von Archiv | 15.04.2005
Einer fehlt. Die Rektoren der Universitäten Greifswald und Rostock legten am 22. Februar ihr Diskussionspapier vor.
Die Fachhochschulen enthielten sich ganz diplomatisch. Die Studenten vertraten deutlich und bravourös mit ihren Protesten während der vorlesungsfreien Zeit ihre hochschulpolitischen Standpunkte. Interessenverbände gaben medial ihren Senf dazu. Hasenwinkel brachte trotz aufgeschlossener Atmosphäre bisher keine endgültigen Ergebnisse. Dennoch einer fehlt. Es ist das Land, ein Land, das sich jetzt und langfristig ernsthafte Gedanken über die Zukunft seiner Hochschulen machen muss.
Geschrieben von Uwe Roßner
von Archiv | 15.04.2005
Die Rektoren der Universitäten Greifswald und Rostock haben – aufgefordert durch die Landesregierung in Schwerin – Vorschläge gemacht, wie – durch Verlegung bzw. Zusammenlegung von Fächern bzw. Fakultätsteilen – Einspareffekte erzielt werden können.
Als GMD am Theater Vorpommern und Universitätsrat der Ernst-Moritz-Arndt-Universität möchte ich zur vorgeschlagenen Schließung der musikalischen Sparte an der Universität Greifswald bzw. ihrer Verlegung an die Musikhochschule Rostock Stellung nehmen.
Ob die pommersche Kirchenmusik in Greifswald oder in Rostock ?behaust? ist, macht keinen Unterschied für den Landeshaushalt.
Aber: in Greifswald und Stralsund entsteht z. Zt. durch die Restaurierung bedeutender historischer Orgeln ein pommersches Orgelzentrum. Dieser zukunftsträchtigen Entwicklung wird vorab der Sinn entzogen.
Außerdem: Die internationale Greifswalder Bachwoche ist nicht nur Zeichen für die musische Kreativität der Universität, sie ist auch lebendiger Ausdruck der Musikliebe und -pflege der Greifswalder Bürger.
Der ?Nordische Klang? mit seinen vielfältigen Facetten von Literatur, Theater, Malerei, Tanz und Musik ist einzigartig im Ostseeraum. Das Theater Vorpommern arbeitet gern partnerschaftlich mit der Universität zusammen.
Es ist unwahrscheinlich, dass durch die Verlegung der musikalischen Sparte der Universität Greifswald an die Musikhochschule Rostock nennenswerte Einspareffekte erzielt werden können, denn in Rostock müssten erst einmal neue Räumlichkeiten geschaffen werden.
Sicher ist aber, dass das reiche überregional und international ausstrahlende kulturelle Leben der Stadt Greifswald einen empfindlichen Schlag erleiden würde.
Es liegt mir fern, verschiedene geistige Disziplinen gegeneinander auszuspielen, aber Musik ist eine kommunikative Kraft: Bachwoche, Nordischer Klang, und die vielen Universitätskonzerte verbinden die Universität mit den Greifswalder Bürgern auf besondere Weise. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Greifswalder darauf verzichten wollen.
Ich bitte daher den Rektor der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, sich beim zuständigen Minister, der ja auch Greifswalder ist, für den Erhalt und die Entwicklung der Musik an der Universität Greifswald einzusetzen.
Geschrieben von Prof. Mathias Husmann
von Archiv | 15.04.2005
Es hat schon was Komisches, wenn drei Männer denken, sie wären in der Lage, zu entscheiden, was für die Hochschulen in Greifswald und Rostock und damit auch für das gesamte Bundesland Mecklenburg-Vorpommern am besten ist. Doch irgendwie hat bislang noch niemand darüber gelacht. Denn die drei Protagonisten, Bildungsminister Prof. Metelmann und die Rektoren Prof. Wendel (Rostock) und Prof. Westermann (Greifswald) meinen es tot ernst.
Auf einer Fachtagung der SPD Landtagsfraktion in Warnemünde Anfang dieses Jahres stellte sich der Bildungsminister denn auch öffentlich hinter Sigrid Keler, ihres Zeichens Finanzministerin in MV. ?Die 600 Stellen müssen im Hochschulbereich bis spätestens 2017 gestrichen sein, 300 davon bis 2009,? so Metelmann. Das bedeutet für die Ernst-Moritz-Arndt Universität das Wegfallen von 178 Stellen. Senatoren, sowohl studentische wie auch Professoren zeigten sich empört. Doch was tut unser Rektor? Er setzt sich mit seinem Kollegen aus Rostock zusammen und beide erarbeiten ein Konzept, wie mit den Streichungen umzugehen ist. Klingt zunächst ganz vernünftig, doch was dabei herausgekommen ist, könnte sich als Todesurteil für die EMAU erweisen. Anstatt der geforderten 178 wollte Westermann gleich 210 Stellen streichen. Er, wie auch Wendel sprechen von einem ersten Schritt – einem ersten Schritt für beide Unis eine eigenständige Profildebatte zuführen. Die Hochschulen Mecklenburg-Vorpommerns müssen sich im Lehrangebot unterscheiden, wenn sie auch weiterhin bestehen wollen. Das zumindest ist die Ansicht der beiden Rektoren. Doch was würde das nun für unsere Universität bedeuten? Das Konzept sieht die Streichung von Theologie und Kirchenmusik vor. Beides soll nur noch in Rostock angeboten werden. Ebenfalls nach Rostock werden der Diplomstudiengang Mathematik, weite Teile der PhilFak wie die Anglistik/Amerikanistik, die Altertumswissenschaften, die Alte Geschichte, die Ur- und Frühgeschichte, die gesamte Romanistik und die Erziehungswissenschaft gegeben. Das bedeutet, dass es in Greifswald künftig keine Lehrausbildung mehr geben wird, zumindest nicht mehr in der heutigen Form. Dafür soll Greifswald die BWL, Jura und die Politik exklusiv in Mecklenburg-Vorpommern erhalten.
Der Senat der Uni Rostock lehnte das Konzept ab und auch der Greifswalder Senat stellte sich gegen seinen Rektor. Doch nicht nur Senat und Studierendenschaft gehen gegen Westermann vor, auch die Stadt, ihre Bürger und die Bürgerschaft sind endlich aufgewacht. Seit das Konzept auf dem Tisch ist, macht die Protestgruppe. Und das mit durchaus beachtlichem Erfolg: In der ganzen Stadt liegen Unterschriftenlisten aus, auf denen die Greifswalder ihren Unmut über die Pläne zum Ausdruck bringen können. Doch damit nicht genug. So verschickten Studierende mehr als zwanzig Pakete mit Ziegelsteinen an die Landesregierung in Schwerin. Frei nach dem Motto: ?Auch wir wollen unseren Beitrag zum Bau einer Landesuniversität leisten.? Dass die Protestgruppe derzeit aus lediglich sechs Aktiven besteht, grenzt die Handlungsfreiheit natürlich ein, deshalb bitte ich alle Studierenden, sich an den Aktionen zu beteiligen. Ein Protest kann nur dann Wirkung zeigen, wenn möglichst viele Leute auf der Straße sind. Bedanken möchte ich mir hier bei den Theologen, die in den letzten Wochen wirklich malocht haben. Aktionen wie die Transparente auf der Domspitze waren einfallsreich und von guter Wirkung auf die Greifswalder Bürger.
Am 20.04.2005 findet ein Fackellauf von Neubrandenburg nach Schwerin über Greifswald, Stralsund, Rostock und Wismar statt. Im Anschluss soll am 21.April eine Demonstration vor dem Schweriner Landtag stattfinden. Dort werden wir dann auch die Unterschriftenlisten an die Landtagspräsidentin überreichen. Also kommt alle mit, damit wir in Schwerin ordentlich Krach machen können.
Geschrieben von Christian Bäz, Mitglied der Protestgruppe
von Archiv | 15.04.2005
Ein Interview mit Oberbürgermeister Dr. Arthur
König über Uni, Stadt und Landespolitik
moritz: Welche Bedeutung hat die Universität für die Hansestadt Greifswald?
Arthur König: Die Universität ist das Herzstück, ist der zentrale Entwicklungsmotor für die Hansestadt und für die Region Vorpommern. Das war nicht nur in der Vergangenheit so, dies trifft auch für die Gegenwart zu und erst Recht für die Zukunft. Stadt und Universität bilden eine fruchtbare Symbiose. Sie gehören zusammen. Die Universität bildet gemeinsam mit den anderen wissenschaftlichen Einrichtungen in der Hansestadt wie beispielsweise dem Max-Planck-Institut, dem Friedrich-Löffler-Institut, INP die zentrale Entwicklungsachse für die Hansestadt. Und das muss auch in Zukunft so bleiben! Die enge kulturelle Verzahnung von Stadt und Universität, die sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten entwickelt hat (etwa bei der Bachwoche, dem Nordischen Klang, beim Koeppenhaus, bei Benefizkonzerten und Universität im Rathaus) ist beispielhaft.
Welche Rolle spielen Studenten?
Studenten beleben die Hansestadt, geben ihr ein besonderes jugendliches Flair und ich gehe davon aus, dass viele Studenten nach abgeschlossenem Studium mit guten, mit positiven Eindrücken die Hansestadt verlassen und für ihren Studienort werben. Bessere Botschafter für die Hansestadt Greifswald kann ich mir kaum vorstellen. Kurz und gut: Die Universität spielt die zentrale Rolle für die Entwicklung von Stadt und Region, und das in jeder Hinsicht. Insofern trifft wohl auch der Satz zu: Geht es der Universität gut, so geht es auch der Stadt und der Region gut. Allerdings auch die Umkehrung.
Wie ist Ihre Sicht auf das vom Landtag beschlossene Personalkonzept in Bezug auf die Universitäten?
Strukturveränderungen gab es immer und wird es auch in Zukunft an Universitäten geben. Die Universität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ständig verändert. Strukturveränderungen sollen auch der Wettbewerbsfähigkeit und Anpassung an die zukünftigen Erfordernisse dienen. Ohne Veränderungen bleibt man stehen und kann wohl kaum die Zukunft gestalten. Insofern muss dieser Diskussionsprozess an der Universität geführt werden. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Universität für Stadt und Region halte ich es aber für sinnvoll und unabdingbar, wenn in diesem Prozess (Land, Universität) auch die Stadt intensiv einbezogen wird. Stadt und Universitäten gehören zusammen!
Wie ist Ihre Position zum Diskussionspapier der beiden Rektoren Wendel und Westermann?
Das Rektorenpapier fasse ich als Diskussionspapier sowohl für den Diskussionsprozess innerhalb der Universität als auch in Hinblick auf Vorstellungen der Landesregierung auf.
Was meinen Sie mit ?in Hinblick auf Vorstellungen der Landesregierung??
Die Landesregierung ist hier besonders gefordert. Denn Sparen ist das Eine – aber wie sehen die Vorstellungen des Bildungsministers bezüglich der zukünftigen Hochschullandschaft aus? Wo setzt er Schwerpunkte? Wie soll die Attraktivität der Hochschulen erhöht werden? Wie soll sich die zukünftige Hochschulfinanzierung gestalten? Diese Fragen müssen erst geklärt werden. Und ich sage auch hier ganz deutlich: Aus Sicht der Hansestadt wäre eine Entwicklung hin zu einer Landesuniversität an mehreren Standorten pures Gift. Dahin darf es nicht kommen!
Welche Position sollten Stadt und Uni innerhalb der jetzigen Diskussion um die Veränderung der Hochschullandschaft in Mecklenburg-Vorpommern einnehmen?
Universität und Stadt müssen gemeinsam für ?ihre? Belange eintreten, denn es wird kein anderer für uns tun. Dies mit aller Deutlichkeit und mit allem Nachdruck mit der Zielrichtung der Landesregierung in Schwerin! Stadt, Universität und Region müssen mit einer Stimme ihre Vorstellungen artikulieren und diese in Schwerin einfordern. Das dies uns gelingt, davon gehe ich aus! Die Stadt ist dazu bereit!
Geschrieben von Uwe Roßner
von Archiv | 15.04.2005
14. Januar
Tagung der SPD-Landtagsfraktion zur Hochschulentwicklung bis zum Jahr 2020 in Rostock-Warnemünde. Bildungsminister Metelmann fordert die Hochschulleitungen auf, ein gemeinsames Konzept zu entwerfen.
28. Januar
Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern beschließt ihr Personalkonzept. Es sieht vor, bis zum Jahr 2020 insgesamt 10 500 Stellen im Öffentlichen Dienst abzubauen. Davon entfallen 600 Stellen auf die Hochschulen.
22. Februar
Die Rektoren Westermann und Wendel legen ohne den Rückhalt ihrer Senate ihr gemeinsames Diskussionspapier vor. Das heißt, sie bekunden nur als Amtspersonen ihre Meinung, ohne dass sie stellvertretend für ihre Alma Mater sprechen.
23. März
Erste Konferenz in Hasenwinkel bei Wismar. Die Rektoren Wendel und Westermann stellen dem Land ihren gemeinsamen Vorschlag vor. Zielsetzung ist die Stärkung der Universität, die Konzentration von Fächern und der Abbau von Doppelungen.
11. März
Die Rektoren der Fachhochschulen legen trotz nachhaltiger Aufforderungen des Bildungsministeriums kein eigenes Konzept zur Umsetzung der Kürzungen vor.
22. Februar – 16. März
Beispiellose Proteste von Studenten, Mitarbeitern und Wirtschaft gegen das vorgestellte Konzept der Rektoren. Nach Rücktrittsforderungen an den Greifswalder Rektor wird schließlich seine Abwahl vorbereitet. Der Rostocker Rektor Wendel wird wiederholt und scharf durch Vertreter des Akademischen Senats gerügt. Sein Vorgehen wird als zutiefst undemokratisch charakterisiert. Die zahllosen Protestaktionen führen schließlich zum Rückzug des Konzepts durch Rektor Wendel am 16. März 2005.
21. März
Auf der zweiten Klausurtagung in Hasenwinkel beschäftigen sich die Rektoren, Kanzler und Vertreter des Bildungsministers in Gesprächen mit der Verbesserung der Qualität an den Hochschulen. Protestierende studentische Vertreter werden eingeladen unter Ausschluss von den Hauptverhandlungen ihre Position zu artikulieren. Sie bemängeln die fehlende Transparenz und Ausklammerung der Studenten bei den Verhandlungen.
14. April
Vollversammlung der Greifswalder Studierendenschaft zur Debatte um die Kürzungspläne an den Hochschulen des Landes. Motto: Zeit für Taten!
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