greifswalder Gebäude teilweise aus Eldenaer Ziegeln errichtet wurden. Hier greifen Heraklits Worte „panta rhei“.
Ebenso fließend wie die Vergangenheit sind auch die kulturellen Kontraste, die sich in der heutigen Türkei zeigen. Wenn man das Land als “Normaltourist“ bereist, wird man in den Bettenburgen Antalyas, den vollgestopften Ramschläden Sides oder den Buskolonnen an den „Baumwollterrassen“ Pamukkales eine Welt vorfinden, die das durchschnittliche okzidentale Erholungsbewusstsein befriedigt. Wer es etwas abenteuerlicher haben möchte, kann sich auf verschlungenen Pfaden in eine abgeschiedene Campingatmosphäre begeben, in der er dennoch nicht auf westliche Standards verzichten muss. Doch ist das das Bild eines ganzen Landes?
Die Reise führte auch in die Großstadt Konya. Die einstige Hauptstadt des Seldschukenreiches zeigt eine Koexistenz von boomender Wirtschaft und heruntergekommener Architektur des Funktionalismus. Dem kubischen Stahlbeton stehen die glänzenden, nach einem „Schema F“ (das sich übrigens von der einstigen Hauptkirche Konstantinopels, der Hagia Sophia, ableitet) gestalteten Moscheen gegenüber. Obwohl sich der Staat strikt aus religiösen Belangen heraushält und stattdessen allerorts versucht, die große Vaterfigur Atatürk wach zu halten, wird hier offensichtlich, wo die Wertschätzung der Menschen liegt.
In der heiß geführten EU-Beitritts-Debatte steht die Frage einer wirtschaftlichen Kooperation als ein bedeutender Faktor im Raum. Kulturell und religiös gilt es die Vereinigungsversuche jedoch zu relativieren. Die hier vorhandenen Differenzen sind etwas, das man akzeptieren sollte. Sie sollten dennoch niemanden davon abhalten, dieses interessante Land kennenzulernen.

Geschrieben von Arvid Hansmann

Buch: Warum der Mensch glaubt

Religion fasziniert die Menschen seit jeher und selbst wer meint, nicht zu glauben, tut dies doch, schreibt Süddeutsche-Redakteur Martin Urban in seinem Buch „Warum der Mensch glaubt“. Allerdings entwickelt das Buch erst im Laufe des Lesens seinen interessanten Charakter, während es sich zu Anfang zu ausführlich mit den Neurowissenschaften auseinander setzt.

Urban liefert interessante Theorien. So meint er, dass manche Erleuchtung biblischer Figuren durch epileptische Anfälle zustande kam, was er auch begründet. Dann stellt er die These auf, dass der Glaube mit dem Gehirn-Stoffwechsel zusammenhänge und wundert sich, dass die Jungfrau Maria immer nur frommen Katholiken erscheine und nicht etwa einem Buddhisten.
Urban hält alle „Religionsgründer“ für psychisch auffällige Gestalten.
Nebenbei vermittelt der Wissenschaftsjournalist fundiertes Wissen über Religionen wie Judentum, Christentum, Buddhismus und Islam und deren Rituale wie das gemeinsame Abendmahl der Christen oder den Sabbat bei den Juden. Urban legt die Glaubenstheorien und die Situationen der Kirchen in Deutschland, im aus seiner Sicht fundamentalistisch orientierten Amerika und im russisch-orthodoxen Glaubensgebiet dar und berücksichtigt dabei religiöse Strömungen wie die Zeugen Jehovas, Adventisten, Baptisten, Mormonen.
Das Buch liefert eine Menge Hintergrundwissen. Es gibt einen geschichtlichen Überblick über Glaubensarten, deren Entstehung und Rituale. Und wie nebenbei erfährt der Leser so einiges über die Geschichte der Päpste, und das auf erzählende und unterhaltsame Weise.

Das Buch „Warum der Mensch glaubt“ von Martin Urban ist bei Eichborn erscheinen und kostet 19,90 Euro.

Geschrieben von Judith Köther