In den sieben Jahren moritz, die seit der ersten Ausgabe vom 26. Oktober 1998 vergangen sind, haben viele Redakteure die Geschicke des einen Greifswalder Studentenmagazins bestimmt. moritz traf zwei moritze der ersten Stunde, Christiane Wilke und Mirko Gründer, und blickte gemeinsam mit ihnen zurück.

moritz: Warum wurde der moritz von euch neu gegründet?

Christiane: Es gibt eine ganze Reihe von Verschwörungstheorien, aber die Wahrheit ist, dass der „Crash“ auf Schülerzeitungsniveau arbeitete dafür auch noch eine Menge Geld kostete. Im Dezember 1997 wogte mal wieder eine Kürzungswelle über Greifswald hinweg und wir probierten uns bei der Streikzeitung aus, wie man den „Crash“ besser machen könnte.
Wir haben dann über den Winter den moritz als neue Zeitung konzipiert und im Frühjahr ins StuPa eingebracht. Der „Crash“ löste sich fast geräuschlos auf und der moritz war aus der Taufe gehoben. Das ganze moritz-Projekt hat viel mit dem 97-er Streik zu tun und mit einem uns sympathischen AStA. Allein im StuPa saßen damals 5 moritz-Redakteure! Wir haben schnell ziemlich viele neue Redakteure für den

moritz gewinnen können, die durch die Aufbruchstimmung auch sehr enthusiastisch waren.

Mirko: Ach, wir waren jung und naiv… Nein, im Ernst, wir wollten vor allem ein journalistisch professionelleres Arbeiten. Das betraf alle Bereiche: von den angepackten Themen bis zur Recherche, vom journalistischen Schreiben bis ins Erscheinungsbild. Wir wollten etwas, was bei Studentenzeitungen oft eher verpönt ist (das gilt auch für manche der späteren moritz-Generationen), indem wir den Schwerpunkt weniger auf den Spaßfaktor legten als auf den Informationsgehalt und das Kritikpotenzial.
Der „Crash“, die Vorgängerzeitung, schien uns in dieser Hinsicht mehr als defizient. So haben wir eine Art von Putsch organisiert. Von den „Crash“-Redakteuren haben uns einige verlassen – wohl mehr aus persönlichen Motiven, denn manches Ego blieb nicht unbeschädigt – und manche blieben.
Das Selbstverständnis des moritz – so wie ich und Christiane es sahen – war damals das einer politisch wirksamen Studentenpresse nach dem Muster eines Politmagazins wie dem „Spiegel“. Daran haben wir uns orientiert. Hoffentlich misst man uns nicht daran…
Betont werden muss aber auch der Serviceaspekt. Wir wollten für die Studentenpresse eine Art mediale Hegemonie an der Uni – ein Projekt, dass in manchen Phasen der moritz-Geschichte durchaus realisiert war, denke ich. Neben der Zeitung haben wir uns deshalb auch Gebrauchsmedien vorgenommen, wie den Uniführer, den Terminplaner oder den Veranstaltungskalender. Ich denke, dass vor allem Studienanfänger davon viel profitiert haben.

Welche Entwicklung hat der moritz in den letzten 7 Jahren durchgemacht? Was lief gut, was weniger gut?

Christiane: Die Selbstfinanzierung durch Werbung hat nicht funktioniert, was bedauerlich ist, weil sie uns mehr Unabhängigkeit vom StuPa gebracht hätte.
Mit unserer hochschulpolitischen Berichterstattung haben wir das „Uni-Journal“ schnell in Probleme gebracht, weil jeder für hochschulpolitische Informationen zum moritz griff. Aus dem „Stadtstreicher“ haben wir die Kulturredaktion übernommen. Es gab damals allerdings auch wenig Konkurrenz, weswegen vieles einfacher war als heute.
Mirkos und auch mein Anliegen war von Anfang an, gegen das Ideal der „guten alten Zeit“, das noch in etlichen Köpfen an der Uni schwebte, anzukämpfen. Deswegen haben wir viel zur Uni-Geschichte geschrieben, von der Weimarer Republik über die Nazi-Zeit bishin zur Wende.
Das Interesse an der Hochschulpolitik hat mit der Zeit nachgelassen, vor allem weil die Redakteure in den Uni-Gremien fehlten. Der Kulturteil hat sich gut entwickelt, auch wenn es etwas länger gedauert hat.

Mirko: Das Wichtigste ist, dass das moritz-Projekt sich abseits personeller Kontinuitäten stabilisiert hat und dass der Uni wirklich etwas fehlen würde, würden die Produkte plötzlich verschwinden. Der moritz ist nun mal die einzige echte Presse gewesen. In politisch kritischen Phasen wie der Klinikumwandlung und den jährlich wiederkehrenden Kürzungsrunden hat er sich durchaus auch als Institution erwiesen.
Abgesehen davon müssen programmatische Brüche über die Jahre bei ständig wechselnder Besetzung wohl in Kauf genommen werden. Es ist wohl kein Geheimnis, dass ich nicht mit jeder Chefredaktion ganz einig war über die thematischen Schwerpunkte, die gesetzt wurden – aber jede Redaktion muss irgendwie auch sich selbst verwirklichen. Das ist okay so. Irgendwie hält es die Sache ja auch am Laufen, dass jede neue Gruppe irgendwas besser machen will als die Vorgänger.

Gab es mal richtig Ärger für einen Artikel?

Mirko: Richtig Ärger gab es immer mal wieder, überwiegend aber mit dem AStA oder dem Parlament. Verletzte Eitelkeiten brechen hier öfter auf, auch Loyalität wird schneller eingefordert. Die Uni-Oberen oder gar die Regierung haben da eine professionellere Einstellung.

Christiane: Eingeschlagen hat alles, was sich um Ernst Moritz Arndt drehte. Die Diskussion um ihn war der Universität peinlich. Arndt selber war schon zu seiner Zeit peinlich, war ein Mann mit Extrempositionen.
Dann sind wir vor allem während der Kürzungsrunden allen möglichen Gerüchten nachgegangen und haben immer wieder zu Tage gefördert, dass jede Kürzung, jede Stelle letztendlich eine politische Frage ist. Die Themen sind zwar nicht sexy, aber lebenswichtig.
Richtig Ärger habe ich nur einmal bekommen, als ich einen Artikel über eine angeblich gefälschte StuPa-Wahl geschrieben habe.

Welche Folgen hatte und hat die finanzielle Abhängigkeit vom StuPa?

Mirko: Zunächst einmal und vor allem die positive, den moritz vom Druck des Anzeigengeschäfts, das in Greifswald schwierig ist, zu entlasten. Die finanzielle Frage ist allerdings nie wirklich Grund für echten Stress gewesen. Wenn sie hochkam, standen meist andere Motive dahinter – Unabhängigkeitstreben der moritz-Chefs oder der Wunsch des AStA, die Zügel der Presse straffer zu ziehen. Ich denke, dass eigentlich keiner der Partner wirklich ein Interesse an der Veränderung der Verflechtung haben kann. Aber das ist ein weites Feld…

Christiane: Wir sind nie komplett vom StuPa-Geld losgekommen. Ich persönlich wollte meine Miete nicht vom StuPa bezahlt sehen und kein Arbeitsverhältnis ähnlich dem eines AStA-Referent eingehen. Meiner Meinung nach zieht so eine Regelung auch Leute an, die das ganze nur als Nebenjob betrachten. Das ist der moritz aber keinesfalls!

Geschrieben von Ulrich Kötter