Krupp Kolleg-David VössingÜber die Herausforderungen und Perspektiven der europäischen Schuldenkrise diskutierten am Donnerstagabend Prof. Armin Rohde (Uni Greifswald) und Gunter Quaißer (Lehrbeauftragter Akademie der Arbeit, Frankfurt am Main) mit einigen der etwa 100 Zuschauer im Krupp-Kolleg, darunter hauptsächlich BWL-Studenten. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Jungen Kolleg.

Von einem „Paradigmenwechsel von erheblicher Bedeutung“ sprach Ökonom Rohde, als die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Strategie änderte. Orientierte sie sich bis 2003 noch an der Geldmenge, um die Inflation niedrig zu halten, sei man danach zu einer Zinssteuerung übergegangen. Dadurch lasse sich die wirtschaftliche Lage besser beeinflussen. Ausgelöst wurde die europäische Schuldenkrise durch steigende Zinsen für Staatsanleihen von Ländern, deren Schuldentragfähigkeit als gefährdet angesehen wurde. Die EZB griff ein und kaufte Staatsanleihen dieser Länder, zum Beispiel Griechenland, um die Spekulationen einzudämmen.

Dies habe aber Auswirkungen auf die Zinsen, so Rohde. Damit gerate die Geldpolitik der EZB, die laut EU-Verträgen unabhängig ist, immer näher an die Fiskalpolitik (Ausgabenpolitik der Staaten) heran und somit in deren Abhängigkeit. Damit drohe die Gefahr, dass die Geldpolitik nicht mehr nur am Inflationsziel ausgerichtet wird, sondern auch an der Fiskalpolitik. Zudem würden mit den Zinspolitik Konjunkturschwankungen beeinflusst. Niedrige Zinsen würden als Normalfall wahrgenommen, höhere Zinssätze als gefährlich. Jedoch seien Zinserhöhungen nicht unbedingt schädlich, denn früher gab es ähnlich hohe Zinsen wie heute in einigen Krisenländern. Die Höhe von Zinsen seien nur dann eine Krise, wenn sie so definiert würde, schloss Volkswirt Rohde seinen Vortrag.

Prof. Armin Rohde

Prof. Armin Rohde

Für Quaißer geht die öffentliche Schuldenkrise bis ins Jahr 2007 zurück. Schon damals hätten sich Banken untereinander kaum noch Geld geliehen. Dieser Interbankenmarkt kam 2008 nach der Bankpleite von Lehman Brothers völlig zum Erliegen. Ursache war auch eine Krise auf dem amerikanischen Immobilienmarkt, in der  Hausbesitzer ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen konnten. Die Banken hatten die Risiken untereinander weit gestreut und spekulierten viel. Durch Kreditausfälle drohte einigen Banken die Insolvenz. Die einzelnen Nationalstaaten sprangen ein und retteten die Banken.

Dies führte zu einer Erhöhung der Staatsverschuldung, in Deutschland um etwa zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Die Verschuldung der Staaten erhöhte sich weiter durch die Wirtschaftskrise: sinkende Einnahmen und steigende Ausgaben, unter anderem für Konjunkturprogramme. Krisenländer wie in Südeuropa wurden von internationalen Anlegern gemieden, wodurch ihre Zinsen stiegen. Es bestehe die Gefahr zu hoher Zinsen. Daher griff die EU zu Rettungsschirmen, die von Quaißer verteidigt wurden: „Es handelt sich überwiegend um Garantien/Bürgschaften, die Deutschland bisher nichts gekostet haben.“ Quaißler räumte jedoch ein, dass es zu Zahlungen kommen wird, wenn die Bürgschaften fällig werden.

In der anschließenden Diskussion ergänzte Rohde: „Die Bürgschaften werden fällig bei einer Sprengung der Euro-Zone.“ Des weiteren verteidigte er auf Nachfrage den Euro: „Es gibt keine schwachen Euro. Das Preisniveau ist stabiler als zu D-Mark-Zeiten.“ Eine andere Frage richte auf das Zinsniveau. Laut Rohde sind wir „durch die Niedrigstzinspolitik in einer zinslosen Gesellschaft angekommen“. So glichen die Sparbuchzinsen nicht einmal die Inflation aus. „Zu einer Nagelprobe für die Preisniveaustabilität wird es kommen“, wenn Zinserhöhungen anständen. „Das Geschrei wird groß sein“, äußerte Rohde, denn eine leichte Zinserhöhung werde als Katastrophe angesehen, was sie nicht sei. Rohde befürchtete, dass die Zinsen ihre Indikatorfunktion verlieren könnten.

Als Maßnahmen zur Bekämpfung der Schuldenkrise forderte Quaißler eine gemeinsame Haftung durch Eurobonds, eine höhere Besteuerung von hohen Einkommen, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine stärkere Konzentration auf den Binnenmarkt und weniger Exporte. Besonders wichtig sei ihm eine stärkere Bankenregulierung. Anhand dieser Maßnahmen wird Quaißlers linke alternative Haltung deutlich. Er findet damit durchaus Anklang bei Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Grünen.

ZuschauerSchuldenkrise-David Vössing

Etwa 100 Teilnehmer folgten den beiden Referenten aufmerksam.

 

Konservative, Liberale und Wirtschaftsverbände sind gegenteiliger Auffassung. Eine gemeinsame Haftung lehnen sie ab, unter anderem auch durch das Bailout-Prinzip in den EU-Verträgen, wonach ein Staat nicht für die Schulden eines anderen haftet. Eine Vermögenssteuer belaste Unternehmen, wodurch die Investitionen sänken. Bei den deutschen Exporten müsse berücksichtigt werden, dass sie in die Euro-Zone zurückgingen, aber in den Rest der Welt zulegten. Einzig bei der Bankenregulierung sind sich beide Seiten weitgehend einig, sodass Banken mehr Eigenkapital vorhalten müssen.

Fotos: David Vössing