Ende Mai stellte die Struktur-Kommission der Philosophischen Fakultät das Konzept für den Stellenabbau vor, nun zeigt sich immer mehr Widerstand. Neben Studierenden wollen auch Dozierende den Zustand nicht hinnehmen.

Sowohl der Bachelorstudiengang Musikwissenschaft als auch Baltistik sollen nach dem Konzept geschlossen werden. An der Slawistik ist zudem geplant, die Literaturwissenschaft vorerst nicht zu besetzen. Damit wollen sich Studierende und Dozierende der Institute nicht abfinden. Auf der Facebookseite des Institut für Kirchenmusik und Musikwissenschaft wird dem Unmut Luft gemacht: „Mitten in einer Phase des Aufschwungs, so kurz nach der erfolgreichen Jahrestagung der Gesellschaft für Musikforschung in Greifswald, ungeachtet unserer weitverzweigten internationalen Vernetzung, der besonderen Forschungsschwerpunkte und der einzigartigen Fächerkombination, treffen uns diese Pläne hart.“ Laut Therése Altenburg, Mitglied im Fachschaftsrat für Kirchenmusik und Musikwissenschaft, hielten alle drei Studiengänge am Institut zusammen, auch zu den Dozierenden stehe man im engen Kontakt. Das bestätigt auch Professor Walter Werbeck: „Wir informieren natürlich unsere Studierenden von den drohenden Maßnahmen und ermuntern sie, ihre Kontakte, etwa über die sozialen Medien, zu nutzen, um gegen die Schließung unseres Faches zu protestieren. Soweit ich sehe, ist da auch schon einiges geschehen.“

Webeck geht Ende des Sommersemesters 2017 in Rente. Danach soll es keinen neuen Professor für Musikwissenschaft an der Uni Greifswald geben. „Einen Studiengang nicht aus inhaltlichen Gründen zu schließen, sondern lediglich wegen des Ruhestands des derzeitigen Stelleninhabers, halte ich für eine Maßnahme, die dem Profil der Philosophischen Fakultät als einer geisteswissenschaftlichen Fakultät in höchsten Maße abträglich ist“, so der Professor. Ihm fehle eine wirkliche Strukturdebatte, in der man sich auf essentielle Fächer verständigen könne – wozu für ihn die Musikwissenschaft klar dazugehört: „Sie arbeitet philologisch – wie die Sprachen -, sie arbeitet mit einem Gegenstand der Künste – ganz ähnlich wie die Kunstgeschichte -, und sie arbeitet historisch – wie die allgemeine Geschichte auch.“

Mit Briefen gegen die Schließungen

Die Musikwissenschaftler haben nun einen Protestbrief aufgesetzt. In diesem weisen sie auf die Forschungserfolge hin, etwa die 20 Bände der Greifswalder Beiträge zur Musikwissenschaft, und zeigen, dass ohne diesen Studiengang die Greifswalder Bachwoche so in diesem Maße nicht aufgestellt werden könne, weil die Studierendent in den Ensembles, bei der Organisation und Ausführung der Veranstaltungen mitwirken. “ Sogar Anneliese Pflugbeil, die Mitbegründerin der Bachwoche, unterstützt unseren Protest“, erklärt Therése. Die Studierenden wollen während der Bachwoche weitere Unterschriften sammeln.

Auch an der Slawistik und Baltistik macht sich der Unmut breit. Natalia Gubaydulina vom FSR Baltistik/ Slawistik meint dazu: „Betreffend der Umwandlung des Baltistikstudiengangs in eine Forschungsprofessur empfinden wir es als rücksichtlos gegenüber den baltischen Ländern.“ Es sei nicht verständlich, warum immer von Zusammenarbeit gesprochen werde, wenn zeitgleich diese Zusammenarbeit vor den universitären Toren ende. Der Fachschaftsrat setzt auf eine Onlinepetition und erhöhte nun die angegebene Zahl von 500 auf 2.000 Unterzeichner, da die 500 innerhalb von fünf Tagen erreicht wurden.

Moniert wird vor allem, dass die eigenen Forschungsschwerpunkte nur leere Worthülsen seien. Mit den Einsparungen an den beiden Instituten verlören sowohl Universität als auch Stadt an Vielfalt. Auch hier beruft man sich auf die kulturelle Ausstrahlung, die unter anderem durch den Polenmarkt erwirkt wird. Auch verlöre man das Polonicum und das Ukrainicum, die seit Jahrzehnten an der Universität Greifswald angeboten werden. Doch auch Relevanz wird unterstrichen: „Angesichts der Krise in der Ukraine ist schon häufig ein Mangel an gut ausgebildeten Osteuropaspezialisten erkennbar geworden“, so Natalia, „In solch einer geopolitisch wichtigen Situation kann sich Mecklenburg-Vorpommern, als direkter deutscher Nachbar eines slawischsprachigen Landes nicht erlauben, seinen letzten Studienort für Slawistik bis zur Unkenntlichkeit zusammen zu kürzen.“ Neben der Onlinepetition hat der FSR direkt einen Brief an den Prorektor Professor Micha Holm Werner verfasst, weil dieser im moritz.magazin 117 in einem Interview sagte: „Es gibt in allen Bereichen Dinge, die eben nur hier passieren. Wir sind meines Wissens der einzige Standort mit einer Ukrainistik.“

Sollten die beiden Studiengänge Musikwissenschaft und Baltistik wirklich gestrichen werden, verliert Mecklenburg-Vorpommern nicht nur die letzte universitär verankerte Musikwissenschaft, in ganz Deutschland wird man dann nicht mehr Baltistik studieren können. Beide Varianten werden auch international mit Skepsis betrachtet, bei der Onlinepetition überwiegen die Unterschriften, die nicht aus Greifswald kommen, um ein vielfaches. „Ich kenne die hohe Qualität der Forschung und Lehrer meiner Slawistikkollegen aus Greifswald. Die Schließung des Instituts wäre ein riesiger Verlust sowohl für deutsche als auch ukrainische Hochschulgemeinschaften“, so ein Unterstützer aus Kiew auf der Petitionsseite.

Am 24. Juni 2015 findet die nächste Fakultätsratssitzung statt, auf der die Strukturpläne erneut besprochen werden. Bis dahin sammeln sowohl die Baltistik und Slawistik als auch die Musikwissenschaft und versuchen zu zeigen, warum ihr Studiengang für Greifswald so wertvoll ist.

 Fotos: EMAU Greifswald via twitter