Gespielt: Hindemiths Klavierkonzert für linke Hand

Endlich! Die „Klaviermusik mit Orchester“ ist gefunden, uraufgeführt und als Partitur herausgebracht worden. Am 9. Dezember des vergangenen Jahres verzückte Sir Simon Rattle mit seinen Berliner Philharmonikern das Publikum.

Für den Pianisten Leon Fleisher ging an diesem Abend im Großen Saal des Hans-Scharon-Baus ein Lebenstraum in Erfüllung. Nach der Einspielung aller bisher bekannten und für Paul Wittgenstein komponierten Klavierkonzerte für linke Hand (beispielsweise Ravel, Prokofjew) fehlte ihm nur noch das lange für verschollen gehaltene Werk von Paul Hindemith.
Erst im Jahre 2002 fand die Hindemith-Stiftung im Nachlass des Pianisten Paul Wittgenstein eine zwar sauber angefertigte, aber mit Fehlern behaftete Abschrift unbekannter Herkunft. Besagter Bruder des bekannten Philosophen vergab zwar den Auftrag an den Komponisten und bezahlte das fertige Werk, behielt sich jedoch zeitlebens das alleinige Aufführungsrecht vor. Aber trotz Widmung, die auch heute noch in der Partitur steht, blieb das 1923 fertiggestellte Opus 29 der Öffentlichkeit vorenthalten. In einem Brief vom 4. Mai des Vollendungsjahres heißt es: „Es würde mir leid tun, wenn Ihnen das Stück keine Freude machen würde – vielleicht ist es Ihnen anfänglich ein wenig ungewohnt zu hören – ich habe es mit großer Liebe geschrieben und es sehr gerne.“ Eine Reaktion Wittgensteins ist nicht überliefert. Ihm gefiel es wahrscheinlich nicht, zu weit lagen die musik-ästhetischen Berührungspunkte von Komponist und Interpret auseinander. Während Wittgenstein spielend in der Romantik verharrte, brach Hindemith mit Papier und Feder wagemutig in das 20. Jahrhundert auf.
So blieb der Öffentlichkeit lange Zeit eines der letzten Meisterwerke der Moderne vorenthalten. Es ist eine Komposition musikantischen Zugriffs. Es ist Spielmusik von einer erfrischenden horizontalen Geradlinigkeit in der Partitur und im Konzert. Es ist ein Werk, das das Zeug hat zu den großen seiner Zeit zugerechnet werden zu können. Leider fehlen noch bisher die dafür helfenden Einspielungen. Das Konzertpublikum der Uraufführungsstunde war sich einig: Hindemiths Klaviermusik mit Orchester ist eine Sensation. Keine Frage. Eine Sensation, bei der das Klavier nur eine Stimme innerhalb des Orchesters ist.

Geschrieben von Uwe Roßner