Überraschungen gibt es immer noch. Vor allem, wenn sie die Vergangenheit betreffen. Im Bereich der diesjährigen Einspielungen ist die Wiederentdeckung des Elsässers Charles Koechlin (1867 – 1950), dem Dirigenten und Komponisten Heinz Hollinger zu verdanken. Zusammen mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart hebt er die Sinfonische Dichtung „Le Docteur Fabricius op. 202“ nach der Novelle von Charles Dollfus aus der Taufe. Eine Welturaufführung.
„Le Docteur Fabricius“ entsteht nach einer zweijährigen Schaffenspause Koechlins, ein glücklicherweise nur mittelfristiges Verstummen des Komponisten nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Der Sternenhimmel klingt hier anders als bei dem Nocturne für Orchester „Vers la Voûte étoilée op. 129“. Die Gestirne erstrahlen in einem jeweils ganz eigenen Glanz der Orchestergruppen und zusammengesetzten Klangfarben. Das Nocturne lässt den Zuhörer erheben, in der Symphonischen Dichtung weitet sich zwar die Brust, die Seele jedoch intoniert aus tiefer Not. Die romantisch-impressionistische Handschrift Koechlins ist ein Stil, der nicht ganz so glatt wie Debussy ins Ohr geht, der dem Hörer allerdings neue Klangräume öffnet. In der Kategorie ?Orchestermusik 20. Jahrhundert? wurde die CD für den Cannes Classical Award 2004 nominiert. Die Aufmerksamkeit ist berechtigt.
Geschrieben von Uwe Roßner