AStA_geht_unter

Gestern gab der Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) Nicolas Wartenberg den sofortigen Rücktritt fast aller Referenten bekannt. Auch er geht von Board, womit nur noch drei Referenten übrig sind. Der StuPa-Präsident Milos Rodatos bedauert diesen Schritt sehr, da der Übergang zur neuen Legislatur nun „maßgeblich erschwert“ sei.

In einer Mail, die gestern Abend an das Präsidium des Studierendenparlamentes (StuPa) verschickt wurde, informiert Nicolas über seinen eigenen Rücktritt und den von fünf weiteren Referenten. Mit sofortiger Wirkung legen auch Henri Tatschner (Hochschulpolitik), Louise Behrend (Finanzen), Benjamin Kranepuhl (Fachschaften und Gremien), Nada Lipovac (Gleichstellung) und Thore von Stürmer (Veranstaltungen) ihr Amt nieder. Denise Gencoglu, die als Beauftragte das vakante Referat für Veranstaltungen und Sport leitete, geht ebenfalls. Somit bleiben nur noch drei Referenten übrig:  Antje Gärtner (Ökologie), Johanna Ehlers (Ausländische Studierende) und Benjamin Schwarz (politische Bildung und Antirassismus). Die letzten beiden wurden erst vor zwei Wochen gemeinsam mit Thore gewählt. Dies glich wenigstens ein paar der fünf Rücktritte seit Beginn des Jahres aus, zuletzt verabschiedete sich Charlotte Saebsch (Öffentlichkeit).

Der Schritt erfolgte plötzlich, war aber abzusehen. Besucher der letzten AStA-Sitzung vom Montag bezeichneten diese als sehr bürokratisch und kritisierten, dass nur unzureichend über aktuelle Probleme gesprochen wurde. Neue Aufträge aus dem StuPa sollen nicht behandelt worden sein, was aber die originäre Aufgabe desAllgemeinen Studierendenausschusses ist. Der Satz, „Das wird mein Nachfolger machen“, ist oft gefallen. Bei vielen Referenten schien es, dass sie bereits abgeschlossen hätten und nicht mehr an die Zeit nach ihnen interessiert sind.

Da auch Nicolas zurückgetreten ist, übernimmt StuPa-Präsident Milos Rodatos vorläufig die Aufgaben des AStA-Vorsitzenden, bis ein neuer gewählt ist. Ebenso kann einer der beiden letzten AStA-Referenten als kommissarischer Vorsitzender dem StuPa vorgeschlagen werden. Milos bedauert es sehr, dass so kurzfristig vor den Neuwahlen viele AStA-Referenten zurückgetreten sind. „Dies erschwert natürlich maßgeblich den Übergang in die neue Legislatur, aber ich bin zuversichtlich, dass im Studierendenparlament gemeinsam eine Lösung zur Bewältigung der anfallenden Aufgaben gefunden werden kann“, teilte er dem webMoritz mit. Er hofft, dass es bald wieder eine „schlagkräftige studentische Selbstverwaltung in Greifswald, die sich ihrer Aufgaben bewusst ist“, um die Probleme der kommenden Monate zu bewältigen. Dazu zählt er das Defizit der Hochschulen im Land und die Kursgebührenerhöhung am Fremdsprachen- und Medienzentrum.

Im StuPa wurde letzte Woche über die neue AStA-Struktur debattiert.

Im StuPa wurde letzte Woche über die neue AStA-Struktur debattiert. Der Vorsitzende war nicht dabei.

Rücktrittsgrund könnte neue AStA-Struktur sein

Bisher wurden keinerlei Gründe für die Rücktritte genannt. Der AStA stand ohnehin vor einem Neubeginn, da in der letzten Woche das StuPa eine neue Struktur und geringere Aufwandsentschädigungen beschlossen hatte und die Referate wie in jedem Sommersemester komplett neu ausgeschrieben wurden. Dies geschah allerdings mit reichlich Verspätung, womit die Wahlen laut Frist frühestens bei der übernächsten ordentlichen StuPa-Sitzung am 21. Mai erfolgen können. Es sei denn, eine außerordentliche Sitzung wird einberufen.

Die Debatte um die Struktur war äußerst hitzig, da zu einem Vorschlag von Nicolas ein Gegenvorschlag einiger StuPa-Mitglieder kam, der unter anderem ein Referat (Administratives) weniger und eine deutlich politischere Ausrichtung des AStAs vorsah. Die Gegenantragsteller kritisierten einen zu hohen Verwaltungsaufwand und keine inhaltliche Tiefe. Der amtierende AStA wies dies vehement von sich. Weiterhin wurde per Beschluss auf der AStA-Sitzung vom 22. April der „Verfahrensgang seitens der Antragsteller“ bedauert und man wünschte sich „für die Zukunft eine umfassendere Auseinandersetzung“,  da eine „Rücksprache mit den derzeitigen Referenten, […] aus Sicht des AStA nicht stattfand“. Die Gegenantragsteller konnten sich durchsetzen, außerdem wurden geringere Aufwandsentschädigungen als von Nicolas ursprünglich eingebracht, durchgesetzt.

„Die Tatsache, dass die Mehrheit des Studierendenparlamentes nicht allen Vorschlägen der Mehrheit des AStAs gefolgt ist, hat zu Spannungen zwischen beiden Gremien geführt“, meint Stupist Marco Wagner dazu. Als Mitunterzeichner des Gegenvorschlags bezeichnet er den Rücktritt als „schwer nachvollziehbar“, da sich die neue Struktur, „abgesehen von den Inhalten der Ausschreibungstexte, nur unwesentlich von der derzeitigen Struktur unterscheidet.“ So gibt es jetzt das vom AStA gewünschte Co-Referat für Finanzen, nur das Co-Referat für „Administrative Belange“, welches anstelle des Co-Referates für Veranstaltungen eingeführt werden sollte, konnte die Mehrheit des StuPas nicht überzeugen.

Die Vertreter des Gegenantrags sind der Auffassung, dass die Gelder der Studierendenschaft „nicht in Verwaltungsreferate, sondern in Referate, die in die Studierendenschaft hinein wirken, fließen sollten“, so Marco. Weiter weist er darauf hin, dass der AStA das „ausführende Organ des Studierendenparlamentes“ ist und sich somit ein dessen Beschlüsse zu halten habe. Das SDS-Mitglied denkt weiter, dass die gehäuften Rücktritte „entweder in der geänderten AStA-Struktur, in der Höhe der Aufwandsentschädigung oder aber in beidem zu suchen“ sind. Sollte dies Kritik sein, hätte er sich eine andere Form gewünscht. Trotzdem betont er, dass er den Schritt bedauert und sich für die geleistete Arbeit bedankt.

Macht Euch doch nicht lächerlich!

Ein Kommentar

Felix Pawlowski, der den aktuellen AStA bis Ende Januar leitete, legte großen Wert darauf, ein gutes Bild nach außen zu vermitteln. Mit niedlichen Tierfotos, emsigen Posen bei der Arbeit auf Facebook oder textlastigen Newsletters sollte das Bild einer fleißigen wie glücklichen Studierendenvertretung vermittelt werden. Das ist auch bitter nötig, da vielleicht 20 Prozent der Studenten wissen, das es eine von ihnen finanzierte Vertretung überhaupt gibt. Das Eigenlob, der Greifswalder AStA sei professioneller als an anderen Universitäten, mag stimmen. Das alles wurde aber nun mit der stummen Selbstauflösung kurz vor Schluss beendet.

Oft hieß es, die Referenten identifizieren sich so stark mit ihrer Tätigkeit, dass sie keine Trennung mehr zwischen Arbeit und Privatleben ziehen. Und das ist in höchstem Maße unprofessionell. Stets zeigte man zwar Interesse an Kritik, oft fiel es aber schwer, diese rational zu beurteilen. Ein böses Wort gegen einen Referenten wurde gleich als Schlag gegen den ganzen AStA beurteilt. Völliges Unverständnis bei Gesprächen zeigte das immer wieder. Eine „Alle sind gegen uns“-Mentalität, die sich in den letzten Wochen immer weiter verschärfte. Sollte wirklich Trotz gegenüber der neuen Struktur der Grund für den nahezu geschlossenen Rücktritt sein, macht dies jegliche aufgebesserte Außenwirkung aus der Vergangenheit zunichte.

Der AStA lässt nun die Studierendenschaft alleine. Die Beschlüsse des StuPas können nicht mehr ausgeführt werden. Der FSR Geschichte hat sich vor kurzem fast vollständig aufgelöst, nun gibt es niemanden mehr, der die Organisation der Neuwahlen unterstützen kann. Die Haushalte von vielen Fachschaftsräten sind von der Finanzreferentin noch nicht genehmigt. Sie sind somit handlungsunfähig und eine Besserung der Lage hat sich erübrigt. Hier wurde ein Problem geschaffen, die Verantwortung aber weitergereicht. Der AStA wurde an vielen Stellen zu einem riesigen Bürokratiemonster aufgebläht, die Einarbeitung der Nachfolger, dieses zu bändigen, fällt nun aus. Etwa nur, weil man bockig ist, Kompromisse eingehen zu müssen? Über Antworten im Kommentarbereich würde sich die Studierendenschaft sicher freuen.

Grafik: Simon Voigt
Foto: Natalie Rath