Die Rektoren der Unis in Greifswald und Rostock spielen die entscheidende Rolle im Kürzungskrimi der letzten Wochen. Hier treffen ihre Ansichten aufeinander. Der heuler hat in Rostock mit Rektor Hans Jürgen Wendel gesprochen, der moritz war bei Rektor Rainer Westermann in Greifswald zu Gast.
heuler: Wie ist das Positionspapier der beiden Rektoren entstanden?
Hans Jürgen Wendel: Als das Kabinett zu Beginn des Jahres beschlossen hat, 600 Stellen bis 2017 zu streichen, haben die Gespräche mit Greifswalds Rektor Westermann begonnen. Die Wahl der Fachbereiche Jura, BWL und Politikwissenschaften war kein willkürliches Herausreißen. Die Diskussion um Doppelungen an den Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern laufen seit 1996. Das Rektorenkonzept stellt lediglich Vorschläge, keine Entscheidungen dar! Natürlich sind wir gegen die Kürzungspläne und haben gehofft, dass wir mit dem Konzept eine Diskussion auslösen.
Trotz der Kürzungen sollen alle Hochschulstandorte in Mecklenburg-Vorpommern erhalten bleiben. Ist das überhaupt möglich?
Rechnerisch ist das möglich. Die Standorterhaltung ist viel mehr eine Frage der Qualität. Schließlich reicht eine Person aus, um einen Standort zu erhalten.
Welche Rolle spielt die Berichterstattung der Medien in der gegenwärtigen Situation?
Die Medien spielen eine entscheidende Rolle. Sie zeigen der Öffentlichkeit, wie wichtig die Universität ist. Ohne die Medien hätte die momentane Lage der Universität eine viel geringere politische Bedeutung.
Wie wichtig war der Bildungsminister bei den bisherigen Plänen?
Der Bildungsminister hat nur eine indirekte Rolle gespielt. Er hat klar gemacht, dass die Konzepte für die Einsparungen ohne eigene Vorschläge der Hochschulen über deren Köpfe hinweg verordnet werden würden.
Wieso haben Sie sich kurz nach Vorlage des Papiers wieder davon distanziert?
Das Papier sollte eine Diskussion in der Öffentlichkeit anregen und zeigen, welche Bedeutung die Hochschulen haben. Dabei wollten wir keine anonymen Zahlen auftischen, sondern ein durchschaubares Konzept vorlegen. Die Hoffnung war es, die Politiker dazu zu bewegen, die Einsparungsvorgaben nicht einfach in Kauf zu nehmen.
Was wäre passiert, wenn die heftigen Reaktionen und Diskussionen in der Öffentlichkeit ausgeblieben wären?
Die Kürzungen wären durchgestellt worden.
Wie bewerten Sie die Proteste der Studenten?
Die Proteste zeigen, wie sehr sich Studierende und Mitarbeiter einsetzen und für den Erhalt der Leistungsfähigkeit kämpfen. Das ist ein sehr positiv aufzunehmendes Engagement. Es war sehr eindrucksvoll, wie die Studierenden gerade in Schwerin trotz des Regens demonstriert haben.
Wie können sich Studenten konstruktiv an den Planungen beteiligen? Inwieweit würden Sie auf die Studenten eingehen?
Alle Vorschläge werden ernsthaft diskutiert, das war auch beim Hochschulentwicklungsplan der Fall. Die Meinung der Studierenden ist sehr wichtig. Schließlich findet für sie ein Großteil unserer Aktivitäten statt. Aber in meiner Position als Rektor kann ich nicht nur Wünsche erfüllen. Ich muss dabei auch die Realisierbarkeit beachten, das ist natürlich eine große Beschränkung.
Welche Rolle spielen die Universitäten in Mecklenburg-Vorpommern noch?
Die Universitäten spielen nur noch eine nachgeordnete Rolle. In den Worten der Politiker werden sie allerdings immer noch hervorgehoben. Bei der feierlichen Immatrikulation vor einem Jahr in Greifswald hat die Finanzministerin gesagt, die Universität sei eine der modernsten Bildungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern. Ich hätte erwartet, dass das auch eingehalten wird.
Was halten Sie von den Rücktrittsforderungen gegen Herrn Westermann?
Diese Forderung ist undurchdacht. Herr Westermann will ja nicht sparen, er versucht lediglich das Beste aus der Situation zu machen und den Schaden zu minimieren. Herr Westermann wird für etwas verantwortlich gemacht, was andere angezettelt haben. Ein Nachfolger könnte auch nichts besseres machen.
Was schätzen Sie an der Universität in Rostock?
Wir haben sehr engagierte Hochschullehrer und Mitarbeiter, die versuchen, mit eingeschränkten Ressourcen ein Maximum an Lehre und Forschung zu realisieren. Sie Lassen sich trotz schlechter Rahmenbedingungen nicht entmutigen.
Sie haben bei Ihrem Amtsantritt davon gesprochen, dass Sie den Studierenden in Rostock ein Topangebot an Studienfächern bieten wollen.
Ich will schon, aber ob ich es kann, ist die Frage. Ich halte es für sinnvoller, einige Studiengänge aufzugeben, als alle auf ein schlechtes Niveau zu bringen.
Wenn Sie sich in die Lage der Studierenden versetzen, wie viel Vertrauen würden Sie Ihrem Rektor entgegenbringen?
Man darf nicht nur auf einen Punkt schauen, sondern muss auf einen größeren Zusammenhang achten. Ich zeige permanenten Einsatz für die Universität. Wenn ich nur hier wäre, um Applaus zu ernten, würde ich aufstehen und mit lauter Stimme gegen alles sein. Dabei sind es andere, die über die Universität entscheiden. Es wird Zeit, dass die Politiker sich zur Universität bekennen. Sie sollten die Universität als Chance sehen und nicht als etwas lästiges, das bezahlt werden muss.
moritz:Wie beurteilen Sie die Diskussion um die Kürzungen an den Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern?
Rainer Westermann: Es ist eine sehr komplexe Diskussion, in der viel Richtiges, aber auch viel Falsches gesagt wird. Die momentane Lage ist etwas verworren. Letzten Endes hoffe ich aber, dass wir uns irgendwann in den nächsten Monaten in den Standpunkten annähern und dass wir auch gemeinsam zu einem sinnvollen Vorschlag kommen.
Bedurfte es des Drucks aus Schwerin?
Aus Schwerin bekommen wir zu wenig Geld. Wir haben, unabhängig von den Kürzungen, zu wenig Geld, um alle vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen anbieten zu können und um alle notwendigen Bücher, Zeitschriften, Geräte und Materialien kaufen zu können.
Wie beurteilen Sie die Äußerung des Bildungsministers, die Universitäten des Landes spielten nicht mehr in der ersten Liga?
Wir gehören nicht unbedingt zu den Spitzenuniversitäten Deutschlands. In der Lehre schon, da haben wir viele gute Bewertungen bekommen. In der Forschung haben wir aber noch sehr viel aufzuholen. Wir müssten mehr Drittmittel einwerben, wir müssten mehr Graduiertenkollegs und Sonderforschungsbereiche haben, wir müssten besser in den Gutachterkommissionen der Deutschen Forschungsgemeinschaft vertreten sein.
Wie war die Ausgangssituation vor der Erarbeitung des Diskussionspapiers?
An dem Papier selbst haben wir nach dem Kabinettsbeschluss Ende Januar gearbeitet. Wir haben schon sehr viel länger Überlegungen und Diskussionen gehabt. Von Seiten des Landtags und der Landesregierung stehen wir seit langem unter einem enormen Druck, unsere Strukturen zu vereinheitlichen, insbesondere die so genannten Doppelungen zu reduzieren. Außerdem wird uns vorgeworfen, dass die beiden Universitäten zu wenige Absolventen haben und von daher wenig effizient arbeiten. Auf der anderen Seite konkurrieren wir in allen Fächern mit anderen Universitäten, die wesentlich mehr Personal und wesentlich mehr Sachmittel haben. Der unmittelbare Anlass für den Strukturvorschlag war der Beschluss des Kabinetts Ende Januar, 600 Stellen im Hochschulbereich zu streichen. Parallel dazu kam die Drohung des Bildungsministers: Wenn ihr euch nicht auf eine gemeinsame Struktur der Hochschulen innerhalb des Landes einigt, dann machen wir das. Und das hat uns ziemlich geschreckt.
Wie sah dieser Prozess innerhalb der Uni aus?
Seit gut einem Jahr haben insbesondere Herr Classen (1. Prorektor der Greifswalder Universität [d.Red.]) und ich intensiv Überlegungen zur künftigen Struktur der Universität angestellt. Wir haben auch regelmäßig mit Dekanen und ASTA diskutiert, mehrfach auch im Senat. Die Behauptung, keiner sei eingebunden gewesen, stimmt einfach nicht.
Welches Bild von Wissenschaft vertritt der Vorschlag?
Erstens habe ich eine Vorstellung von Wissenschaft, die umfassend ist. Ich bin dezidiert der Meinung, dass auch kleine Universitäten Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften umfassen müssen. Zweitens ist universitäre Wissenschaft im Wesentlichen Grundlagenwissenschaft. Es gibt Anwendungswissenschaften, der Transfer von Wissen in den Alltag ist sehr wichtig, aber der Kern ist die Grundlagenforschung. Wir betreiben Wissenschaft, weil wir etwas Neues wissen wollen, unabhängig von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen.
Wie bewerten Sie Distanzierung Herrn Wendels nach der Vorlage des gemeinsamen Diskussionspapiers?
Herr Wendel hat sich davon explizit distanziert oder hat es zurückgezogen. Das bedeutet, er hält das Papier nicht mehr für richtig. Ich distanziere mich nicht davon, denn das würde heißen, ich hätte etwas Falsches vorgeschlagen.
Warum fällt Ihr öffentlicher Protest anders als bei Herrn Wendel aus?
Herr Wendel ist jemand, der eine sehr scharfe Position in Interviews und öffentlichen Reden gegenüber der Landesregierung vertritt. Ich war in der Sache immer sehr hart, überhaupt nicht auf Schmusekurs, aber ich lehne es ab, auch im Ton beleidigend zu werden.
Wie beurteilen Sie die bisherigen Proteste der Studierenden?
Ich halte es für gut, wenn Studierende sich über ihre Universität Gedanken machen und sich für ihre Universität engagieren. Ich finde es auch gut, wenn die Studenten ihre Proteste mit einer gewissen Kreativität und einem gewissen Witz machen. Die Beteiligung war trotz der vorlesungsfreien Zeit hoch. Das war schon erstaunlich. Ich hätte es jedoch besser gefunden, wenn sie sich vorher genauer informiert hätten. Vieles, was dort geäußert worden ist, war falsch, falsch verstanden oder hat sich gegen die falschen Personen gerichtet.
An meiner Universität schätze ich besonders …
… die Kombination aus einer langen Geschichte, aus einer aktiven Gegenwart und aus einer nicht zu erschütternden Zukunftshoffnung.
Geschrieben von Judith Mielke (heuler): Rektor Wendel / Uwe Roßner (moritz): Rektor Westermann