Nachdem fristgemäß drei Beschwerden zu der Oberbürgermeisterstichwahl am 10. Mai, die Dr. Stefan Fassbinder gegen Jörg Hochheim mit gerade einmal 15 Stimmen gewann, eingegangen waren, traf sich gestern die Greifswalder Bürgerschaft um über das Schicksal des Oberbürgermeisters in spe zu verfügen. Eine nicht ganz objektive Betrachtung des gestrigen Abends.
Der Bürgerschaftssaal im Rathaus war bis auf die letzten Plätze mit abstimmungs – und diskussionsbereiten Mitgliedern des hohen Greifswalder Hauses und schaulustigen Bürgern gefüllt, als die Präsidentin die Sitzung um zwei Minuten nach 18 Uhr eröffnete. Nachdem so gut wie alle anderen Tagesordnungspunkte von der Tagesordnung gewischt waren und das Verfahren der Debatte erörtert war, konnte die Schau beginnen. Eingereicht waren drei Beschwerden, welche den reibungslosen Ablauf der Wahl im Bezirk 093 (Thälmann-Ring, Betreutes Wohnen) in Fragen stellten. Die Tür, welche durch Offenheit den Wählern das Wählen einfach machen sollte, war für einen nicht näher definierbaren Zeitraum x (zwischen „gegen 11“ und ?) verschlossen gewesen, da die Matte, die extra in Keilform gefaltet war, wohl ihren Dienst verweigerte. Eingereicht wurden die Beschwerden von Herr Kohnert, der gegen 11 nicht wählen konnte, später jedoch seinem Bürgerrecht pflichtbewusst nacheiferte, Jörg Sievers, Vorstandsmitglied des Wirtschaftsrates der CDU-Sektion Greifswald/ Vorpommern und den CDU-Oberbürgermeisterkandidaten Jörg Hochheim – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Was haben Sie in der fraglichen Zeit zwischen 11 und 14.30 Uhr gemacht?
In der ersten Fragerunde wurden dann die Wahlauschussleiterin, Frau Demuth, der Wahlvorstand des fraglichen Wahlbüros und die Einspruchsteller auf Herz und Nieren befragt und getestet. Ausführlich wurden Fragen zu der Uhrzeit, anderen Möglichkeiten das Wahlbüro zu erreichen, deren behindertengerechte Ebenerdigkeit und der Kleidung des Wahlvorstandes am 10. Mai gestellt und oft auch beantwortet. Die hitzige und sehr polemische Debatte hätte eigentlich und folgerichtig in dem berühmten Dialog zwischen Tom Cruise und Jack Nicholson aus „Eine Frage der Ehre“ gipfeln müssen – aber wer von den Beteiligten hätte schon die Wahrheit vertragen an diesem Abend? Unbeantwortet blieb auch die Frage, ob Herr Kohnert geklopft habe, oder den nicht ausgewiesenen Eingang über die benachbarte Terrasse nicht gesehen habe, als er unbedingt wählen wollte. Logische Fragen an einen Mann, der so in Rage war nicht wählen zu können, dass er seine Wahlbenachrichtigung noch an Ort und Stelle zerriss. Dr. Stefan Fassbinder hing während der fast zweistündigen Debatte auf Grund von Befangenheit in den hinteren Reihen und sah dabei alles andere als glücklich aus – verständlich, ging es hier immerhin um sein Amt. Die Diskussion hatte in der Zwischenzeit recht dubiose Züge angenommen. So fragte Peter Multauff, was Herr Kohnert in der Zeit zwischen seinen zwei Wahlversuchen denn getan habe? Nach einer 10 minütigen Pause, in der sich die Fraktionen ein letztes Mal beraten konnten, ob das Verhör hinter eine Spiegelwand zu verlegen sei oder alle Fragen geklärt wurden, sollte entschieden werden, ob die Bürgerschaft noch an Ort und Stelle entscheiden wird oder ein Wahlprüfungsausschuss einzusetzen sei.
Schere, Stein, Papier
Nach einer weiteren Pause, die zur Klärung von Verwaltungsfragen genutzt wurde, entschied die Bürgerschaft mit 21 zu 20 Stimmen über die Installierung eines Wahlprüfungsausschusses. Ob der dem zerkauten Kaugummi durch weiteres Kauen jedoch zu mehr Geschmack verhelfen kann, ist fraglich. Denn unter dem Strich bleiben nur drei Möglichkeiten. Erstens: Der Wahlprüfungsausschuss kommt zu dem Ergebnis, dass alles Rechtens war und die Bürgerschaft entlastet ihn auf der nächsten Sitzung am 29. Juni; Fassbinder kann sein Amt antreten. Zweitens: Es kommt zu Neuwahlen in dem Wahlbezirk. Drittens: Die CDU klagt vor dem Verwaltungsgericht, was ein sehr gutes Zeichen für das Selbstverständnis von demokratischen Wahlen wäre und was wohl auch bei Tor Eins der Fall wäre.
Definitiv war die gestrige Debatte eine Farce und hinterlässt, auch da jedem der Beschwerdesteller Verbindungen zur CDU nachgewiesen werden können, den bitteren Beigeschmack, dass jemand ein ganz schlechter Verlierer ist und Angst vor der möglichen künftigen politischen Ausrichtung der Hansestadt hat. Das sahen übrigens auch andere Zuschauer so:
@webmoritz Gut, dass Herr Steffens da war. ‚
— @FBMri 8. Juni 2015
@FBMri @webmoritz Ist schon absurd genug, dass er sein Mandat „ruhen“ lassen wollte. (Als ob das ginge.) Jetzt doch aufzutauchen ist dreist. — @deichvoigt 8. Juni 2015
Foto:
via wikicommons
Dabei wäre die CDU mit Fassbinder, der in seinen politischen Ansichten wohl eher rechts von Hochheim steht, doch mehr als gut bedient.
Ein Traumpaar von OB und Stellvertreter! 😉
Wo genau käme es zu Neuwahlen, lieber Autor?
Herr Fröhlich, da habe ich mich wohl vergessen.
Da die Neuwahlen noch nicht Teil der Debatte waren, wurde dieses Thema ebenfalls nicht näher erörtert.
Wahrscheinlich ist aber, dass es nur zu Neuwahlen in 093 kommen würde, was aber rechtlich und organisatorisch (gelinde gesagt) schwer ist.
Einmal durch die Tatsache, dass sich diese ca. 1030 Wahlberechtigten sicher ihrer Verantwortung bewusst sind und die Wahl praktisch alleine entscheiden. Desweiteren muss aber auch eine Briefwahl gewährleistet sein. Der Bezirk 093 ist aber mit 3 weiteren Bezirken zu einem Briefwahlkreis zusammen gefasst.
Diese Frage wird aber sicher genauer beantwortet, wenn es soweit seien sollte.
Vielen Dank!
Meines Wissens ist das unzutreffend. Gerade wegen der Situation mit den Briefwahlstimmen MUSS zwangsläufig mindestens im gesamten Briefwahlbezirk neugewählt werden. Wegen des extrem knappen Ergebnisses würde ich es zudem für geboten halten, dass stadtweit neu gewählt werden muss. Das entspricht nach meiner Kenntnis auch dem Stand der aktuellen politischen Diskussion über das Thema.
Das heißt: Entweder die Wahl wird für gültig erklärt – oder es wird komplett neu gewählt.
Wie gesagt, auf der gestrigen Debatte wurde es nicht groß angesprochen. Nur die Wahlausschussleiterin, Frau Demuth, hatte kurz angesprochen, dass das eine Möglichkeit wäre. Ich würde es aber auch für besser halten in der ganzen Stadt neu zu wählen, sollte es soweit kommen. Ich denke, jetzt müssen aber erstmal der 29. Juni und die Ergebnisse des Wahlprüfungsausschuss abgewartet werden.
Danach kann man gucken, wie und wo neu gewählt wird oder ob überhaupt.
"… es wird komplett neu gewählt" und die Schnelle-Hochheim-Eingreiftruppe geführt von dem politischen
Einpeitscher Hochschild steht schon bereit! http://www.cdu-greifswald.de/image/news/372.jpg
Ist Kinderarbeit in Deutschland, zumal zu politischen Zwecken, nicht verboten? Wäre das nicht auch ein Thema für einen Untersuchungsausschuss?
Gibt es einen Grund warum bei den verbalen Ausfällen nur Herr Multhauf erwähnt wurde? Der Herr Krüger von den Grünen vergriff sich gegenüber dem Antragsteller im Tonfall, so dass er sich dafür entschuldigen musste. Oder passt das jetzt nicht ins Bild?
Nein, das war nur ein exemplarisches Beispiel, da es in seiner Absurdität am weitesten ging. Man hätte namentlich auch andere Mitglieder der Bürgerschaft
erwähnen können.
Herr Krüger jedoch hat sofort und aus freien Stücken entschuldigt, da ihm seine Verfehlung selbst aufgefallen ist.
Man muss auch dazu sagen, dass dies ein subjektiver Bericht ist und andere die Debatte sicherlich anders erlebt haben.
Herr Krüger hat sich entschuldigt, nachdem sich Herr Kohnert direkt nach der Fragestellung beschwerte, dass er nicht bei einem Verhör ist und der rüde Tonfall ihm nicht gefalle … von einem "selbst aufgefallen" kann daher nicht die Rede sein. Er entschuldigte sich ohne eine vorherige Aufforderung des Präsidiums …
Nur dass es nicht erst seit der Frage von Herrn Krüger einem Verhör glich. Der von der AfD hat das Ganze ja noch ins maßlos lächerliche getrieben, indem er fragte, welche Kleidung getragen worden ist.
Nur war der Tonfall in dem er angefangen hatte, alles andere als angemessen. Bei der Frage mit der der Kleidung muss ich dir widersprechen, denn wenn jemand über andere Leute Aussagen in dieser Richtung macht, sollte diese Frage auch in Bezug auf die eigene Person beantwortbar sein. Ansonsten ist die Frage alles andere als lächerlich, denn die Leute die im Haus wohnen, können mit dem Fahrstuhl ins Wahlbüro fahren. Wenn ein oder mehrere Bewohner des Hauses während der besagten Zeit im Wahllokal waren, wäre ein Bruch des Besucherstromes nicht erkennbar, der laut Wahlvorstand angeblich nicht da gewesen sein soll.
Was doch so bei einer Wahl alles so passieren kann. Ich hätte es, mal von den haarsträubenden Fällen in Bayern ( Dacheu, Geiselhöring, …) mal abgesehen, nicht für möglich gehalten: http://rupp.de/briefwahl_einspruch/briefwahl_wahl…
Dass in den Fällen Hamburg und Stendal die Grünen aktiv dabei sind, bzw. den offensichtlichen Betrug noch vertuschen wollen, verstärkt meine Abneigung gegen die Partei der Beamten, Besserverdiener, … und Kriegstreiber (s.o.).