Atrikelbild-G-Prozess-mwUrsprünglich sollte am 16. Dezember im Greifswalder Amtsgericht der Prozess gegen den Greifswalder Neonazi Marcus G. stattfinden. Ihm wird vorgeworfen, am Rande einer NPD-Kundgebung einen Gegendemonstranten durch einen Tritt verletzt zu haben. Im Vorfeld rief das Bündnis „Greifswald Nazifrei“ dazu auf, sich möglichst zahlreich zu versammeln, um gegen Neonazis und ihre Gewalt zu demonstrieren. Insgesamt erschienen über 100 Nazigegner.

Zwischen zwei Bäumen vor dem Amtsgericht brachten die Greifswalder Hedonist_innen ihr rosafarbenes Banner „Wendy-Leser_innen gegen Nazis!“ an. Die lange Straße war im Umfeld des Gerichtsgebäudes mit etwa fünf Polizeiwagen umsäumt. Etwa eine knappe Stunde vor Prozessbeginn drang aus dem Kleinen Rabauken, einer in einem Kinderwagen untergebrachten Musikanlage, eine Stimme, die über Neonaziaktivitäten in der Region berichtete und über die Menschenfeindlichkeit der Ideologie von NPD- und Kameradschaftsszene aufklärte. Vor dem Eingang zum Gericht beobachteten derweil Zivilpolizisten die Lage.

Marcus G. verhandlungsunfähig

Eine halbe Stunde vor Prozessbeginn kam Michael Steiger (Bündnis 90/ Die Grünen; Greifswald Nazifrei) aus dem Gerichtsgebäude heraus: „Marcus G. kommt nicht. Der Volkstot schreitet weiter voran. Es wurde mit seiner Ärztin telefoniert. Er scheint wirklich krank zu sein und kann nicht zur Verhandlung erscheinen.“ Der Prozess wurde auf Januar verschoben. Gerade im Hinblick auf das Opfer Marcus Gs. kündigte Steiger an, nach Bekanntgabe des neuen Verhandlungstermins erneut gemeinsam demonstrieren zu wollen.

Ein wenig spöttisch wurde vereinzelt auch gefragt, ob man G. nicht eine Hühnersuppe vorbei bringen solle, damit er schnell wieder auf den Beinen – und damit wieder verhandlungsfähig – sei. Die Unterstützungsbereitschaft hielt sich in Grenzen. Schon mehrfach wurde aus Greifswalder Antira- und Antifa-Kreisen berichtet, dass G. bereits mehrfach in Sachbeschädigungen und Gewalttaten gegen Antifaschist_innen verwickelt gewesen sein soll. Bislang fehlten Beweise. Als G. hingegen am 29. Juli 2013 am Rande einer NPD-Kundgebung einem Neonazi-Gegner einen Tritt versetzte, wurde dies per Video festgehalten; zahlreiche Zeugen waren anwesend. Die anderthalbminütige Aufnahme sorgte für rege Diskussionen.

Anklage gegen Daniel Ohm erhoben

Greifswalder Nazigegner und Wohnprojekte, in denen unter anderem auch Greifswalder Antirassisten wohnen, wurden in der Vergangenheit mehrfach Zielscheibe der lokalen Neonaziszene. So bedrohten in der Nacht vom 14. zum 15. August 15 bis 20 Personen die Bewohner eines Wohnprojektes in der Grimmer Straße. Nach Informationen des Fleischervorstadtblogs waren die Männer teilweise vermummt, mit Schlagstöcken bewaffnet und konnten der rechten Szene zugeordnet werden. Die Personen beschädigten eine Scheibe des Hauseingangs und zogen sich anschließend mittels Kleintransportern zurück.

Im Zuge von Polizeikontrollen stellte sich heraus, dass sich unter den Fahrzeuginsassen NPD-Politiker befanden: Tino und Marko Müller, Norman Runge und Daniel Ohm. Gegen die vier Neonazis wird nun von der Staatsanwaltschaft Stralsund wegen „schweren Landfriedensbruchs“ ermittelt. Tino Müllers Immunität im Landtag wurde zu diesem Zweck aufgehoben, die Ermittlungen inzwischen jedoch eingestellt. Daniel Ohm konnte hingegen zweifelsfrei ausgemacht werden. Gegen ihn wurde nun Anklage erhoben. Ihm droht bei einer Verurteilung eine mehrjährige Haftstrafe.

Foto: Marco Wagner, Video via Fleischervorstadtblog