Fahrrad_Winter-Simon VoigtAm vergangenen Mittwoch wurden im Rathaus die Ergebnisse des Fahrradklimatest 2012 vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) öffentlich vorgestellt, bei dem Greifswald in der Gesamtwertung nur auf Platz 39 landete. Die Beteiligung an der Diskussion war mäßig, nur wenige Bürger waren vor Ort. Senator Jörg Hochheim signalisierte, dass für die Bürgerschaft der Test allein keine Handlungsanweisung darstelle.

Schulnote 3,3 für Greifswald

Radfahrer bewerten ihre Situation in Greifswald durchwachsen. Bei dem Fahrradklimatest konnten in verschiedenen Kategorien Schulnoten vergeben werden, die Hansestadt erlangte die Gesamtwertung von 3,3. Die Teilnehmer waren sich einig, dass das Stadtzentrum sowie die meisten anderen Ziele zügig und direkt erreichbar sind.  Schlechter sieht es beim Fahrraddiebstahl aus, der in Greifswald ausgesprochen oft vorkomme. „Wir nennen das hier Bikesharing“, scherzte Jörg Hochheim. Außerdem wurde häufig die Qualität des Winterdiensts auf den Radwegen bemängelt, und dass es schwierig sei, das Fahrrad in öffentlichen Verkehrsmitteln mitzunehmen. „Die Radfahrstreifen sind Ostereier“, beschwerte sich ein Bürger, der schon seit 60 Jahren Fahrrad in Greifswald fahre. Er werde häufig von Autofahrern bedrängt, da die Wege viel zu klein seien.

Studierende gehören zu den aktivsten radfahrer in der Stadt, auch wenn es darum geht, für bessere Bedingungen zu streiten, wie hier bei einer Demonstration für die Diagonalquerung im Sommer 2012.

Studierende gehören zu den aktivsten Radfahrern in der Stadt, auch wenn es darum geht, für bessere Bedingungen zu streiten, wie hier bei einer Demonstration für die Diagonalquerung im Sommer 2012.

Auffällig ist, dass Greifswald unter den verglichenen Städten (bis 100.000 Einwohner) mit 854 Interviewten bundesweit die absolut höchste Beteiligung aufwies. ADFC-Bundesvorstandsmitglied Thomas Böhmer führte aus, dass Studenten überproportional oft die Fragebögen ausfüllten. Dies konnte er auch damit belegen, dass, nachdem über den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) ein Aufruf zur Teilnahme an alle Studierenden versandt wurde, diese sprunghaft anstieg. Deswegen wurde am Test kritisiert, dass die Teilnehmergruppen nicht repräsentativ für die Stadt seien. Allerdings betonte dabei Michael Steiger (Grüne), das gerade Studenten häufig am Tag unterwegs sein müssen, sie also eine wichtige Zielgruppe seien.

Titel „Fahrradhauptstadt“ kann angezweifelt werden

In der Gesamtwertung landete Greifswald in seiner Kategorie auf Platz 39. Der Titel „Fahrradhauptstadt Deutschlands“, mit dem sich die Stadt schmückt, kann also aus gutem Grund angezweifelt werden. Er stützt sich ausschließlich auf den quantitativen Wert, dass 44 Prozent der Bevölkerung das Fahrrad für ihre Alltagswege nutzen, was bundesweit Spitze ist. Dabei wird aber eine qualitative Bewertung der Lage, wie es der ADFC versucht, völlig ausgeblendet. Trotzdem meinte Hochheim, dass es aus Marketing-Gründen weiter gut sei, den Titel der Fahrradhauptstadt zu führen. Er meinte auch, dass sich nur aus dem Test keine direkten Handlungsanweisungen für die Stadt ableiten ließen, allerdings werde über mehr Leihfahrräder nachgedacht.

Kay Karpinsky, verkehrspolitischer Sprecher des grünen Kreisverbandes, sprach sich in einer Pressemitteilung dafür aus  „die Bemühungen zu verstärken, um vor allem das alltägliche Radfahren in Greifswald attraktiver zu gestalten.“ Es müsse ein „Klima der Akzeptanz“ befördert werden, bei dem Radverkehr gleichberechtigt neben den anderen Verkehrsteilnehmern betrachtet werden. Der Test habe die herausragende Bedeutung des Fahrradverkehrs belegt.

Rudolf-Petershagen-Allee

Entlang der Robert-Blum-Straße und der Rudolf-Petershagen-Allee (Foto) gibt es bereits seit 2009 eine Fahrradstraße, bei der sich Autofahrer und Fußgänger unterordnen müssen.

ADFC will Autos aus Innenstädten verdrängen

Der ADFC bewertet die die Situation der Radfahrer in Mecklenburg-Vorpommern nach dem Test als „überwiegend heiter“. Greifswald landete bei den Städten unter 100.000 Einwohnern auf Platz zwei hinter Waren an der Müritz (2,85) und vor Wismar (3,46). Rostock (3,64), als einzige Stadt in der Kategorie mit über 200.000 Einwohnern, belegte im bundesweiten Vergleich den achten Platz, allerdings mit einer schlechteren Wertung als Greifswald. Steffen Burkhard, Vorsitzender vom ADFC-Landesverband in Mecklenburg-Vorpommern führte aus, dass der Anteil der Radfahrer am Gesamtverkehr im Bundesland überdurchschnittlich hoch sei. Das Fahrrad hätte immer mehr an Bedeutung gewonnen, weiter sprach er sich, wie auch die Grünen, für verstärkte Investitionen in die nötige Infrastruktur aus, da diese weitaus geringer seien als jene für den Autoverkehr.

Der Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) fand seit 1988 zum fünften Mal statt, im Vergleich zum letzten Test im Jahr 2005 hatte sich die Zahl der Teilnehmer auf rund 79.000 verdreifacht. Davon waren 63 Prozent männlich und 81 Prozent keine Mitglieder im ADFC. Die Umfrage wurde durch das Bundesverkehrsministerium sowie einen Fahrradfachhändler gefördert.  In den Fragebögen konnte in 27 Aussagen angegeben werden, wie gut die Teilnehmer die Situation der Radfahrer in ihrer Stadt oder Gemeinde bewerten. Die beste Gesamtwertung erhielt Münster (2,61). Alle gewonnenen Daten und die Fragebögen können auf der Internetpräsenz vom ADFC eingesehen werden.

Fotos: Simon Voigt, Tori_HGW via Flickr (Petershagen-Allee, alle Rechte vorbehalten)