Im Oktober 2009 startete am Universitätsklinikum Greifswald ein Projekt, an das hohe Erwartungen gestellt wurden: Greifswald Appraoch to Individualized Medicine, kurz GANI_MED. In diesem sollte durch intensive Forschung eine individualisierte Behandlung unterschiedlicher Krankheiten ermöglicht werden. Sowohl das Bundesministerium für Bildung und Forschung als auch das Land Mecklenburg-Vorpommern förderten die Arbeit. Ende diesen Jahres allerdings endet diese Finanzierung und damit offiziell auch das Projekt. Was in den letzten fünf Jahren erreicht wurde und wie es in Zukunft weiter gehen soll, das wurde gestern, am 11. September 2014, in einer Fachtagung mit Pressegespräch verkündet.
Nebenwirkungen minimieren, dafür erwünschte Wirkungen von Therapien maximieren – so formuliert Professor Hans J. Grabe, der Verbundkoordinator von GANI_MED, das Ziel individualisierter Behandlung. Doch bis so etwas möglich ist, ist eine enorme Menge an Forschungsarbeit nötig. Über 4000 Patienten sind daher bis jetzt mittels Bioproben – Serum, Plasma, Blut, Speichel und Urin – in eine Biodatenbank aufgenommen worden. Die Proben sollen helfen, sogenannte Biomarker zu finden. Mit diesen wiederum könnte es irgendwann möglich sein, dass Ursachen, Verlauf und Folgen von Krankheiten an dem jeweiligen Patienten genau nachvollzogen wird. Doch die Forschung dazu steckt derzeit gerade erst in den Kinderschuhen. Allerdings sind die Wissenschaftler ihrem Ziel durch die Erhebung der Daten ein gutes Stück näher gekommen. Als größte Erfolge sieht Grabe die schon erwähnte Biobank, aber auch die weltweit einzigartige Anamnese und das Klinische Arbeitsplatzsystem KAS. Letzteres ist das gesamte Computersystem der Universitätsklinik, das extra für GANI_MED ausgebaut und modernisiert wurde. Die übrigen Ergebnisse wurden in großen Teilen auf der Fachtagung vorgestellt und diskutiert. Von neun Uhr morgens bis 17 Uhr präsentierten Wissenschaftler aller beteiligten Fachbereiche ihre Arbeiten.
Forschung an allen Fakultäten
Es dürfte fast klar sein, dass dies alles nicht von der Medizin allein geleistet werden kann. Und so ist dieses Projekt das erste in Greifswald, an dem alle fünf Fakultäten beteiligt waren. „GANI_MED ist transdisziplinär“, betont Professor Karlhans Endlich, Prodekan der Medizinischen Fakultät und Leiter des Instituts für Anatomie. Neben Mikrobiologen, Biochemikern und Psychologen arbeiteten auch Ökonomen, Rechtswissenschaftler, Ethiker und einige andere an GANI_MED mit. Schließlich berührt die Erforschung von Genmaterial immer auch gesellschaftliche Fragen. Somit profitierten auch andere Fachbereiche an den Fördermitteln und erhobenen Daten. Allein über die Biomarker wurden über 100 wissenschaftliche Arbeiten in Zusammenhang mit GANI_MED publiziert.
Aber auch Erfolge ganz anderer Art konnten erzielt werden. Holger Wandsleb vom Bundesministerium für Forschung und Bildung bezeichnet GANI_MED als „Paradebeispiel“ für die Zusammenarbeit zwischen Bund, Land und Universität. Dieses habe es geschafft, jungen Menschen Perspektiven zu bieten und damit der prognostizierten demographischen Entwicklung entgegen zu wirken. Dazu wird auch die explizit formulierte Nachwuchsförderung des Projektes beigetragen haben. Hierbei wird es Promovierenden und gerade fertigen Doktoranden ermöglicht, für bis zu sechs Monate mitzuarbeiten. Außerdem habe das Projekt die Grundlagen für dauerhafte nationale und internationale Kooperationen geschaffen, die sonst nicht möglich gewesen wären, erläutert Professor Wolfgang Hoffmann. Er ist der Leiter der Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health. Denn „ein Standort arbeitet nicht allein“, ergänzt Grabe.
Die Förderung endet, die Arbeit nicht
Der Weg zu einem durchvaliierten Biomarker, der den Träumen der Wissenschaftler von einer möglichst frühen und genauen Diagnose gerecht wird, ist aber noch weit und komplex. Dies ist selbst von den Wissenschaftlern, die das Projekt vor vier Jahren in einem Pressegespräch vorstellten, unterschätzt worden. Damit wird die Forschung auch nach dem Ende der Förderung weiter gehen. Für einige Forschungszweige sind bereits neue Förderwege erschlossen. Auch etliche Drittmittel konnten angeworben werden. Zudem planen die Koordinatoren, in nächster Zeit in die Wirtschaft zu gehen. Die Struktur an der Universität kann somit weiterhin bestehen. Daher wird an dem Projekt, das den Namen GANI_MED weiterhin tragen soll, auch in Zukunft weiter geforscht.
Als nächstes sollen die Daten ausgewertet werden, die gesammelt wurden. „Mit der analiytischen Arbeit beginnen wir gerade erst“, berichtet Professor Grabe. Besonders in der Biologie gibt es hier noch viel zu tun. Des Weiteren gilt es, den Datenschutz weiter und besser zu garantieren. Bei der Unmenge an gesammelten Daten, im Durchschnitt 4500 pro Patient, eine unbedingte Notwendigkeit. Denn während die Universitätsklinik Greifswald inzwischen durch GANI_MED in vielen Punkten führend ist, was die Technik und Forschung im medizinischen Bereich angeht, ist dieses Thema noch ausbaufähig. Das sehen auch die Verantwortlichen des Projektes ein. Zwar sei der Datenschutz der derzeit bestmögliche, wie Hoffmann versichert, aber insbesondere im KAS müsse er noch verbessert werden.
Das Ziel ist weiterhin klar: In Zukunft soll es einmal möglich sein, die individuellen Eigenschaften eines jeden Patienten zu berücksichtigen. „Wir wollen nicht den Durchschnitt gesund machen, sondern den Einzelnen“, fasst Professor Hoffmann zusammen.
Foto: Juliane Stöver