Ein Bundesland und seine Musikfestivals im Jahr 2005
Wer über die Autobahnen 19 und 20 nach Mecklenburg-Vorpommern gelangt, den begrüßt an der Landesgrenze eine Tafel. Der Ausdruck „Festspielland“ sticht auf ihr deutlich hervor. Geht die Reise auf vier Rädern weiter ins Landesinnere, so zeigt sich dem Auge eine scheinbar fast unberührte Natur. Beides, Natur und Kultur, entwickelten sich in den vergangenen Jahren als Zugpferde für das industriell schwach besiedelte Land. Dabei gewinnt die Kultur immer mehr an Bedeutung.
Das Abschlusskonzert des Musiklandes Mecklenburg-Vorpommern und gleichzeitige Eröffnungskonzert des Usedomer Musikfestivals am 24. September in der Turbinenhalle im Kraftwerk von Peenemünde beehrte Bundespräsident Horst Köhler durch seine Anwesenheit. Ministerpräsident Harald Ringstorff stellte in seiner Ansprache die wachsende Bedeutung der Musik für das Bundesland heraus. In der Außendarstellung von Mecklenburg-Vorpommern heißt es daher nicht mehr allein „MV tut gut“, sondern seit kurzem auch „MV klingt gut“.
Unter dem Dach des Musiklandes Mecklenburg-Vorpommerns haben die Klassik- und Jazzfestivals neuerdings gemeinsam ihren Platz. Der Neubrandenburger Jazz Frühling, der Ostsee Jazz, die Greifswalder Jazz Evenings gesellen sich jetzt zur Greifswalder Bachwoche, dem Schönberger Musiksommer, dem Usedomer Musikfestival und den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern.
Letztgenannte wie auch die Eldenaer Jazz Evenings begingen in diesem Jahr eine Jubiläumssaison. Die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern lockten 45.000 Besucher zu ihren 111 Konzerten. Dem größten Klassikfestival im Nordosten Deutschlands gelang damit das beste Ergebnis in seiner 15-jährigen Geschichte. 2004 verzeichnete der Veranstalter 40.000 Konzerthörer. Intendant Sebastian Nordmann freut sich: „Unser Konzept, die reizvolle Mischung aus Stars und Junger Elite an traumhaft ländlichen Spielstätten, geht voll auf.“ Das Jubiläumskonzert auf Schloss Bothmer mit den fünf Klavierkonzerten von Ludwig van Beethoven sowie die Stargäste wie beispielsweise der Dirigent Kent Nagano, der Sänger Bobby McFerrin sorgten für Glanzpunkte während der Spielzeit. Als Novum gab es in diesem Jahr die Reihe „Musik aus MV“. Eine Zielsetzung der Programmsäule ist die Wiederaufführung von Werken in Vergessenheit geratener Komponisten aus dem Bundesland. Passend zum Anlass erschienen im Prestel Verlag die unter dem Titel „Musikbilder – Die Festspiele Mecklenburg Vorpommern“ publizierten Aufnahmen der gebürtigen Schwerinerin und freiberuflichen Fotografien Monika Lawarenz, deren Stärke es ist, dank eines wachen Auges, in Musik vertiefte Künstler, Spielorte und das Land an sich in schlichten und zugleich ausdrucksstarken Bildern festzuhalten.
Während sich die Greifswalder Bachwoche unter ihrem künstlerischem Leiter Jochen Modeß der Zahl 12 im Zusammenhang mit den Werken von Johann Sebastian Bach widmete, rückte das Usedomer Musikfestival den Ostseeanrainer Finnland in seinen Programmschwerpunkt. Mit Esa-Pekka Salonen, dem New Helsinki Quartett, dem Pianisten Olli Mustonen und dem Kammerorchester „Avanti!“ bot sich die wunderbare Gelegenheit, das Land der tausend Seen mittels der Ohren kennen zu lernen. Jean Sibelius gebührte dabei ein durch die Musik- und Kulturgeschichte Finnlands nicht ganz unberechtigter Schwerpunkt innerhalb des gesamten Festivalprogramms, doch ließen beispielsweise Esa-Pekka Salonens „Wing on Wing“, Einojuhani Rautavaaras „Cantus arcticus“ oder Joonas Kokkonens 3. Streichquartett einen Hauch von der vitalen zeitgenössischen Musik Finnlands erahnen.
Brückenschläge über die Ostsee hinweg, die Förderung von Nachwuchskünstlern, das Bewahren von kulturellem Erbe und die Werbung für das Bundesland sind Leistung eines Musiklandes, in dem die Kultur immer stärker und deutlicher zu einem harten Wirtschaftsfaktor wird. Wie klangvoll das zukünftig sein wird, werden die kommenden Jahre zeigen.
Geschrieben von Uwe Roßner