Sandspit_River_Wielangta_Forest-200-wikipediaDer Film „Fuck for Forest“ ist genau so verrückt, wie das Projekt, das Michał Marczak und Łukasz Grudziński dokumentieren. Eine Gruppe esoterisch-exzentrischer, dauerhaft bekiffter Hippies hat sich zum Ziel gesetzt, den Regenwald zu retten. Das ist bis jetzt noch nichts Außergewöhnliches. Wie sie ihn retten wollen, hingegen schon: Sie filmen sich beim hemmungslosen Sex, treiben es munter auf der Bühne, während sie gleichzeitig um Spenden für die Rettung des Regenwaldes werben.

„Kann man dieses Land besitzen?“

Durch das Drehen und Vertreiben von Pornos sollte genug Geld zusammenkommen, um am Ende den Indigenen 800 Hektar Regenwald zu kaufen. „Glaubt ihr, dass man dieses Land besitzen kann?“ fragt Danny einen Ureinwohner des Regenwaldes. „Philosophisch betrachtet kann man dieses Land nicht besitzen. Es gehört uns allen. Die Erde gehört uns allen“, erwidert dieser.

Der Film startet im Bergener Wohlstandsmilieu Norwegens, in dem der Sohn Danny als antibürgerlicher Kontrast auftritt und mit seiner Umwelt nicht klar kommt. In der Gruppe „Fuck for Forest“ (F-F-F) fühlt er sich hingegen aufgehoben. Die Norwegisch-Schwedischen Porno-Regenwald-Retter beschließen zunächst, nach Berlin zu gehen. Berlin scheint eine Oase darzustellen. Das pulsierende Großstadtleben haben Marczak und Grudzinski durch schnelle Schnitte und den Abbruch einzelner Episoden dargestellt. Das Lebensgefühl, dem sich die Gruppe verpflichtet fühlt, wird dadurch nur angerissen, was der Handlung insgesamt jedoch nicht schadet.

Es ist vielleicht auch besser so, dass nicht alles gezeigt wird, was gefilmt wurde. So erscheinen einzelne abschreckenden Momente als Pointen in der Geschichte, die dem Zuschauer in Erinnerung bleiben. Dem Film gelingt es jedoch, keine Position zu beziehen und verzichtet somit auf eine kommentierende Einordnung der Protagonisten. Er dokumentiert lediglich nüchtern die Lebens- und Gedankenwelt der Mitglieder von „Fuck for Forest“.

Protagonisten schwer zu fassen

Als Zuschauer kann man sich diesen leider kaum nähern. Viel zu sehr erscheinen sie der Realität entrückt, viel zu sehr tanzen sie in ihrer naiven Traumwelt, glauben, dass Sex und Nacktheit allein der Schlüssel zur Freiheit und der Rettung der Welt sei. Bei allen Regelbrüchen und angeblichem Kampf für eine hierarchielose Welt bemerken sie in ihrer Abgeschottetheit jedoch nicht, dass sie sich selbst mehr zu einer Sekte mit strengen Hierarchien formieren.

Als Tommy sich der Gruppensex-Orgie mit seiner Freundin anlässlich ihres 18. Geburtstages entzieht, weil er den Anblick nicht ertragen kann, muss ihm sofort jemand folgen und blöd fragen: „Willst Du alleine sein?“ Und es wird als kollektives Problem angesehen, dass Tommy ein Problem damit hat, dass seine Freundin als bloßes Sexualobjekt der ganzen Wohngemeinschaft zur Verfügung gestellt wird, was „Fuck for Forest“ wiederum unter dem Label „freie Liebe“ zu definieren scheint.

Weltfremd, chaotisch, verrückt – und doch irgendwie sympathisch

Deutlich wird, dass die sich selbst als „Gruppe idealistischer Expressionisten“ bezeichnenden, ihre Ideen aus Versatzstücken von Kapitalismuskritik, Hippie-Kultur, Natur- und Umweltschutz entlehnen und in letzter Konsequenz bis aufs Äußerste pervertieren. Trotz dieser Tatsache erscheinen die Protagonisten jedoch keineswegs unsympathisch, sondern vielmehr als durchgeknallt-liebenswürdige Chaoten. Ganz unabhängig davon, ob man irgendwie Verständnis für ihr Weltbild finden kann, oder nicht.

Den Regisseuren gelingt es somit, die offenen Widersprüche aufzudecken und sie durch geschickte Positionierung im Film dem Zuschauer zu präsentieren. Wie aus der Selbstbestimmtheit die Selbstaufgabe für „das Projekt“ wird, dass die Traumtänzer im Amazonas mit einer Wirklichkeit konfrontiert werden, die zugleich ihr romantisches Ideal der vermeintlichen Kultur der amerikanischen Ureinwohner zerstören.

Ureinwohner wollen keine Hilfe von „Fuck for Forest“

Das tragikomische ist jedoch, dass die Protagonisten so in ihrer eigenen Welt gefangen sind, dass sie nicht einmal bemerken, dass sie an den Ureinwohnern vorbei reden. Sie glauben, mit ihrem Lebensstil denen der Ureinwohner am nächsten zu sein, schließlich sind sie von sich selbst überzeugt, wie die Ureinwohner im Einklang mit der Natur zu leben. Die Protagonisten sind so vernarrt in ihrem Glauben, dass sie gar nicht merken, oder vielleicht auch gar nicht wahr haben wollen, dass die Wirklichkeit eine völlig andere ist. Dass die Ureinwohner vor allem Arbeit und kein Naturschutzreservat wollen. Die TAZ hat es in ihrer Besprechung des Films kaum treffender formulieren können:

„Je beseelter sie von ihrem Vorhaben sind, umso weniger können sie nachvollziehen, dass ihre vagen Zurück-zur-Natur-Träume im peruanischen Urwald deplatziert sind. Von spezifischer indigener Kosmovision haben sie keine Ahnung und von den konkreten Bedürfnissen ihrer Gastgeber – Gesundheitszentren, Arbeitsplätze, Schulen – noch weniger.“

Würden sie nur für Außerirdische gehalten, wäre es sicherlich weniger tragisch. Doch die Protagonisten zogen aus Europa in den Amazonas, um den Regenwald zu retten. Sie glaubten, das Besitzdenken zu überwinden, indem sie 800 Hektar Regenwald kaufen und den Indigenas schenken. Dass genau darin wieder ein Besitzdenken entspringt, dass der Indigeno im Film deutlich negiert, bemerken sie nicht. Überdies hegen die Ureinwohner äußerstes Misstrauen gegenüber den Filmhelden. Kein Wunder, sehen sie doch recht schräg aus, sagen dann, sie hätten selbst kein Geld, wollen aber Regenwald kaufen und dann den Indigenas schenken. Und dann kommen sie auch noch aus Europa, demgegenüber die Ureinwohner offenkundig sehr viele Vorurteile hegen. „Ihr seid völlig verkommen, ihr prostituiert Kinder!“, rufen einige erbost. Dass Pornografie, wie sie auch das Projekt „Fuck for Forest“ betreibt und es auch so den Indigenen vermittelt, und Prostitution dem selben Millieu entspringen und die Ureinwohner sich vielleicht gerade deshalb nicht von „verkommenen“ Europäern helfen lassen wollen, scheint ihnen jedoch bis zum Schluss nicht klar geworden zu sein.

Der Film „Fuck for Forest“ lief am 3. November um 17.15 und 20.15 Uhr im Rahmen der Entwicklungspolitischen Tage im Cinestar Greifswald und wird am 4. November ebenfalls um 17.15 Uhr und 20.15 Uhr erneut gespielt. Der Eintritt beträgt fünf Euro.

Artikelbild: JJ Harrison/ Wikimedia Commons