(Familien-)Politik im Theater Vorpommern

Innovativ, experimentell und modern. So präsentiert sich der Tanz im Rahmen der „TanzZeiT 2005“ in Greifswald und Stralsund.

Das Konzept ist einfach und zugleich interessant. Zeitgenössische Choreographen treffen auf erfahrene Tänzer des Ballettensembles und entwickeln Tanzstücke, die sich durch neue Formen der Aussage und Tanzsprache auszeichnen.
Nach Anleitung des gebürtigen Brandenburgers Thomas Guggin, der seit 1987 als Choreograph, Produzent und Autor in Berlin lebt, ist das Tanzstück „Familienalbum“ entstanden. Als eine Miniatur nach Henrik Ibsens „Gespenster“ erzählt das Stück eine Geschichte über eine Familie, die dem Ideal einer harmonischen Familie zu entsprechen versucht und letztlich scheitert. Fünf Tänzern gelingt es hierbei mit gewollt reduzierten Bewegungen, das Auseinanderstreben und zugleich den Wunsch nach Geschlossenheit ausdrucksvoll darzustellen.
Graue, beschmierte Wände bilden die Kulisse und damit Raum für den Mikrokosmos Familie. Ein Familienfoto, an die Wand projiziert, verblasst und wird durch ein neues ersetzt. Einzelne Familienmitglieder, allesamt auffällig geschminkt, schwarzäugig sowie streng frisiert und gekleidet, tanzen mit-, um- und gegeneinander. Die Suche nach Geschlossenheit führt die Familie schließlich an einen Tisch, wobei die Harmonie nicht lange währt und die Familie an den eigenen inneren Konflikten zerbricht.
Das zweite Tanzstück des Abends „Les Locataires“ (Die Mieter) ist eine Inszenierung von Didier Théron, der in Frankreich geboren ist und unter anderem in Montpellier und New York studiert hat. Sein Tanzstück versteht sich als Antwort auf den Film des Cineasten Diata Djanelidze, der in seinem Film den Untergang des sowjetischen Systems thematisiert hat. In erster Linie aber ist das Stück ein Tanz von vier Tänzern, die vor schwarzer Kulisse und unter minimaler musikalischer Begleitung kraftvoll moderne wie auch klassisch anmutende Tanzbewegungen vollführen. Drehungen, schnelle Schrittwechsel und Sprünge prägen den dynamischen Charakter dieses Stückes.
Eigentlich sollte ein weiteres Stück des Choreographen Théron folgen. Nur hat diese zweite Produktion nach Einschätzung des Intendanten nicht den Qualitätsansprüchen genüget. So wurde die Premiere kürzer als geplant, wobei sich die künstlerische Qualität der beiden aufgeführten Stücke nicht bezweifeln lässt. Für die Zuschauer hat sich der Abend gelohnt, boten die Stücke und das Fernbleiben Thérons doch reichlich Diskussionsstoff.

Geschrieben von Grit Preibisch