Abseits der Hochschulpolitik
Liberal – was heißt das eigentlich? Dem Duden nach ist ein liberaler Mensch vorurteilslos. Doch hat Liberalismus nicht auch immer etwas von Beliebigkeit, blickt man etwa auf die stets wechselnden Koalitionspartner der FDP in der Geschichte der Bundesrepublik?
„Keinesfalls“, ist sich Robert Gabel sicher. „Liberale sind nur besonders frei in ihrer Denkweise und nicht an Ideologien gebunden“, sagt der 25-jährige Student der Politikwissenschaft. Robert ist Vorsitzender der Liberalen Hochschulgruppe. „Wir sind jedoch auch offen für Nicht-Studenten“, fügt er schnell hinzu, „denn in der Hochschulpolitik sehen wir nicht unser Hauptbetätigungsfeld.“ So seien Hochschulgruppe und „Junge Liberale“ („Julis“), wie die Jugendorganisation der FDP genannt wird, in Greifswald ein und dasselbe.
Die Julis gibt es seit 1994 in der Hansestadt. Gegründet wurden sie vom damaligen Studenten und jetzigen Ratsherrn Sebastian Ratjen. Hört man den Julis bei ihren Gesprächen eine Zeit lang zu, merkt man schnell, dass Ratjen, der inzwischen zu ihrem Ehrenvorsitzenden ernannt wurde, nach wie vor eine wichtige Rolle spielt. Häufig beziehen sich die Jungpolitiker auf ihren Gründer. Zu Ratjens Zeiten sei das hochschulpolitische Engagement auch größer gewesen. „Eine hochschulpolitische Mannschaft wäre attraktiv“, so Robert Gabel, „doch es ist hart, dafür geeignete Leute zu finden.“ Deshalb engagiere man sich auch nicht im StuPa oder beim AStA. Dies heißt jedoch nicht, dass die Julis keine Meinung zu aktuellen hochschulpolischen Themen hätten. „Wir wollen schon das Bewusstsein für Studiengebühren schärfen“, meint Robert. Der wichtigste Aspekt werde nämlich noch immer verdrängt. „Sollten Studiengebühren tatsächlich kommen, müssten sie an eine Autonomie der Hochschulen gekoppelt sein.“ Gebühren als Allheilmittel der verfahrenen Situation in Lehre und Forschung zu sehen, sei hingegen ein Fehler.
Doch wie gesagt: Die sechs jungen Leute, die sich wöchentlich um 21 Uhr im „Stahlwerk“ treffen, richten ihr Hauptaugenmerk nicht auf die Hochschulpolitik. „Zurzeit stecken wir all’ unsere Energie in den ‘Ring Politischer Jugend’ (RPJ)“. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss aller politisch aktiven Jugendorganisationen in Greifswald. „In Anbetracht der Entwicklungen in der rechten Ecke, ist es besonders wichtig, dass wir zusammenarbeiten“, betont der Vorsitzende. Er wolle besonders an den Schulen Aufklärungsarbeit leisten und Jugendliche für Politik begeistern. „Langfristig ist es vielleicht sogar möglich, einen Jugendgemeinderat zu gründen, wie es in Baden-Württemberg Gang und Gebe ist.“
Doch trotz der guten Zusammenarbeit im RPJ halten die Julis nicht viel von den anderen Parteien. „Wir haben die Verpflichtung zu zeigen, dass unsere Politik gut ist“, ist Robert Gabel überzeugt. „Die Wege der anderen Parteien sind für uns Liberale nicht gangbar.“
Dass die Julis nicht an Altem kleben zeigt schließlich auch ihre Forderung nach einem Zusammenschluss von Greifswald und Stralsund zu einem Kompetenzzentrum. „Greifswald ist die perfekte Ergänzung zu Stralsund“, sind sie überzeugt. Ob hier die Gedanken etwas zu frei schweifen, wird erst die Zukunft zeigen.
Geschrieben von Kai Döring