Ein moritz-Entschuldigungsporträt
Im moritz Nr. 28 (Mai 2002) fand sich ein Seitenfoto eines professionell lächelnden jungen Mannes, zu dem der Kommentar gebracht wurde: „Wie lange noch wollt ihr euch von Karriere-Gesichtern wie diesem hier die Jobs wegschnappen lassen?“
Was als Werbung für eine Karrieremesse für Otto-Normalstudent gemeint war, erschien doch etwas unangemessen. Besonders für den betroffenen Abgebildeten selbst.
Es handelte sich dabei um Sebastian Ratjen, seines Zeichens Zahnarzt und FDP-Landesgeneralsekretär. Und überdies Kandidat seiner Partei für den Landtag.
Als solcher kann er sich diffamierende Darstellungen nun wirklich nicht leisten. moritz hatte dies auch nicht beabsichtigt, und möchte an dieser Stelle Einiges über den Mann hinter dem Gesicht erzählen.
Mag das Gesicht auch den Klischees entsprechen – Sebastian Ratjen tut es wohl nicht wirklich. Der klischeehafte Karrieretyp zeichnet sich ja nicht nur durch gestyltes Aussehen aus, sondern vor allem auch durch ein schnelles Brotstudium ohne Abwege – eben durch sein Anstreben einer reibungslosen Karriere.
Geborener Politiker
Die kann man in Sebastian Ratjens Lebenslauf wiederum nicht finden. Dafür zog es ihn wohl schon immer zu sehr in die Politik und weniger zum Pauken. Eine gewisse Vererbung will er dabei nicht leugnen: Sein Urururgroßvater stand seinerzeit in regem Austausch mit Marx und Lenin und war Abgeordneter des ersten deutschen Parlamentes in der Paulskirche. Eine Linie, auf die Ratjen sich gern zurückbesinnt. Weniger bedeutsam für seinen Drang zur Politik scheint ihm selbst die entfernte Verwandtschaft mit Otto Graf Lambsdorf…
Ratjen ist 26 Jahre – was er nur ungern preisgibt. Schon als Schüler fand er den Weg zur Politik. Sechs Jahre im Europäischen Jugendparlament, davon einige Zeit als dessen Präsident, haben seinen Stil geprägt.
Eine der eisernen Regeln des Parlamentes war: „Have fun!“ Wenn die eines Tages nicht mehr für ihn gelte, so sagt er, würde er das politische Geschäft an den Nagel hängen.
In Greifswald, wohin ihn die ZVS verschlug, stieg er in die Studierendenpolitik ein. Ein Jahr als Präsident des Studierendenparlamentes und als Senator der Uni waren das Ergebnis.
Inzwischen ist er Präsident des Vereins der Freunde und Förderer der Universität.
Und nebenbei, seit dem Eintritt 1997, Engagement in der FDP. 1998 trat er als Bundestagskandidat für Greifswald an. An dem Ergebnis von 2,x Prozent hatte er schon zu knabbern, gesteht er heute. Aber inzwischen sind bessere Zeiten angebrochen.
Seinen Abschluss als Zahnarzt hat er bereits in der Tasche und strebt nun eine Promotion an. Sagt er. Tatsächlich gilt all sein Handeln der Partei. Nach 1998 war in der FDP ein Neuanfang angesagt. Ratjen ist eines der neuen Gesichter der FDP. Schon wieder nur Gesicht?
Wenn schon Gesicht, sagt er, sollen die Leute auch erfahren, was dahinter steht. Er steht zu seinem Aussehen und tut was dafür. Weder Tennis noch Golf, aber Bodybuilding. Das Gesicht muss nicht schön sein, meint er, aber es muss zu seinem Träger passen. Man muss einen Typ verkörpern. Sich selbst treu sein.
Zur FDP von heute steht er und steht für sie. Die Spaßgesellschaft ist seine Botschaft – nach zwei Weltkriegen und zwei Ideologien, sagt er, hat die deutsche Gesellschaft ein Bedürfnis nach etwas Spaß. Und meint vielleicht zwischen den Zeilen, dass gerade der deutsche Ernst das Problem ist.
Geschrieben von Mirko Gründer