Wer sich neben dem Studium ehrenamtlich einbringen will, hat viele Möglichkeiten. Eine davon ist das Kinder- und Jugendtelefon. webmoritz. hat sich mit Sara getroffen. Sie arbeitet seit 2014 für die Kindernothilfe und berät die Jugendlichen in schwierigen Situationen. 

Sara ist 24 Jahre alt und studiert Politikwissenschaften und Geschichte (B.A.). Neben dem Studium telefoniert sie einige Stunden im Monat mit Kindern und Jugendlichen. Diese rufen sie an, wenn sie Probleme haben, die sie – auf den ersten Blick – mit ihren Eltern nicht lösen können.

webmoritz: Was hat dich bewogen, beim Kinder- und Jugendtelefon zu arbeiten und wie lange machst du die Arbeit schon?

Sara: Ich war nach Beginn meines Studiums auf der Suche nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit und bin 2014 durch eine Rundmail auf die Beraterausbildung des Deutschen Kinderschutzbundes für das Kinder- und Jugendtelefon gestoßen. Da ich während der Schulzeit gelegentlich Jugendgruppen betreut habe, war dieses Angebot für mich besonders interessant. Mich hat außerdem eine Aufgabe gereizt, bei der ich zum einen selbst neue Erfahrungen sammeln, zum anderem aber auch helfen kann. Den Kurs habe ich im Frühjahr/Sommer 2014 besucht. Mittlerweile berate ich also seit knappen zwei Jahren regelmäßig.

Wie oft telefonierst du etwa?

Im Durchschnitt telefoniere ich zweimal im Monat für jeweils zwei Stunden. Die genauen Termine kann man, im Rahmen der Schaltzeiten, selbst wählen und ist somit an keinen starren Plan gebunden.

Was begegnen dir hauptsächlich für Probleme bei den Telefonaten?

Die Probleme, mit denen man zu tun hat, können ganz unterschiedlich sein. Ich hatte zum Beispiel mal jemanden dran, dessen Englischhausaufgabe ich kontrollieren sollte.

Häufig geht es aber um Schwierigkeiten in der Familie, Liebeskummer, um Ausgrenzung durch Gleichaltrige oder Streit mit Freunden.

Oftmals hat man die beschriebenen Situationen selbst schon erlebt und kann gerade deshalb Unterstützung leisten. Und natürlich sind auch immer Scherzanrufe dabei.

Das kennt man ja. Wie hoch ist denn die Quote an Scherzanrufen?

Die ist recht hoch, ebenso wie bei anderen Sorgentelefonen. Da das Angebot anonym und kostenfrei ist, stellt es eine besondere Verlockung für Scherzanrufer dar. Allerdings gibt es solche und solche Tage; manchmal telefoniert man zwei Stunden mit nur einer Person und spricht über ein ernstes Thema, manchmal hat man in den zwei Stunden 12 oder mehr Scherzanrufe. Die gehören irgendwie dazu und nach einer gewissen Zeit stören sie einen immer weniger.

Wie weit reichen eure Befugnisse, wenn ihr etwa durch das Telefonat eine Straftat gegen den Anrufer mitbekommt?

Da die Anonymität der Anrufer im Vordergrund steht, sind unsere Befugnisse begrenzt. Ausnahmen werden nur gemacht, wenn weiterführende Hilfe gewährleistet werden soll, zum Beispiel um Beratungsstellen im jeweiligen Wohnort herausfinden.

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Hast du das Gefühl, mit deiner Arbeit den Kindern wirklich helfen zu können. Gerade wenn der zeitliche Rahmen oft nur so knapp ist?

Kurz gesagt: ja, mit Hilfe zur Selbsthilfe. Durch die Distanz, die das Telefon mit sich bringt, ist es das Ziel, gemeinsam mit den Anrufern einen individuellen Lösungsweg für ihr Problem zu finden, der im Endeffekt alleine realisiert werden kann. Nicht jedes Kind oder jeder Jugendliche möchte beispielsweise die direkte Konfrontation, sondern vielleicht lieber einen Brief schreiben, um sich den Eltern oder einem Freund zu erklären. Meistens bekommt man durch gezielte Fragen und genaues Zuhören heraus, was sich der Betroffene wünscht.

Zahlreiche Telefonate werden zudem nicht mit einer ausformulierten Lösung beendet; oft steht die emotionale Entlastung im Vordergrund. Viele möchten “nur” ein ausführliches Gespräch und jemanden, der ihnen Aufmerksamkeit widmet.

Einmal habe ich mit einem jungen Mädchen telefoniert, das vor wenigen Wochen ihre Mutter durch einen Autounfall verloren hatte. Diese Unterhaltung hat mich sehr berührt, weil man spüren konnte, wie wichtig ihr dieser Austausch war.

Solche Fälle lassen mich nicht daran zweifeln, dass wir etlichen Anrufern weiterhelfen können. Manchmal muss man aber auch akzeptieren, dass eine Beratung nicht möglich ist.

 

Bekommt ihr auch Betreuung?

Wir erhalten etwa alle sechs Wochen die Gelegenheit, an einer Supervision teilzunehmen, die von entsprechend ausgebildeten Personen geleitet wird. Dort kann über belastende Situationen gesprochen werden und ein Austausch mit den anderen Beratern stattfinden. Außerdem gibt es von Seiten des Kinderschutzbundes eine Ansprechpartnerin, die uns bei Sorgen und Anliegen unterstützt und unseren Dienstplan im Blick hat. Ein Ehrenamt funktioniert immer nur mit einer guten Betreuung durch Hauptamtliche.

Wie ist das Team aufgestellt?

Wir sind hauptsächlich Studenten/innen aus ganz verschiedenen Studiengängen. Häufig vertreten sind Lehreramts- und Psychologiestudierende. Für einige Fächer besteht die Möglichkeit, sich die Beratertätigkeit als Praktikum anrechnen zu lassen. Ich würde sagen, insgesamt kommen um die 25 Leute zusammen, die regelmäßig telefonieren.

Eben weil wir vorrangig Studenten sind, ist eine jährliche Ausbildung notwendig. Viele von uns verlassen Greifswald vorzeitig, fallen durch Auslandsaufenthalte oder Praktika temporär aus, so dass neue Berater unentbehrlich sind.

Warum denkst du, dass es sich lohnt für das Kinder- und Jugendtelefon zu arbeiten?

Wie eingangs erwähnt, ist es in meinen Augen eine Tätigkeit, die zwei wesentliche Komponenten vereint: man lernt dazu, kann aber gleichzeitig etwas für Andere tun. 

Im Verlauf der Ausbildung eignet man sich Wissen über verschiedenste Themengebiete an und wird für das Erkennen und Formulieren von Problemen sensibilisiert. Die aktive Beratungszeit schult das Empfinden für eigene Grenzen, hilft dabei kommunikative Fähigkeiten zu verbessern und fördert nicht zuletzt Gelassenheit. Wichtig ist für mich darüber hinaus, dass man sich bei jedem Telefonat auch ein Stück weit mit sich selbst auseinander setzen muss und viel Empathie gefragt ist. 

Neben den persönlichen Aspekten lohnt sich die Arbeit aber vor allem, weil man Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gibt, über Dinge zu sprechen, über die sie sonst eventuell schweigen würden und im besten Fall mit ihnen Wege zur Problembewältigung findet.

Danke für das Interview. Viel Erfolg weiterhin bei der Arbeit.

 

Info:

Am kommenden Freitag, dem 22. April findet ein Workshop statt. Zwischen 15 Uhr und 16 Uhr können sich alle Interessierten in der Lise-Meitner-Straße 11 über die Arbeit als Ehrenamtlicher Mitarbeiter für das Kinder- und Jugendtelefon informieren. Wer telefonieren möchte,muss zunächst einen kostenfreien Kurs machen, welcher drei Monate lang auf das Betreuen von Kindern vorbereitet. Dieser beginnt ab dem 29. April und gliedert sich in drei Teile. Der Grundkurs findet immer freitags von 14 bis 18 Uhr statt, der Aufbaukurs mittwochs von 18 bis 21 Uhr und die Übungen jeweils freitags von 14 Uhr bis 15:30 Uhr (Gruppe A) oder von 15:45 bis 17:15 Uhr (Gruppe B).

Nach den ersten drei Monaten kann man die Kinder betreuen.

Fotos: Grafik vom Kinder- Jugendtelefon, privat