Seit Anfang des Monats muss sich die Universität Greifswald mit ihrer eigenen kleinen Affäre zum Thema Recht und Unrecht einer Handlung beschäftigen. Auf der gestrigen konstituierenden Sitzung bezog das Studierendenparlament erstmals politisch Stellung im Fall der fraglichen Promotion eines ehemaligen Neonazis an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät.

Es klingt fast zu skurril, um wahr zu sein. Durch eine Anfrage im Rahmen von Recherchearbeiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) kam ans Licht, dass ein ehemaliger Neonazi Anfang des Jahres seine Doktorwürde an der Universität Greifswald entgegennehmen durfte. Der 32-jährige Maik Bunzel hat eine bewegte Vergangenheit. Neben seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin und der GjPA Berlin brach Bunzel zwei Promotionsstellen an der Freien Universität Berlin und der Universität Bayreuth nach zwei, bzw. einem Jahr ab. Nachdem durch eine Dokumentation von SpiegelTV die vergangene Gesinnung sowie seine Beteiligung an der rechtsradikalen Band „Hassgesang“ als Leadsänger bekannt wurde, musste er seine Stelle als Richter für den Freistaat Bayern aufgeben. Wie sich die politische Gesinnung von Bunzel heute darstellt, ist nicht klar. Auf Anfragen reagierte er nicht. Zwischen Oktober 2014 und Februar 2016 promovierte Bunzel zu dem Thema: „Der privatärztliche Vergütungsanspruch gemäß der GOÄ im Spannungsfeld des medizinischen Fortschritts“. Seine Disputation hatte er am 23. Februar diesen Jahres. Doktorvater des Cottbussers war Prof. Dr. Ralph Weber. Dieser war ebenfalls in der Vergangenheit durch eine einschlägige politische Haltung aufgefallen, unter anderem durch das Tragen der Nazimarke „Thor Stainar“ an der Universität. Der 56-Jährige ist seit dem Wintersemester 2009/2010 Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht, Medizinrecht, Arbeitsrecht und Rechtsgeschichte und wird zu den Landtagswahlen im September als Direktkandidat für die Alternative für Deutschland (AfD) antreten. In wie weit ihm die politische Gesinnung seines Doktoranden bekannt war, ist nicht klar. Auch er steht zu keiner Stellungnahme zur Verfügung.

Universitätsleitung schweigt

Seit der Anfrage der FAZ und einer ersten Stellungnahme vom 31. März hüllt sich das Rektorat in Schweigen. Bei Anfragen wird auf den bereits veröffentlichten Text verwiesen. Hier heißt es:

Die Hochschulleitung ist entsetzt, dass sie nun im Zuge einer Presseanfrage zur Kenntnis nehmen muss, dass kürzlich an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät ein medizinrechtliches Pro- motionsverfahren von einer Person abgeschlossen wurde, der laut Medienberichten rechtsextreme Äußerungen zugeschrieben werden, die im Jahr 2004 zu einer Verurteilung wegen Volksverhetzung geführt haben sollen.

Medieninformation der Pressestelle der Universität Greifswald vom 31. März 2016

Auch das Dekanat der betroffenen Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät ist noch nicht zu einer Stellungnahme bereit. Der erst vor kurzem gewählte Dekan, Prof. Dr. Joachim Lege, bittet um Verständnis, dass er zur Sache erst nach Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen Stellung nehmen kann. In der Zwischenzeit erreicht das Thema deutschlandweites Medieninteresse. Nach den Artikeln in der FAZ, bei Vice Deutschland und Endstation Rechts war es gestern das Studierendenparlament, welches als erstes politisch Position bezog.

Parlament fordert eindeutige Positionierung

Es war bereits eine halbe Stunde nach zwölf, als das Studierendenparlament zu dem Tagesordnungspunkt „Weltoffenheit statt Intoleranz“ kam. Nach einigen Diskussionen, in den es um die Doktorarbeit, die Würdigung einer akademischen Leistung und Extremismus ging, wurden die wirklich entscheidenen Worte gesagt. Natürlich wollte und könne niemand im Parlament die Rücknahme der Promotion verlangen. Vielmehr muss hier die Rede von einem strukturellen Problem sein, das es anzufassen gilt. Wie kann es sein, dass eine Universität, die in ihrem Leitbild die Weltoffenheit für Menschen jeglicher Herkunft und Überzeugung propagiert, es zulässt, dass Personen mit einer menschenfeindlichen Gesinnung akademische Grade erlangen. Gerade in einer Region wie Vorpommern sollte  nicht nur besonders auf eine starke Internationalisierung gesetzt werden, sondern nationalistische Tendenzen im Keim erstickt werden und diese nicht gefördert werden.

Am Ende der Diskussion stand ein, durch Änderungsanträge erweiterter, fünf Punkte umfassender Beschluss, welcher einstimmig angenommen wurde. Während sich in den ersten beiden Punkten explizit die Studierendenschaft, vertreten durch das Parlament von der Verleihung der Promotion distanziert und diese aufs Schärfste kritisiert, fordert sie in Punkt drei das, was die Debatte verdient hat. Eine umfangreiche Stellungnahme von der Universitätsleitung, dem akademischen Senat, dem Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, dem verantwortlichen Promotionsvater und dem zuständigen Prüfungsausschuss. Diese sollten elektropostalisch über den Verteiler an alle Studierenden der Universität Greifswald gesendet werden. In den weiteren beiden Punkten wird der AStA aufgefordert, zu der feierlichen Verleihung der Promotionen am 27. Mai eine Mahnwache vor dem Hauptgebäude der Universität abzuhalten und es wird ein erster Lösungsansatz geboten, welcher solche Fehltritte in Zukunft vermeidbar machen könnte.

Die Studierendenschaft fordert, dass sich der Prüfungsausschuss der RSF zu der Thematik äußert und die Lücken der Promotionsordnung der RSF, die eine Prüfung von möglichen Promovierenden durch die Fakultät nicht vorschreibt, auszubessern.

Beschlusstext „Weltoffenheit statt Intoleranz“ vom 12. April 2016

Sollte eine solche verpflichtende Prüfung eingerichtet werden, wäre dies ein starkes Zeichen nach Außen und Innen. Der Senat wird sich voraussichtlich auf der kommenden Sitzung am nächsten Mittwoch zu der Thematik äußern und auch positionieren. Ob ein Antrag nur von Seiten der Statusgruppe der Studierenden kommt oder es eine gemeinsame Stellungnahme gibt, ist zur Zeit noch nicht bekannt. Wünschenswert wäre es allemal.

Foto: www.rsf.uni-greifswald.de