Morgen, am 8. Mai, findet der jährliche Trauermarsch von rechtsextremen Kräften durch Demmin statt. Bislang gab es keine Mobilisierung durch den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA), trotz zweier Beschlüsse des Studierendenparlamentes.

Die beiden Anträge um die geplante Exkursion nach Demmin am morgigen Sonntag schlagen im Moment Wellen. Nachdem der erste Antrag des Parlaments vom 19. April durch das Justiziariat informell geprüft und ihm eine Überschreitung des hochschulpolitischen Mandat attestiert wurde, entschied sich das Parlament in seiner Sitzung vom 26. April den alten Antrag aufzuheben und einen neuen zu fassen. Dieser ist, Stand jetzt, nicht beanstandet worden. In seiner Form unterscheidet er sich nur in einem Punkt von dem alten: Es soll kein Bus für 800 Euro, finanziert durch die Studierendenschaft, bereitgestellt werden. Stattdessen sollten die zuständige AStA-Referentin sowie zwei freiwillige Stupisten „zivilgesellschaftliche Partner“, die eine Finanzierung gewährleisten könnten, suchen. Des Weiteren wurde die AStA-Referentin, ebenfalls zusammen mit den beiden freiwilligen Stupisten, beauftragt, eine Exkursion zum Thema „Historischer Spaziergang durch Demmin“ zu organisieren. Diese Formulierung beruht auf einem Kompromiss, welcher auf einer Sitzung des Parlamentes in der vergangenen Legislatur mit Vertretern des Justiziariates geschlossen wurde. Durch diese Exkursion, speziell für Studierende, sollte die politische Bildung und das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein der Studierenden auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Ordnung gefördert werden. Der Punkt kann jedoch nicht vollkommen losgelöst von der zentralen Anreise via Bus betrachtet werden und wäre somit wohl auch der Beanstandung durch das Justiziariat anheim gefallen. Wohl auch deswegen wurde, Stand jetzt, keine Exkursion geplant, kein Aufruf über einschlägige Kanäle verbreitet und wohl auch keine lokalen Kooperationspartner für die Durchführung dieser Exkursion gesucht. Auf Nachfragen beim zuständigen Referat zum aktuellen Stand rund um den Demmin-Beschluss antwortete das Präsidium des Studierendenparlamentes. Hier heißt es:

Die beauftragte Referentin hat zum jetzigen Zeitpunkt weder zeitliche oder finanzielle Möglichkeiten gesehen, einen Bus für die Fahrt nach Demmin bereitstellen zu lassen.

Weiter wird in der E-Mail vom 5. Mai betont, dass das Studierendenparlament weiterhin hinter dem gefassten Beschluss stehe und auf die Möglichkeit von „Greifswald nazifrei“ aufmerksam mache. Von den anderen drei Punkten des Beschlusstextes, die sich ausschließlich mit der Organisation der Exkursion befassen, ist keine weitere Rede. Der aktuelle Arbeitsverlauf lässt somit den Schluss zu, dass Beschlüsse und Arbeitsaufträge präventiv nicht bearbeitet werden, wenn die Möglichkeit besteht, dass diese vom Justiziariat beanstandet werden könnten. Ein Indiz dafür ist die ursprüngliche E-Mail des Justiziariats an das Präsidium bezüglich des gefassten Beschlusses vom 19. April. Dort wird nicht nur die Rechtmäßigkeit der Finanzierung von Bussen, sondern auch die Exkursion zum Ort Demmin in Frage gestellt. Als alternative Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit den historischen Abläufen um den 8. Mai 1945 wird eine Mahnwache in Greifswald vorgeschlagen. Jedoch wurde auch zu diesem Punkt Abhilfe im erneuerten Antrag vom 26. April geschaffen. Das Studierendenparlement beruft sich hier auf die Grundordnung der Universität, genauer §1. In diesem heißt es: „Die Universität in Greifswald trägt den Namen Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Sie hat ihren Sitz in Greifswald und führt traditionsgemäß als Signum das Abbild ihres Großen Universitätssiegels. Sie fühlt sich der Geschichte und Kultur Vorpommerns verpflichtet.“ Demmin liegt in Vorpommern, was also eine aktive Auseinandersetzung vor Ort rechtfertigen dürfte. Noch im vergangenen Jahr gab es mehrere Mahnwachen von Seiten der Studierendenschaft, unter anderem den moritz.medien und dem AStA.

Der Beschluss sowie der Umgang mit ihm zeigen, wie problematisch eine reine Verrechtlichung eines politisch motivierten Antrags sein kann. Natürlich war der Zweck einer Exkursion am 8. Mai nach Demmin, die Nazis an der Umsetzung ihrer Opferkultur zu hindern und sich aktiv gegen rechte Strukturen in Vorpommern zu stellen. Diese zivilgesellschaftliche Verantwortung, wie sie vom Parlament bereits in der vergangenen Legislatur öfter versucht wurde umzusetzen, scheiterte wieder einmal an der Auslegung des Justiziariats und einer attestierten Überschreitung des hochschulpolitischen Mandates. Dass ein solcher Antrag jedoch ohne die Beanstandung des Justiziariats nicht bearbeitet wird, ist eine neue Dimension. So wirft auch die Erklärung des Präsidiums, worin denn das Problem mit dem Beschluss bestünde, die Frage auf, ob das Präsidium das Parlament vor dem Justiziariat vertritt oder anders rum. In der Erklärung wird beschrieben, wie es um die rechtmäßige Auslegung des hochschulpolitischen Mandates und dessen Überschreitung bestellt ist. Die Rede ist hier von der der Zwangskörperschaft, welcher die Studierenden mit Immatrikulation beitreten und aus welcher sie erst mit der Exmatrikulation ausscheiden. Durch diesen Zwang ist es nicht möglich, Beschlüsse zu fassen, die eher allgemeinpolitischen Charakter – also keinen Hochschulbezug – haben. Analog laufe es mit der Finanzierung solcher Veranstaltungen. Mit dieser Darstellung der Tatsachen nimmt das Präsidium die Position der Universitätsleitung ein und wirft nicht die Frage auf, wann denn dieser allgemeinpolitische Charakter erreicht sei; eine Frage, die es wohl auf den kommenden Sitzungen des Parlamentes zu klären gilt.

 

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