Simon Sieweke und sein langer Abschied von der politischen Bühne
Egal, wen man über den ehemaligen AStA-Chef Simon Sieweke befragt: Respekt zollen sie ihm alle für sein Durchhaltevermögen und für sein derart effektives Arbeiten, dass er neben dem AStA-Vorsitz sein Bachelor-of-Law-Studium in Regelstudienzeit weiterlaufen ließ und im Winter 2004 abschloß.
m Wintersemester 2001 kam Simon Sieweke nach Greifswald und sein erster Eindruck von den studentischen Hochschulpolitikern bei der feierlichen Immatrikulation war eher ernüchternd: „Vor der Veranstaltung hatte ein Kommilitone Selbstmord begangen und der AStA-Vorsitzende Peter Tornow machte in seiner Rede eine Schweigeminute, um dann mit dem Statement abzuschließen, dass Studieren wie ein Orgasmus sei.“ Im Frühjahr 2002 kandidierte Simon dann für das StuPa und landete auf der Nachrückerliste. Er besuchte die Parlamentssitzungen jedoch trotzdem und wurde von den aktiven Hochschulpolitikern mehr belächelt als ernst genommen, erinnert sich Ex-AStA-Chef Robert Tremmel: „Als Simon im Herbst in das StuPa nachrückte, hätte ihm niemand den AStA-Vorsitz zugetraut und auch sein SPD-Parteibuch war vielen suspekt.“
Nach der StuPa-Wahl im Januar 2003 ging dann alles sehr schnell, wenn auch zunächst mit einer formalen Panne. Die konstituierende Sitzung vom Januar mußte im April wiederholt werden, Simon Sieweke wurde als StuPa-Präsident gewählt. Kaum eine Woche später kandidierte er für alle Beobachter überraschend als AStA-Vorsitzender und wurde auch prompt gewählt. Das Amt des StuPa-Präsidenten gab er daraufhin ab, nicht aber sein Parteibuch. Im Januar hätte er aber schon alle Parteiämter niedergelegt, betont der HoPo-Veteran heute. Der neue AStA konstituierte sich etwas schleppend, knapp die Hälfte der Referate war besetzt.
Für einige der damaligen Hochschulpolitiker markierte der April 2003 einen letzten starken Bruch innerhalb der studentischen Hochschulpolitik an der EMAU. „Angefangen hat das alles 1998, als die SPD sowohl im Bund als auch hier in Mecklenburg-Vorpommern an die Regierung kam“, erinnert sich Christiane Wilke, ehemalige HoPo-Redakteurin des moritz. Seitdem beobachtet sie einen Fraktionsbildungsprozess innerhalb der Studierendenschaft, die zum Beispiel im Fall der Juso-Hochschulgruppe gute Kontakte zu Informationsquellen in Schwerin und Berlin nach sich gezogen hätte. Ex-Senatorin Sandra Päplow geht noch einen Schritt weiter: „Ab der Amtszeit Simon Siewekes war der Informationsfluss zu den Vorgängern im Amt unterbrochen und der AStA wurde parteipolitisch. Statt die Interessen der Studierenden zu vertreten, entschwebten die Referenten in Partei- und Landespolitik.“ „Ich war manchmal zu hart“, gibt Simon Sieweke zu, „aber der AStA ist keineswegs parteipolitischer geworden. Dafür haben wir zu oft gegen die Landesregierung gepöbelt und auch immer Gespräche mit allen Parteien geführt.“
Über den Sommer 2003 hinweg erarbeitete sich Simon Sieweke Respekt, erinnert sich Robert Tremmel. Außerdem habe ihm ein StuPa zur Seite gestanden, das inhaltlich gute Arbeit geleistet habe. Simon Sieweke zeigte Medienpräsenz, schöpfte als erster bei der Öffentlichkeitsarbeit aus dem Vollen. „Mit Erfolg“, resümiert Robert Tremmel, „heute ist er eine politische Person in der Stadt.“ Der eine oder andere Schuß ging dabei nach hinten los, so etwa ein ominöses Fax im Mai 2003, in dem Simon Sieweke in Schwerin die Inhalte des Staats-Kirchen-Vertrages hinterfragte und damit die Theologie in die Kürzungsdiskussion brachte. 2 Jahre später sollte er sich vehement für den Erhalt der Fakultät aussprechen. „Natürlich waren Schnellschüsse immer gefährlich“, erinnert sich Sieweke, „aber wenn ich sie gemacht habe, dann habe ich sie jedes Mal für dringend notwendig erachtet.“
Zwischen Januar und Mai 2004 gab es neben Protesten schon wieder Querelen um die StuPa-Wahl, die dieses Mal erfolgreich angefochten wurde und im Mai erneut durchgeführt werden mußte. Der neue AStA wurde erst Mitte Mai gewählt und Simon Sieweke gelang trotz Umsturzversuchen aus dem eigenen AStA heraus die Wiederwahl als Vorsitzender. „Das ist eine große Leistung und hat viel mit Überzeugungsarbeit und persönlichem Engagement zu tun“, so Robert Tremmel. Simon Sieweke blieb bis Oktober 2004 AStA-Vorsitzender und bis Mai 2005 AStA-Referent für Hochschulpolitik.
Ex-Senator und Ex-Stupa-Präsident Maik Harfmann beschreibt diese Zeit als quälend langen Abschied von der Macht. „Simon Sieweke hat einen ausgeprägten Machtinstinkt“, analysiert er, „und ist damit auf dem besten Wege, Politiker zu werden.“ Für seinen Abgang von der hochschulpolitischen Bühne Greifswalds habe er jedoch zu lange gezögert, habe sich noch im Dezember 2004 in der Illusion gesonnt, realistische Chancen auf das Prorektorenamt zu haben. Maik Harfmann ist sich nicht sicher, ob Simon dann wirklich noch studentische Interessen vertreten hätte: „Ich glaube, er hätte uns für seine eigene Position glatt verkauft.“
„Für mich persönlich war es zu lange“, resümiert Simon Sieweke seine aktive Hochschulpolitik-Zeit, „und ich bereite mich jetzt erst einmal auf mein Staatsexamen vor.“ Dennoch: Selbst vom neuen AStA kann der Politik-Veteran nicht lassen und hält sich mit dem Posten des Co-Referenten für Rechtsfragen noch eine Hintertür offen. Außerdem will er aus dem Hintergrund darüber wachen, dass sein Werk von der neuen AStA-Generation sinngemäß fortgesetzt wird.
Geschrieben von Ulrich Kötter