Der Brauch ist ein russischer. Es ist einer, der sich in der jüngeren Musikgeschichte des Landes langsam festsetzte. Komponisten entschieden mittels eines Werkes einem verstorbenen Freund oder Kollegen ein musikalisches Denkmal zu setzen. Als Form wurde das Klaviertrio bevorzugt.
Mit diesem Anliegen verfassten Sergei Rachmaninov und Dmitri Schostakovitsch ihre Opera 9 und 67. Das unerwartete Verscheiden des von ihm verehrten Pjotr I. Tschaikowski erschütterte Rachmaninov, der am Todestage beginnend seine Referenz nach zwei Monaten vorlegte. In einem Brief an einen Freund heißt es: „Dieses Werk ist eine Komposition auf den Tod eines großen Künstlers. Es ist nun abgeschlossen, deshalb kann ich zu Dir sprechen. Während ich daran arbeitete, gehörten all meine Gedanken, Gefühle und Kräfte ihm, diesem Gesang … Ich habe um jede Phrase gezittert, manchmal alles ausgestrichen und von vorne begonnen.“
Ähnlich erging es Dmitri Schostakowitsch nach dem Tod Ivan Sollertinskijs. Der Gedanke an ein Klaviertrio bewegte ihn seit langem, erste Skizzen gab es bereits es dafür. Zehn Tage nach dem Tod seines engen Freundes griff er diese Idee wieder auf und führte sie mit ganz neuem musikalischem Material zu Ende.
Beiden Werken widmet sich das Kniazev-Trio in seiner neuesten Einspielung. Der Violinist Dmitri Makhtin, der Cellist Alexander Kniazev und der Pianist Boris Berezovsky nehmen sich mit Inbrunst den Tonschöpfungen ihrer Landsmänner an. Der Zugriff ist musikantisch und spannungsreich. Entsprechend der kompositorischen Anlage lassen die drei Instrumentalisten bei Rachmaninov das Klavier und bei Schostakovitsch ein abgestimmtes Miteinander den musikalischen Fluss beherrschen. Manchmal stellt sich allerdings ganz vorsichtig die Frage, wie viel spielerische Lebensgier dem Andenken angemessen ist.
Geschrieben von Uwe Roßner