von Archiv | 17.10.2005
Alter: 32 Jahre
Größe: Mach keine Witze! Nee, ist egal, will eh‘ keiner wissen.
Gewicht: Hab‘ keine Waage.
Sternzeichen: Glaub‘ ich nicht dran. Ich glaub‘ nicht mal an meinen Geburtstag.
Berufsbezeichnung: Wissenschaftler.
Lieblingsessen: Bin Fleischfetischist.
Lieblingscomic: „Miracleman“. Ein Comic mit einem sehr guten Helden, einem Übermenschen in Nietzsches Sinne. Was wäre, wenn es einen Supermann gäbe, der wirklich die Fähigkeit hätte, die Welt zu verändern? Im Comic tut er‘s dann auch.
Lieblings-CD: Wechselt ständig.
Lieblings-Film: Ganz weit vorne auf der Liste ist „Wag The Dog“. Und ich mag Filme von Regisseuren, die mit traditionellen Erzählweisen brechen, wie zum Beispiel „Memento“.
Wie lässt sich Deine Tätigkeit in drei Sätzen beschreiben?„Mit harter Arbeit von früh bis spät nur kann das Werk geraten,
denn Neid kennt nur das Blumenbeet, aber nicht den Spaten.“ Das ist ein Zitat von Olaf Schubert.
Wie viele Stunden hat Deine Arbeitswoche? Zwischen 70 und 120. Ich bin natürlich immer am Arbeiten, gerade als Künstler und Autor. Ich bin ständig am Überlegen, was ich als nächstes machen könnte. Vor dem Einschlafen habe ich oft die besten Ideen, das ist eine Art Meditationsübung.
Welches Handwerk würdest du gern beherrschen? KFZ-Mechaniker. Für Autoreparaturen in der Werkstatt braucht man eine Menge Geld; das würde ich gern selber
machen.
Wie sah als Kind Dein Traumberuf aus? Verrückter Wissenschaftler. Ich wollte die Welt in die Luft sprengen, bin dann aber doch normaler Wissenschaftler geworden. Und Comicautor wollte ich eigentlich auch schon immer werden.
Was verabscheust Du am meisten? Im Moment: Nervige Telefonfirmen, die mich abends so gegen 6 anrufen und mir irgendwelche billigen Tarife aufschwatzen wollen. Am schlimmsten ist es, wenn dann nur so eine Bandansage läuft.
Wo würdest du gerne leben? Monte Carlo.
Welches Fach würdest du gerne in Greifswald studieren, wenn du nochmal studieren würdest? Kirchenmusik
Dein Lieblingstier ist… a) zu Hause b) aus Stoff c) ein Braten Ganz klar das Fleischliche. Ich liebe Schweine, Hühner und Kühe. Sowohl gebraten als auch lebendig.
Hast Du eine Lieblingssportart? Ja.
Was ist Dein persönlicher Jungbrunnen? Grüner Tee.
Machst Du Dein Bett selbst?Oh ja. Mit Sorgfalt und Liebe.
Was liegt auf Deinem Nachttisch? Da stehen eine Topfpflanze und ein Wecker.
Hast Du einen Lieblingsplatz in Greifswald? Meine Wohnung.
Geschrieben von Ulrich Kötter
von Archiv | 17.10.2005
Ob Zweifeln eine Tugend ist, kann man getrost bezweifeln. Zwar gäbe es ohne das Bezweifeln etablierter Meinung wohl kaum so etwas wie Fortschritt, denn alle würden das Gewohnte akzeptieren. Doch wenn er sich erst einmal eingenistet hat, wird der Zweifel zum Gift und alles gerät in Verdacht. Als solch destruktive Macht ist der Zweifel eher übel beleumundet.
Dem Greifswalder Philosophen Andreas Urs Sommer geht es in seinem neuen Buch um die Kunst des Zweifelns in all ihrer übel beleumundeten Radikalität. In 33 handlichen Lektionen spielt er ihre Anwendung in Alltagszusammenhängen durch. Beispielsweise die Manie des Reisens. Erweitere ich meinen Horizont, wenn ich die Begegnung mit Fremdem suche, oder fliehe ich nur vor dem Eigenen? Beraubt einen das Reisen seiner Identität, oder ist es eher so, dass wir Fremdes ohnehin stets nur so sehen, wie wir es sehen wollen? Ist der Weltbürger ein Heimatloser, und fehlt ihm damit tatsächlich etwas Essenzielles?
Aus allen Richtungen befragt Sommer seine Themen und lässt zugleich vermuten, dass man getrost noch mehr und weiter fragen könnte. Am Ende jeder Lektion steht eine kleine Übung, die dem eigenen Nachdenken auf die Sprünge helfen soll. So regt er etwa zum Thema Geld an, eine Banknote über einer Kerzenflamme zu verbrennen und dabei in sich hinein zu horchen. Welche Macht hat Geld über einen selbst, und welche hat es nicht?
In seinen Fallstudien skeptischen Denkens führt Sommer Philosophie in die Alltagswelt ein und zeigt, wie sie im eigenen Leben bereichernd wirken kann. Er will philosophisches Denken als Verunsicherungsunternehmen unter die Leute bringen. Nicht zuletzt, wie er meint, tue dies der Demokratie gut und fördere so statt der Amerikanisierung der Welt deren Verschweizerung. Ganz ohne Zweifel liegt darin letztlich das geheime Ziel des gebürtigen Schweizers Sommer.
Das Buch „Die Kunst des Zweifelns“ von Andreas Urs Sommer ist in der Beckschen Reihe als Taschenbuch erschienen und kostet 9,90 Euro.
Geschrieben von Mirko Gründer
von Archiv | 17.10.2005
„Wir beurteilen die Welt nach der Ähnlichkeit, die sie mit ihren Bildern hat.“
(Hans Belting)
In der sternenklaren Nacht blickte ich in das weite Tal. Ein Meer von Lichtern tat sich vor mir auf. „Das ist wie in den Hollywoodfilmen, wo das Liebespärchen aus dem Auto auf L.A. runterschaut“, sagte ich zu der Kommilitonin neben mir. „Nein! Überhaupt nicht!“ sprach sie energisch. „Wir sind hier in Pamukkale in der Türkei und nirgendwo anders!“ Sie stampfte fast wütend mit ihrer Sandale auf den Boden.
Als ich den Vergleich mit dem Blick vom Montmartre auf Paris anführte, empfand sie das zwar als „schon besser“, aber dennoch in dieser Situation als völlig unangebracht. Was hatte ich falsch gemacht?
Ist es denn nicht die lebendige Phantasie, die einen kreativen Menschen auszeichnet? Doch wie „lebendig“ ist diese Phantasie? Von anderen Exkursionsteilnehmern fand ich Bestätigung, als ich den Hotelkomplex, in dem wir uns in dieser Nacht befanden mit Stanley Kubricks Stephen-King-Verfilmung „Shining“ in Verbindung brachte. Ich sah dieses „Ding“ im Schnee versinken und mich als einsamen Hausmeister durch die endlosen Flure schleichen. Doch gleichzeitig erschrak ich bei der Vorstellung, am Ende durch eine zerhackte Tür zu grinsen und zu rufen „Hi! Here’s Johnny!“.
An dieser Stelle kam mir nun die Frage, inwieweit dies die eigene Phantasie ist. Sollte dies nicht wieder zeigen, wie das multimediale Zeitalter in unsere persönliche Erlebniswelt eingreift? Hat es Kubrick nicht geschafft, einen sklavisch an die Introduktion des Films zu binden, wenn man das „Dies irae“ aus Hector Berlioz’ „Symphonie fantastique“ hört?
Dass solche „erworbenen“ Phantasien unser Bewusstsein bestimmen, ist sicher keine neue Erkenntnis. Dass die künstlich produzierten Bilder zunehmend eine solche Macht besitzen, dass sich selbst die Wirklichkeit nach ihnen richtet, gilt es doch zu bedenken.
Mit der Figur des Indiana Jones beispielsweise ist es George Lucas gelungen, ein Bild zu konstruieren, dem man unter den realen Umständen einer archäologischen Exkursion – in fast sehnsüchtiger Weise – meint nacheifern zu können. So kann ich auch nicht leugnen, meinen Strohhut über den funktionalen Aspekt hinaus in dieser konstruierten Tradition getragen zu haben, als wir in der sengenden Sonne abseits der Touristenströme durch die antiken Trümmerfelder marschiert sind. Es erfüllte einen mehr mit Forscherdrang, in mufflige Zisternen oder Grabmäler hineinzukriechen, als sachliche architektonische Rekonstruktionsversuche vorzunehmen.
Welch ein Assoziationsspektrum sich einem hier bieten könnte, zeigt, inwieweit die multimediale Reizaufnahme den Bogen auch überspannen kann. Als ich mir das ästhetisch zwar sehr innovative, aber faktisch extrem unappetitliche Machwerk „Sin City“ ansah, stellte ich mir die Frage, ob derartige Bilder wirklich notwendig sind, um eine Geschichte mit grotesker Ironie zu erzählen, die man auch noch für amüsant halten soll. Wenn sich Bruce Willis das Gehirn wegschießt, mag der abstrahierende Comiceffekt zwar vermeiden, dass man dem Kinobesucher in der Reihe vor sich in den Nacken kotzt, die dadurch produzierte Resignation wird einem aber auch so nicht genommen.
Wenn ich mir nun vorstelle, wie die gastfreundlichen anatolischen Bauern in dem (archäologisch zwar sehr interessanten, aber ansonsten im Niemandsland liegenden) Dorf Binbirkilise, die unsere ganze Exkursionsgruppe in ihrer kleinen Stube mit Fladenbrot, Honig und Tee bewirteten, auf diesen Film reagieren würden, ist es fast schon legitim, wenn der dortige Imam im Freitagsgebet gegen die „dekadente westliche Welt“ wettern würde. Die Bild-Zeitung könnte titeln: „’Sin City’ produziert Islamisten“.
Einer derartigen Pervertierung der Bilder lässt sich wohl nur durch entsprechende Askese entgegenwirken. Ein kompletter Entzug wird in unseren Tagen kaum möglich sein, jedoch sollte man sich darauf konzentrieren, die wirklichen Dinge in seinem Leben wahrzunehmen und daraus die eigene Fantasie zu schöpfen. Das war es wohl auch, was mir meine Kommilitonin sagen wollte: Genieße einfach den Augenblick! Das Lykostal liegt hier und jetzt in einer Weise vor uns, wie es nie wieder sein wird!
Geschrieben von Arvid Hansmann
von Archiv | 17.10.2005
Volkmar Sigusch über den Wandel von der Wollust zur Wohllust
Wie leben und erleben junge Menschen heute den Einstieg in die Sexualität? Wie wird der Begriff der Perversion heute verstanden und wofür stand er früher? Und wie zur Hölle funktioniert „Felching“?
Diesen und anderen Fragen über Sexualität geht Volkmar Sigusch in seinem neuesten Buch „Neosexualitäten – Über den kulturellen Wandel von Liebe und Perversion“ nach. Sigusch gilt als der Begründer der Kritischen Sexualwissenschaft. Er ist Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft an der Universität Frankfurt und seine Veröffentlichungen umfassen einige Standardwerke der modernen Sexualwissenschaft. Anspruchsvoll und zugänglich zugleich versteht er es, auch den interessierten Laien mit seinem Fach zu faszinieren. Da stört es kaum, dass ohne Fremdwörterbuch in einigen Passagen kaum ein Weiterkommen möglich ist. Seine empirischen Studien widersprechen allgemeinen Auffassungen von Sittenverfall und Morallosigkeit der Jugend. Sigusch setzt sich kritisch mit dem öffentlichen Umgang mit Perversionen auseinander und scheut sich nicht, provokante Thesen zu vertreten. Gleichzeitig weist er notorische Moralapostel ebenso in die Schranken wie den noch aus der Zeit der sogenannten sexuellen Revolution verbleibenden Geist eines sozialen Zwanges zu praktizierter Freiheit. Eloquent, aufklärerisch und charmant plädiert Sigusch dafür, dass jeder Einzelne entscheiden möge, wie ordinär oder obszön er sein Sexualleben gestalten möchte.
Das Buch „Neosexualitäten“ von Volkmar Sigusch ist im Campus-Verlag erschienen und kostet 24,90 Euro.
Geschrieben von Stephan Kosa
von Archiv | 17.10.2005
33 Streichhölzer stehen für jeden Tag, an dem Familienvater Emmett den Tag in der noch dunklen Stille mit einem Kaffee vor dem Kamin beginnt: „Als ich gestern hier Feuer machte, knipste ich eine Taschenlampe an, um zu sehen, was ich da tat. Das war ein Fehler. Man muss im Dunkeln Feuer machen: Es muss seine eigene Lichtquelle werden. Überhaupt muss man so viel wie möglich im Dunkeln machen, auch den Kaffee, denn wenn man Licht macht, wird das limbische System in die wache Welt gezerrt, und das will man ja nicht.“
Mit nur wenigen und einfachen Worten lässt Nicholson Baker Bilder entstehen wie diese: „Ich würde gern einmal die Fabrik besichtigen, die Zugsirenen macht, und fragen, wie sie diesen Akkord ewiger Traurigkeit hinkriegen. Die Verstimmtheit des Dreiklangs ist ein Teil seiner Schönheit.“
Ein Buch voller Schönheit.
Das Buch “Eine Schachtel Streichhölzer” von Nicholson Baker ist bei Rowohlt erschienen und kostet 7,90 Euro.
Geschrieben von Judith Küther
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