Gleich zweimal Ärger am Institut für Anglistik
Normalerweise hört man aus dem Institut für Anglistik/Amerikanistik im Uni-Alltag nicht sehr viel. Auch das baufällige Gebäude in der Steinbecker Straße macht alles andere als einen spektakulären Eindruck. Im Januar jedoch sorgten gleich zwei Ereignisse dafür, dass die Anglistik urplötzlich in aller Munde war.
Alles begann mit einer im Grunde schönen Geste, nämlich mit dem Besuch des amerikanischen Botschafters Daniel R. Coats. Auf einer Tour durch Mecklenburg-Vorpommern hatte er sich entschieden, auch bei den Greifswalder Anglisten vorbeizuschauen. So bogen am Vormittag des 21. Januar schwarze Limousinen nebst Polizeieskorte in die Steinbecker Straße ein. Einige Stunden vorher hatten Mitglieder des Fachschaftsrates (FSR) ein Transparent an einen nahen Bauzaun gehängt um gegen die geplanten Stellenkürzungen an ihrem Institut zu protestieren. ?Die ganze Aktion war mit der Institutsleitung abgesprochen?, sagt André Kaminski, Mitglied des FSR. Zunächst hätte das Transparent, auf dem eine durchgestrichene amerikanische und eine britische Fahne zu sehen waren, was den möglichen Wegfall beider Zweige zeigen sollte, niemanden gestört. ?Urplötzlich wurde es jedoch von zwei Polizisten abgerissen und beschlagnahmt.? Außerdem wurden Andrés Personalien aufgenommen, der Fall zu Protokoll gegeben. ?Begründet wurde alles damit, dass es verboten sei, Transparente an Bauzäune zu hängen?, erzählt André. ?Die Studenten haben gegen das Versammlungsgesetz verstoßen?, sagt hingegen der Leiter der Polizeidirektion, Polizeioberrat Rainer Dittschlag, auf moritz-Nachfrage. Alles hätte 48 Stunden vor dem Besuch angemeldet werden müssen. ?Das Plakat wurde im Rahmen der Gefahr sichergestellt, weil es dumm war?, antwortet er, zum Transparent gefragt. ?Die ausländische Delegation konnte schließlich nicht so gut deutsch und hätte es auch falsch verstehen können.? André hat das Plakat inzwischen zurückbekommen, versteht die ganze Geschichte jedoch bis heute nicht.
Wenige Tage später kam es erneut zu unschönen Szenen in der Steinbecker Straße. Es ging um die Kurs-Einschreibungen für das Sommersemester. Um 18 Uhr sollten sie am 27. Januar beginnen, die ersten standen bereits um 14 Uhr in eisiger Kälte vor der Tür. ?Die Einschreibung erfolgt bei uns nach Semestern gestaffelt?, erzählt Anglistik-Dozentin Margitta Kuty. So seien hohe Semester zuerst zum Zuge gekommen, jüngere hingegen hätten warten müssen. ?Sie wussten das auch und waren erst für später bestellt.? Soweit die Planung. Dass Studenten jedoch eine Eigendynamik entwickeln könnten, damit hatte anscheinend niemand gerechnet, denn als die Einschreibung begann, standen sie alle vorm Institut – Erstis wie alte Hasen. Erstere wollten nun jedoch nicht akzeptieren, dass letztere ein Vorrecht besitzen und so kam es zu Anfeindungen, Pöbeleien und Drohungen. Im Gebäude drängten sich bis zu 100 Kommilitonen auf der Treppe, die sonst schon unter den Tritten weniger ächzt und knarrt. ?Der Strom der Studenten floss rein, aber nicht wieder raus?, erinnert sich Tina Schönerstedt, Zeugin der Vorgänge. ?Manche hatten sich Klappstühle mitgebracht und blockierten den Flur.? Schoben sich höhere Semester vorbei, seien sie angepöbelt und am Weitergehen gehindert worden. ?An sich herrscht bei uns eine gute Atmosphäre, aber an diesem Abend hat sich jeder mit jedem angelegt?, sagt Tina. Und auch die Dozenten schienen machtlos. ?Da herrschte Ignoranz auf beiden Seiten.? ?Die Nerven lagen bei vielen blank?, gibt auch Margitta Kuty zu. ?Mit solch einem Ansturm hatten wir nicht gerechnet.? Ein Standpunkt, der bei den meisten Studierenden auf Verwunderung stößt. ?Wie ich gehört habe, soll es im Semester zuvor ähnlich ausgesehen haben?, meint Henry Schweigel, der ebenfalls im Strom der Studenten stand. Er wollte sich die Behandlung nicht gefallen lassen und setzte spontan eine Petition auf, mit der gegen die Einschreibebedingungen am Institut protestiert werde sollte. Innerhalb weniger Minuten kamen 30 Unterschriften aufs Papier. ?Es ging nicht um blinden Protest, sondern um konstruktive Ideen?, erklärt er sein Vorgehen. Einige Tage später besuchte er Margitta Kuty in ihrer Sprechstunde um über die Situation zu reden. Für beide ein guter Dialog, der offenbar gefruchtet hat. ?Die Einschreibung wird bei uns ab dem Sommersemester elektronisch erfolgen?, verkündet Kuty. Dafür werde man mit Informatik-Studenten ein System entwickeln. Zum Ansturm wird es künftig also nur noch online kommen. Sind also alle zufrieden? ?Vorerst ja?, meint Henry Schweigel, ?doch wenn sich so etwas wie im Januar wiederholen sollte, sind wir wieder da.?
Geschrieben von Kai Doering