von Archiv | 17.10.2005
Ein Bundesland und seine Musikfestivals im Jahr 2005
Wer über die Autobahnen 19 und 20 nach Mecklenburg-Vorpommern gelangt, den begrüßt an der Landesgrenze eine Tafel. Der Ausdruck „Festspielland“ sticht auf ihr deutlich hervor. Geht die Reise auf vier Rädern weiter ins Landesinnere, so zeigt sich dem Auge eine scheinbar fast unberührte Natur. Beides, Natur und Kultur, entwickelten sich in den vergangenen Jahren als Zugpferde für das industriell schwach besiedelte Land. Dabei gewinnt die Kultur immer mehr an Bedeutung.
Das Abschlusskonzert des Musiklandes Mecklenburg-Vorpommern und gleichzeitige Eröffnungskonzert des Usedomer Musikfestivals am 24. September in der Turbinenhalle im Kraftwerk von Peenemünde beehrte Bundespräsident Horst Köhler durch seine Anwesenheit. Ministerpräsident Harald Ringstorff stellte in seiner Ansprache die wachsende Bedeutung der Musik für das Bundesland heraus. In der Außendarstellung von Mecklenburg-Vorpommern heißt es daher nicht mehr allein „MV tut gut“, sondern seit kurzem auch „MV klingt gut“.
Unter dem Dach des Musiklandes Mecklenburg-Vorpommerns haben die Klassik- und Jazzfestivals neuerdings gemeinsam ihren Platz. Der Neubrandenburger Jazz Frühling, der Ostsee Jazz, die Greifswalder Jazz Evenings gesellen sich jetzt zur Greifswalder Bachwoche, dem Schönberger Musiksommer, dem Usedomer Musikfestival und den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern.
Letztgenannte wie auch die Eldenaer Jazz Evenings begingen in diesem Jahr eine Jubiläumssaison. Die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern lockten 45.000 Besucher zu ihren 111 Konzerten. Dem größten Klassikfestival im Nordosten Deutschlands gelang damit das beste Ergebnis in seiner 15-jährigen Geschichte. 2004 verzeichnete der Veranstalter 40.000 Konzerthörer. Intendant Sebastian Nordmann freut sich: „Unser Konzept, die reizvolle Mischung aus Stars und Junger Elite an traumhaft ländlichen Spielstätten, geht voll auf.“ Das Jubiläumskonzert auf Schloss Bothmer mit den fünf Klavierkonzerten von Ludwig van Beethoven sowie die Stargäste wie beispielsweise der Dirigent Kent Nagano, der Sänger Bobby McFerrin sorgten für Glanzpunkte während der Spielzeit. Als Novum gab es in diesem Jahr die Reihe „Musik aus MV“. Eine Zielsetzung der Programmsäule ist die Wiederaufführung von Werken in Vergessenheit geratener Komponisten aus dem Bundesland. Passend zum Anlass erschienen im Prestel Verlag die unter dem Titel „Musikbilder – Die Festspiele Mecklenburg Vorpommern“ publizierten Aufnahmen der gebürtigen Schwerinerin und freiberuflichen Fotografien Monika Lawarenz, deren Stärke es ist, dank eines wachen Auges, in Musik vertiefte Künstler, Spielorte und das Land an sich in schlichten und zugleich ausdrucksstarken Bildern festzuhalten.
Während sich die Greifswalder Bachwoche unter ihrem künstlerischem Leiter Jochen Modeß der Zahl 12 im Zusammenhang mit den Werken von Johann Sebastian Bach widmete, rückte das Usedomer Musikfestival den Ostseeanrainer Finnland in seinen Programmschwerpunkt. Mit Esa-Pekka Salonen, dem New Helsinki Quartett, dem Pianisten Olli Mustonen und dem Kammerorchester „Avanti!“ bot sich die wunderbare Gelegenheit, das Land der tausend Seen mittels der Ohren kennen zu lernen. Jean Sibelius gebührte dabei ein durch die Musik- und Kulturgeschichte Finnlands nicht ganz unberechtigter Schwerpunkt innerhalb des gesamten Festivalprogramms, doch ließen beispielsweise Esa-Pekka Salonens „Wing on Wing“, Einojuhani Rautavaaras „Cantus arcticus“ oder Joonas Kokkonens 3. Streichquartett einen Hauch von der vitalen zeitgenössischen Musik Finnlands erahnen.
Brückenschläge über die Ostsee hinweg, die Förderung von Nachwuchskünstlern, das Bewahren von kulturellem Erbe und die Werbung für das Bundesland sind Leistung eines Musiklandes, in dem die Kultur immer stärker und deutlicher zu einem harten Wirtschaftsfaktor wird. Wie klangvoll das zukünftig sein wird, werden die kommenden Jahre zeigen.
Geschrieben von Uwe Roßner
von Archiv | 17.10.2005
Zwei Klassiker bei den diesjährigen Ostseefestspielen
Inzwischen ist es eine kleine Tradition. Seit 2003 präsentiert das Theater Vorpommern an besonderen Spielorten in Greifswald und Stralsund in den Sommermonaten Theater und Musik unter freiem Himmel. Bei Touristen wie Einheimischen kommen die „Ostseefestspiele“ gut an. Fast 27.000 Besucher wurden gezählt. Dieses Jahr standen zwei Klassiker auf dem Programm: „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas sowie die „West Side Story“ von Arthur Laurents.
Einer für alle und alle für einen!“
Wer kennt nicht diesen Treueschwur, den „Die drei Musketiere“ in Alexandre Dumas’ Roman vor jedem Kampf leisten? Im Juni war er in der Klosterruine Eldena zu hören, die das Theater Vorpommern kurzerhand ins 19. Jahrhundert zurückversetzt hatte. Sie diente als Kulisse für das Open-Air-Stück von Axel Plogstedt.
D’Artagnan, der Bauernjunge aus der Gascogne, zieht in die Welt, um das Fürchten zu verlernen. Bei den Musketieren des Königs stößt er zunächst auf Ablehnung, doch da er sich im Kampf gegen die Soldaten des Kardinals Richelieu bewährt, wird er in die Runde der Königs-Getreuen aufgenommen. Bald geraten sie in die Machtkämpfe zwischen König und Kardinal wie zwischen Frankreich und England und müssen allerlei Abenteuer bestehen, um ihrem König zu helfen.
Regisseur Matthias Nagatis hatte keine leichte Aufgabe übernommen als er sich entschloss, das Ränkespiel um Macht, Liebe und Reichtum auf die Bühne zu bringen. Hatten sich doch bereits viele vor ihm mit unterschiedlichem Erfolg an Dumas’ Stoff versucht; derzeit ist das Stück – allerdings als Musical – auch im Berliner Friedrichstadt-Palast zu sehen. Doch Nagatis gelang der Spagat zwischen der Würde eines Klassikers der Weltliteratur und amüsanter Unterhaltung. So wirkten moderne Elemente wie ein Beatles-Klassiker oder die Drahtesel, die die Pferde der Kämpfer ersetzten, nicht deplatziert, sondern passten sich gut ein. Auch der eine oder andere Seitenhieb auf den Bundestagswahlkampf saß. Beeindruckend waren aber vor allem die Fechtszenen, die Jan Bernhardt mit seinen Kollegen einstudiert hatte. Sie ließen die Zuschauer ein ums andere Mal zusammenzucken und versetzten sie für gut zwei Stunden in die Zeit von D’Artagnan, Portos, Aramis und Artos.
New York in den fünfziger Jahren
Zwei Teenager-Straßenbanden liefern sich in den Slums der West Side erbitterte Schlachten: Die Jets sind die Einheimischen, die Sharks die zugewanderten Puertoricaner. Die Stimmung ist aufgeheizt und voller Rivalität. Ein Hauch von Amerika wehte im August und September über die Seebühne in Stralsund, wo die „West Side Story“ knapp 50 Jahre nach ihrer Premiere aufgeführt wurde.
Bei einem Tanzabend verliebt sich Toni, einer der Jet-Anführer, ausgerechnet in Maria, die Schwester des Gangleaders der puertoricanischen Sharks. Ihre Gefühle scheinen auf den ersten Blick die Chance zu sein, Frieden zu schließen. Doch es kommt anders. Als Toni versucht eine Messerstecherei zu verhindern, tötet er zunächst Marias Bruder und wird anschließend selbst erschossen. Erst durch dieses schreckliche Ereignis kommt es zu einer Annäherung der beiden Banden.
Die Geschichte ist beliebt und immer wieder gut. Shakespeare soll die Vorlage für das Musical geliefert haben, das an „Romeo und Julia“ angelehnt ist. Die Musik von Leonard Bernstein machte es weltberühmt. Generalmusikdirektor Mathias Husmann brachte den Kampf zwischen den verfeindeten Gangs nun in den Stralsunder Hafen. Der Rügendamm als Skyline von New York wirkte perfekt und die Sänger leisteten Schwerstarbeit. Schwungvolle Latino-Klänge wechselten mit melancholischen Liebesliedern. Gebannt verfolgten die Zuschauer den unvermeidbaren Lauf des Schicksals, der Toni und Maria erst zusammenführt und am Ende doch für immer trennt.
Geschrieben von Kai Doering
von Archiv | 17.10.2005
Deutschland versinkt im politischen Ausnahmezustand
Was hat die vorgezogene Bundestagswahl am 18. September uns nicht alles beschert – gleich zwei Regierungsaufträge mit Ansprüchen auf das Kanzleramt, drei kleine Parteien, die um fast jeden Preis in die Opposition gehen wollen, und mit tollen Neuwörtern wie Schwampel- („schwarze Ampel“) oder Jamaika-Koalition gleich auch noch ein paar Kandidaten für das Unwort des Jahres.
Dem geneigten Beobachter bietet sich ein spannendes und zugleich bizarres Bild eines politischen Ausnahmezustandes, mit dem vor dem 22. Mai dieses Jahres, dem Tag der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, niemand gerechnet hätte. Seitdem haben sich die Ereignisse überschlagen. Der Kanzler und sein Parteivorsitzender Franz Müntefering kündigten nach einer weiteren Wahlschlappe für den Herbst Neuwahlen an, dann stellte Schröder am 1. Juli im Bundestag die Vertrauensfrage, um die Auflösung des Parlaments zu bewirken. Bundespräsident und Verfassungsgericht befanden dieses Vorgehen für rechtmäßig, und schon waren wir in der Endphase des Wahlkampfes.
So umstritten das Vorgehen bis hier auch gewesen sein mag – dadurch, dass das Sommerloch ausfiel und die Medien voll waren mit Meldungen über Parteiaufstellungen, Konzepte und politische Inhalte, hatten sicherlich einige Bürger ihr Interesse an der Politik wiederentdeckt. Aber alles, was danach kam, glich einer Mischung aus Seifenoper, Polemik und Kindern im Sandkasten: Es wurde gestritten, teilweise auf niedrigstem Niveau, Politiker präsentierten sich ungewohnt selbstgefällig in medialen Foren, die wie Pilze aus dem Boden schossen, Personen wurden verheizt, und vor allem wurden Absagen erteilt an fast alle möglichen Koalitionskonstellationen, frei nach der Devise „mit dem kann und will ich nicht spielen“.
Und hier ist der Punkt, an dem sich die politische Elite dieses Landes fast ausnahmslos an die Nase fassen und eingestehen kann, dass ihre Strategien nach hinten losgegangen sind. Man kann es den Menschen nicht übelnehmen, dass sie das Gerede nicht primär als Taktiererei zur Mehrheitsbeschaffung sondern auch als Arroganz auslegen und sich enttäuscht abwenden. Ein ehrlicher, fairer und darüber hinaus sachpolitischer Wahlkampf sieht anders aus.
Die Quittung bekamen die großen Parteien aber nicht nur von den Nichtwählern, sondern auch von jenen, die an die Urnen gingen, um ihre Stimme abzugeben. Die CDU/CSU wurde mit 35,2 Prozent stärkste Kraft im Parlament, gefolgt von der SPD mit 34,3 Prozent der Wählerstimmen. Für die vor der Wahl so vollmundig propagierte Wunsch- und eigentlich einzig mögliche Partnerschaft reicht es also bei keinem von beiden, und das scheitert nicht an den „Juniorpartnern“ FDP (9,8 Prozent) und B’90/Grüne (8,1 Prozent). Die lachende Dritte beziehungsweise Fünfte war am Wahlabend die Linkspartei mit 8,7 Prozent, ansonsten gab es eigentlich nur Verlierer in verschiedener Hinsicht, die sich als Gewinner feiern ließen.
Das alles wäre noch kein Drama gewesen, aber der Machtpoker ging auch nach der Wahl weiter. Die Sondierungsgespräche mit den kleinen Parteien gingen erwartungsgemäß ohne Ergebnis aus, da weder eine rote noch eine schwarze Ampel von FDP und Grünen gewünscht und eine Zusammenarbeit mit der Linken von vornherein ausgeschlossen wurde. Inwiefern hier tatsächlich sachpolitische Differenzen oder persönliche Antipathien ausschlaggebend waren, bleibt unklar und nur noch die große Koalition als Ausweg, wenn aus dieser Wahl eine Exekutive hervorgehen soll. Deswegen verwundert es umso mehr, dass die Bildung einer schwarz-roten Regierung jetzt so kompliziert wird, zumal diese Konstellation in drei Bundesländern regiert und faktisch auch auf Bundesebene die letzten Jahre tätig war, nämlich in Form des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat, der die großen Gesetzesvorhaben stets gemeinsam beriet und umsetzte.
Der Gedanke an eine Zusammenarbeit gefällt bisher keinem der beiden Großen besonders gut, am wenigsten den beiden Kanzlerkandidaten. Schröder tritt inzwischen zwar betont kompromissbereit auf und setzt sich für eine „Kanzlerrotation“ ein, befindet sich aber eigentlich in der schwächeren Position. Von Merkel hört man unterdessen wenig.
Innerparteilich wird derweil auf beiden Seiten fieberhaft über Möglichkeiten nachgedacht, den eigenen Bewerber zu inthronisieren; nach außen kämpft man vorsichtshalber weiter mit harten Bandagen. Das nervt, auch weil die dabei eingesetzte Rhetorik so scharf ist, dass eigentlich kein Ergebnis möglich ist, bei dem niemand sein Gesicht verliert, zumindest ein bisschen. Der im Vorfeld so viel beschworene Wähler schweigt jedenfalls und staunt, dass die Mächtigen eine völlig andere Wahrnehmung haben, nachdem er doch so klar geäußert hat, was er wünscht. Vielleicht sollte man einfach ein zweites Konklave 2005 in Erwägung ziehen.
Geschrieben von Katja Staack
von Archiv | 17.10.2005
Der Greifswalder Kommunikationswissenschaftler Professor Klaus Beck
über mächtige Demoskopen, Medien und Rankings
moritz: Warum lagen die Demoskopen bei der Bundestagswahl so daneben?
Professor Klaus Beck: Man muss zwei Dinge unterschieden. Zum einen hat möglicherweise kurz vor der Wahl noch ein Meinungsumschwung stattgefunden. Ob über Zweitstimmenkampagnen oder aus anderen Gründen, das ist Spekulation. Das Zweite, was man davon trennen muss, ist die Frage, wie man diese Prognosen bewertet. Da scheint mir das Problem zu sein, dass alle Prognosen immer eine Fehlermarge haben, die auch angegeben wird von den Instituten. Das kann bei knappen Wahlausgängen schon bedeutend sein. Das Problem ist vielleicht eher eins der Vermittlung, dass Journalisten entweder nicht in der Lage oder nicht willens sind, klar zu machen, was diese Prognosen eigentlich bedeuten, oder was sie eben nicht bedeuten.
Lassen sich die Menschen von Umfragen in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen?
Wenn ein Einfluss stattfindet, dann nur auf diejenigen, die noch unentschlossen sind, zur Wahl zu gehen und die dann möglicherweise glauben: Wenn ich nicht hingehe, trage ich dazu bei, dass etwas ganz Fürchterliches passiert. Bei relativ wenigen Wählern, denjenigen, die schwanken und stark außengeleitet sind, kann es Umschwünge geben, was bei knappen Wahlergebnissen durchaus einen Einfluss haben kann. Ich habe aber bei dieser Wahl nicht den Eindruck, dass das so gewesen ist. Aus früheren Debatten kenne ich zudem den Vorwurf der Parteien zu sagen: Dass ihr uns schon als Sieger beziehungsweise Verlierer darstellt, deaktiviert unsere Leute. Dieses wechselseitige Instrumentalisieren führt zu nichts.
War die Medienschelte des Bundeskanzlers in der Elefantenrunde gerechtfertigt?
Ich fand die Vorwürfe zum einen sehr arrogant, zum anderen ziemlich dümmlich. Es war sehr interessant zu beobachten, wie dieser Machtmensch dort auftritt und wie relativ gut das auch funktioniert. Aber mit politischer Kultur, mit demokratischen Gepflogenheiten hat das relativ wenig zu tun, und ich glaube auch, dass objektiv gesehen weder die SPD noch Herr Schröder einen Grund haben, sich zu beklagen, denn sie sind ja diejenigen, die über die Personalityshows und das Kanzlerduell sehr stark von der Personalisierung der Politik profitieren.
Ließ sich aus der Körpersprache der Kandidaten in der Elefantenrunde etwas ableiten?
Eine bestimmte Euphorisierung bei Schröder war schon vorhanden, auch wenn ja einige mehr auf Trunkenheit getippt haben. Ein solch breites Grinsen aufzusetzen, sich so in den Sessel zu fläzen, das muss man erstmal bringen. Da sind schon Elemente von einstudiertem Verhalten dabei, und auch immer wieder Momente, wo das durchbrochen wird, wo die Züge entgleisen. Das kann man bei Herrn Stoiber immer gut beobachten, wenn der Zeigefinger ins Spiel kommt. Oder bei Frau Merkel, die wie ein Karnickel da saß, mit aufgerissenen, verängstigten Augen. Ich fand es interessant, dass die Körpersprache dieses Machos tatsächlich die Kandidatin ernsthaft beeindruckt hat. Mich würde es wundern, wenn jemand wie Schröder, der sonst so gut auf der Klaviatur der Medien spielt, da einfach die Sau raus lässt und völlig unbeherrscht auftritt. Das ist ihm nicht einfach so unterlaufen.
Wie viel Einfluss auf die öffentliche Meinung haben die Medien, die viel beschworene vierte Gewalt im Staat?
In dem Moment, wo die Menschen durchschauen, dass die Medien sie manipulieren wollen, haben diese keine manipulative Kraft mehr. Ich glaube, die Verhältnisse sind ein bisschen komplizierter geworden in den letzten 10 Jahren. Wir haben ja mittlerweile schon die dritte reflexive Schleife, das heißt, wir haben nicht mehr nur das Phänomen, dass die Medien darüber berichten, wie die Politiker in den Medien auftreten, wir können mittlerweile in normalen Tageszeitungen lesen, wie die anderen Medien das kommentieren, was im Medium Fernsehen läuft. Das ist schon eine hochreflexive Sache, die in den Publikumsmedien betrieben und auch rezipiert wird.
Auch im Bereich der Bildung wird immer mehr erhoben. Was für einen Einfluss haben Unirankings, die für Greifswald in den letzten Monaten sehr positiv ausfielen, auf zukünftige Studenten?
Am Beispiel der Kommunikationswissenschaft kann man sagen, dass als größte Wirkung die Bekanntheit gestiegen ist. Da hat man als kleine Einrichtung durch die Rankings einen Werbeeffekt, den wir vermutlich aber auch gehabt hätten, wenn wir im Ranking ganz schlecht abgeschnitten hätten, einfach weil viele mitbekommen hätten, dass es hier auch Kommunikationswissenschaft gibt. Die Orientierung, die Studenten in solchen Rankings suchen, ist nicht immer sachlich begründet. Der Fragebogen der Bertelsmann Stiftung, die die Kommunikationswissenschaft erstmalig gerankt hat, war beispielsweise sehr dilettantisch, weil sie noch nicht einmal genau wussten, was es für ein Fach ist. Zudem wurden Grundregeln der empirischen Sozialforschung nicht eingehalten.
Kann man die guten Rankings zur Stärkung der eigenen Position gegenüber der Landesregierung in der aktuellen Kürzungsdebatte nutzen?
Das würde voraussetzen, dass die Landesregierung sachlichen Argumenten aufgeschlossen ist. Ich habe aber bei der Kürzungsdebatte den Eindruck, dass sachliche Argumente nur sehr selektiv eine Rolle spielen, nämlich da, wo man sie brauchen kann, um das zu stützen, was man sowieso immer schon geglaubt hat. Wieso soll das in der Hochschulpolitik anders sein als in anderen Politikfeldern?
Was würden Sie zukünftigen Studenten raten? Wie sehr sollten sie sich auf Rankings verlassen?
Ich würde statt Rankings eher Studienführer, online oder in gedruckter Form, empfehlen, oder auch die eigene Recherche und das persönliche Gespräch. Studienführer sind fundierter, von Fachkollegen verfasst. Es wird auch über Inhalte statt nur über äußerliche Merkmale gesprochen, die fachlichen Profile werden einfach deutlicher. Mehrere Informationsquellen, das wissen wir aus allen Lebenszusammenhängen, können nie schaden.
Geschrieben von Katja, Staack, Sarah Rieser
von Archiv | 17.10.2005
Greifswalder Studenten über ihre Wahlheimat
Mathias
23 Jahre, Psychologie im 8. Semester
„Eigentlich wollte ich in Berlin studieren, wurde aber von der ZVS hierher geschickt. Ich dachte, nach dem 4. Semester wechsele ich. Es kam anders, offenbar ist Greifswald doch nicht so schlimm…“
Babette
23 Jahre, Germanistik/Musikwissenschaft im 9. Semester
„Die erste Zeit in Greifswald war ganz furchtbar. Der Kommentar eines Fernsehmoderators brachte es auf den Punkt: „Tristesse pur – Greifswald in M-V“. Diese Einstellung hat sich aber recht schnell um 180 Grad gewendet. Vorurteile über Greifswald gibt es viele. Es sei noch immer wie im tiefsten Sozialismus und fernab vom Schuß. Stimmt alles überhaupt nicht!“
Christoph
24 Jahre, Sportwissenschaft im 7. Semester
„Greifswald hat den Vorteil, so schön klein und übersichtlich zu sein. Das hilft beim Eingewöhnen und ich sehe das auch nach längerem Hiersein nicht als Nachteil. Vom Greifswalder Winter sollte man sich nicht abschrecken lassen – der Sommer ist wunderschön und entschädigt für die grauen Tage.“
Tina
24 Jahre, Mathemathik im 7. Semester
„Anfangs fand ich es total trostlos. Ich dachte, im tiefsten Osten gelandet zu sein. Inzwischen hat sich das gewandelt. Ich bin gerne hier und es gibt viele Studentenclubs und Bars, die es sich zu besuchen lohnt. Aber nach dem Studium bleibe ich auf keinen Fall hier – ich will von der Welt noch was sehen!“
Karina
22 Jahre, Medizin im 7. Semester
„Mein erster Eindruck? Wie Venedig! Total gutes Wetter, Straßenmusiker auf dem Markt- Greifswald hat einfach ein schönes Flair und: die Ostsee ganz in der Nähe. Was die Stadt betrifft, bin ich immer noch sehr zufrieden. Richtig blöd sind die überlaufenen Seminare bei uns. Es sind zu viele Studenten, manchmal behindert das schon sehr beim Lernen.“
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