Autoren: Paul Zimansky und Philipp Schulz
Einige Tage sind nun vergangen, seitdem geflüchtete Menschen aus Syrien in der Turnhalle der Feldstraße angekommen sind. Der Betreiber wurde mittlerweile gewechselt, doch die Situation bleibt weiterhin notdürftig. Ein Rück- und Ausblick.
Mittlerweile 10 Tage ist es her, dass nun mehr als 49 Geflüchtete angekommen sind und in der Notunterkunft unterkamen. Seit den ersten 48 Stunden Turnhalle, die chaotisch und unkoordiniert für einige Furore sorgten, hat sich einiges geändert. Am letzten Wochenende gab es einen Betreiberwechsel. Die „Volkssolidarität Greifswald-Ostvorpommern e.V.“ nahm nun am Montag die Arbeit auf, was Organisation, Koordination, Betreuung und Verantwortung für die geflüchteten Menschen in der Turnhalle betrifft, nachdem European Homecare sichtlich überfordert mit der zusätzlichen Unterkunft in der Feldstraße war. Der hauptamtliche Mitarbeiter Rafael, welcher bereits vier Wochen vorher die Unterkunft in Pinnow, nahe Anklam, aufbaute, wird sich als Verantwortlicher nun den anstehenden Aufgaben annehmen.
Probleme, Fragen und Antworten
In den vergangenen Tagen haben sich viele Probleme in der Zusammenarbeit der Behörden und Ehrenämtler und der scheinbar angewandten „learning by doing“ Politik gezeigt. Gerade in Sachen Hygiene und ausreichender Versorgung im Punkto Medizin und Essen haben sich Lücken aufgetan, die eigentlich nicht nach Entstehen gekittet werden, sondern von Vornherein geklärt hätten sein müssen. Natürlich greift eine Erkältung um sich, wenn knapp 50 Menschen über einen so langen Zeitraum in einer Turnhalle schlafen. Unter diesen Zuständen leidet auch die Intimität. Die harten Pritschen sorgen mittlerweile in mehreren Fällen für Rückenschmerzen und stehen in einem Abstand von kaum einem Meter. Warum dauert es neun Tage, bis ein Netzwerk aus freiwilligen Medizinstudierenden des Universitätsklinikums, Amtsärzten und der Volkssolidarität bereitsteht? Wieso muss es eben solange dauern bis eine Waschmaschine für die Bewohner zur Verfügung steht und Waschmarken durch das Sozialamt ausgegeben werden? Auch die Wohnungslage ist weiter unklar. Laut offizieller Stelle sind momentan keine neuen Wohnungen verfügbar. Bis die 49 Bewohner vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keine offiziellen Aufenthaltstitel bekommen, muss also jeder in der Halle bleiben und unterliegt der Residenzpflicht. Deswegen wird jetzt auch die mögliche Unterbringung in Studenten-WG´s und privaten Räumen für Flüchtlinge ohne Status geprüft. Menschen mit Wohnraum, die diesen zur Verfügung stellen möchten, können sich unter dieser Adresse melden.
Erst jetzt ist der Kreis in der Lage die Probleme zu erkennen und zu beheben – zu Spät. Geflüchtete Menschen mit Grundbedürfnissen auf „Morgen“ zu vertrösten, sollte in einem Land wie Deutschland keine Messlatte sein. Trotzdem scheint sich ein ungesundes Vertrauen in die ehrenamtlichen Helfer eingeschlichen zu haben. Natürlich ist es Richtung und Wichtig, das Menschen sich freiwillig der Geflüchteten annehmen und für sie da sind, sei es um mit ihnen Karten zu spielen. Aber wo wird hier die Grenze gezogen, zwischen dem darauf ausruhen und es als willkommenen Zusatz ansehen. Klar in dem Moment, in dem Freiwillige, ohne Kenntnis und Versicherung, die Bewohner der Turnhalle mit Privatfahrzeugen zu ärztlichen Untersuchungen begleiten müssen, weil es nicht anders geht. Laut Statut vom Land kann sich ein hauptamtlicher Helfer bis zu 1 Stunde mit 7 Flüchtlingen beschäftigen. Das würde im Fall Greifswald sieben Stunden pro Tag für den einzigen Zuständigen bedeuten, der zusätzlich auch alle Amtsgänge begleiten muss.
Zwischen Hauptverantwortung und Ehrenamt
„Wir wollen die Flüchtlinge so schnell wie möglich, so menschenwürdig wie möglich unterbringen“
-Dirk Scheer, Beigeordneter Dezernat 2
In den vergangenen 10 Tagen kamen zahlreiche ehrenamtlich helfende Menschen zur Notunterkunft. Alle wollen einen Beitrag leisten und bestmöglichst helfen. Von der Begleitung bei Arzt- und Amtsgängen, über verschiedene kulturelle Freizeitaktivitäten wie z.B. dem wöchentlich stattfindenden „Interkulturellen Café“ im Jugendzentrum klex, bis hin zu organisatorisch-vernetzenden Aufgaben, seien es Dolmetschen, Vernetzung und Informationsaustausch zwischen verschiedenen Stellen, spielt das Ehrenamt eine bedeutende Rolle in der Greifswalder Willkommenskultur. Mehrmals kamen syrische Geflüchtete zu den helfenden Leuten und bedankten sich für die große Mühe und ständige Hilfsbereitschaft. Auch die Geschäftsführerin der Volkssolidarität Greifswald-Ostvorpommern e.V., Kerstin Winter, betonte in einer gestrigen Gesprächsrunde zwischen verschiedenen Verantwortlichen wie dem Dezernenten Dirk Scheer, dem Integrationsbeauftragten Ibrahim Al Najjar, einigen Lokalpolitikern wie Erik von Malottki und Gregor Kochhan sowie anwesende Ehrenämtern und Sprechern der Geflüchteten, dass eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit aller Parteien eine Chance für Greifswald seien. Ausdrücklich wurde noch einmal betont, dass man auf derselben Seite stehe und die notdürftige Situation bestmöglichst für alle, besonders für die Geflüchteten, gestalten möchte.
Fotos: Philipp Schulz/ Paul Zimansky