Der Landkreis Vorpommern-Greifswald kämpft ums Überleben. „Dauerhaft entfallen“ sei die Leistungsfähigkeit des Landkreises, heißt es in einem Schreiben des Landesinnenministeriums an den Kreis. Grund sind die hohen Schulden von fast 100 Millionen Euro. Dem Doppelhaushalt 2012/2013 stimmte der Kreistag mehrheitlich zu, sieht aber für beide Jahre jeweils etwa 35 Millionen Euro Defizit vor, welches die Schulden weiter erhöht. Nun steht die Frage im Raum, ob der Kreis unter Zwangsverwaltung des Landes gestellt wird oder ob er seine Finanznöte selber lösen kann.
Bereits Mitte September forderten die SPD-Kreistagsabgeordneten das Land auf, den Kreis Vorpommern-Greifswald unter Zwansgsverwaltung zu stellen, was vom Land zuerst abgelehnt wurde. Was aber sind die Ursachen für die prekäre Haushaltslage? Nach der Kreisgebietsreform zum 1. September 2011 entstand der neue Landkreis neben der Hansestadt Greifswald und Teilen des Landkreises Demmin aus den ehemaligen Landkreisen Ostvorpommern (OVP) und Uecker-Randow (UER). Zum Start übernahm der neue Landkreis Altschulden von 104,8 Millionen Euro, davon entfielen 42,1 Millionen Euro auf OVP und 62,6 Millionen auf UER. Durch eine Strukturbeihilfe des Landes, von der etwa 9,1 Millionen Euro auf den Landkreis Vorpommern-Greifswald entfallen, sinken die Kreisschulden auf 95,7 Millionen Euro.
Ländrätin Sybre: „Wir wollen das letzte Heft der kommunalen Selbstverwaltung nicht aus der Hand geben.“
Landrätin Dr. Babara Sybre (Linke) nannte hohe Soziallasten und eine geringes Steueraufkommen aufgrund hoher Arbeitslosigkeit und hoher Abwanderung als Mitursache für die Schulden der Altkreise. „Die Haushaltsprobleme in den Griff zu bekommen, ist unsere größte Herausforderung.“ Sie begrüßte den geplanten Konsolidierungsberater des Landes, wehrte sich aber gegen eine Zwangsverwaltung durch einen Beauftragten des Landes: „Damit würden wir das letzte Heft der kommunalen Selbstverwaltung aus der Hand geben“. Den Weg der Haushaltskonsolidierung wolle man selber gehen. Wie der Name schon sagt, würde ein Konsolidierungsberater, dessen Stelle gerade ausgeschrieben wird, den Landkreis in Ausgabenreduzierungen nur beraten. Ein Beauftragter könnte hingegen direkt haushaltswirksame Entscheidungen treffen.
Ursprünglich war ein Defizit von 48,5 Millionen Euro im Haushalt 2012 vorgesehen, erläuterte Vizelandrat Dennis Gutsell. Durch Einsparungen im Mai (4,3 Millionen) und August (3 Millionen) und eine höhere Kreisumlage (5,7 Millionen) sinke das Defizit auf 35 Millionen Euro. Weitere Einsparungen seien nun im Jugend- und Sozialbereich vorzunehmen. Vorgesehen sind im Haushalt 2012 Ausgaben von 429 Millionen Euro vorgesehen. 2013 sei ein Defizit von 35,9 Millionen Euro geplant, fuhr Gutsell fort.
Raulin (SPD): „Haushalt nicht genehmigungsfähig.“
In den Haushaltsreden betonten Linke, CDU und Kompetenz für Vorpommern, dem Haushalt zuzustimmen. Kritik gab es von den anderen Fraktionen. „Der Haushalt ist nicht genehmigungsfähig und mittelfristig nicht ausgleichsfähig“, kritisierte SPD-Fraktionsvorsitzender Norbert Raulin. Aufgrund fehlender Unterlagen wollte David Wulff (FDP) nicht zustimmen. „Ich weiß nicht, worüber wir heute beschließen sollen“, fügte Georg Kochhan (Grüne) hinzu. Unmut gab es auch, weil der Haushalt in einigen Ausschüssen erst letzte Woche besprochen wurde.
Letztendlich wurde der Haushalt bei 37 Ja-Stimmen und 22 Nein-Stimmen vom Kreistag verabschiedet. Zuvor wurde ein NPD-Antrag zur Kreisumlage von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Gleiches geschah mit einem FDP-Antrag zur Zurückweisung des Haushalts in die Ausschüsse bei 25 Ja-Stimmen und 38 Nein-Stimmen. Bereits zu Beginn der Sitzung hatte die SPD beantragt, den Haushalt von der Tagesordnung des Kreistages zu nehmen, was aber scheiterte. Mehrheitliche Zustimmung gab es hingegen für einen Antrag, die Kreisumlage 2012 auf 45 Prozent und 2013 auf 45,5 Prozent festzulegen. Der Kreis finanziert sich hauptsächlich durch Zahlungen aus den Städten des Kreises und wie viel die einzelnen Städte und Gemeinden zahlen müssen, richtet sich nach der Kreisumlage.
Städte sollen Altschulden des Kreises abtragen
Neben dem Doppelhaushalt 2012/2013 ging es im Kreistag auch darum, wie mit den Altschulden von 95 Millionen Euro verfahren werden soll. Sie sollten nach einer Vorlage der Kreisverwaltung auf die Städte der Altkreise OVP und UER verteilt werden und von diesen über eine Altfehlbetragsumlage innerhalb der nächsten 15 Jahren ab 2013 abgetragen werden. Jörg Hochheim (CDU) beantragte als Vorsitzender des Finanzausschusses, dass die Städte erst ab 2014 mit der Umlage belastet werden. Unter Berücksichtigung dieser Änderung stimmte der Kreistag der Altfehlbetragsumlage mehrheitlich bei acht Gegenstimmen und zwei Enthaltungen zu. Wie es nun weiter geht, fasste CDU-Kreistagsmitglied Arthur König, der gleichzeitig Greifswalds Oberbürgermeister ist, am Rande der Sitzung wie folgt zusammen: „Sparen, sparen, sparen!“ Dies soll nun durch ein Haushaltssicherungskonzept geschehen, welches auch auf der Sitzung verabschiedet wurde.
Fotos: David Vössing
Der Antrag die Kreisumlage am 45 für 2012 und 45,5% für 2013 festzulegen war kein Antrag der CDU-Fraktion, sondern wurde von Jörg Hochheim im Namen der Finanzausschusses als dessen Vorsitzender gestellt, wo man sich auf gemeinsam auf diesen Kurs geeinigt hatte.
Bedenken sollte man dabei auch, dass die Altfehlsbetrag dann 2014 auf die Kreisumlage draufkommt, so dass man statistisch, dann bei Werten deutlich über 48% ist, vorausgesetzt, dass Landesverfassungsgericht gibt der Klage Parchims gegen die Altfehlbetragsumlage nicht statt. So oder so kommen auf die Städte und Gemeinden schwere Zeiten zu. Immerhin haben bereits ohne Altfehlbetragsumalge und einer bisher angenommenen Kreisumlage von 43,8% (Wert bis 2011 in OVP und UER) 99 der 108 Gemeinden im Landkreis keinen ausgeglichenen Haushalt.
Ich gehe davon aus, dass der Haushalt in der heute beschlossenen Fassung ohnehin nicht vom Innenministerium genehmigt wird, da diesem nicht einmal ein ausgearbeiteter Stellenplan zu Grunde liegt (eigentlich eine Grundlage für einen Haushalt), geschweige denn ein tragfähiges Haushaltssicherungskonzept.
Danke für deinen Hinweis. Ist überarbeitet.
Städte??? Gemeinden sollte das eigentlich heißen, denn die Kreisumlage zahlen ALLE Gemeinden, egal wie groß oder klein sie sind, und nicht nur die paar Städte des Landkreises.
Hallo zusammen, Zahlen müssen die KU dh. alle
Gemeinden inkl. Staedte .
Altschulden resultieren aus der nicht ausreichenden
Ausfinanzierungen von Pflichtaufgaben der ehem.
Landkreise durch das Land.
Ja es ist richtig, dass das Land dadurch schon
immer gespart hat. Hohe KU bedeutet das die Gemeimden
zur Zahlung ihrer Pflichtaufgaben Kredite aufnehmen müssen
und sich dadurch langfristig Verschulden!!!
Ist die Ausfinanzierung von Pflichtaufgaben durch das Land nicht eine Pflichtaufgabe des Landes? Wenn ja: Warum soll nun der Landkreis die Hausaufgaben des Landes auf Kosten der Jugend- und Sozialarbeit machen?