Wo steht unsere Universität im Jahr 2020? Dieser und weiterer Fragen mussten sich gestern Hannelore Weber und Robert Seckler, die beiden Kandidaten für die bevorstehende Rektorwahl, stellen. Bei einer hochschulöffentlichen Anhörung konnten sich gestern Nachmittag die Senatoren aber auch alle anderen interessierten Professoren, Studierende, wissenschaftliche und weitere Mitarbeiter der Universität über die Bewerber ein Bild machen, die Rektor Rainer Westermanns Nachfolge antreten wollen.
Ungefähr 200 Universitätsangehörige nahmen die Gelegenheit wahr und kamen im Konferenzsaal des Unihauptgebäudes zusammen, der mit 120 Sitzplätzen für diesen Zweck deutlich unterdimensioniert war. Die Anhörung dauerte etwas mehr als zwei Stunden und wurde von der Senatsvorsitzenden Maria-Theresia Schafmeister moderiert.
In einer einleitenden Vorstellungsrunde hoben beide Kandidaten ihre langjährige Leitungserfahrung in diversen universitären und wissenschaftlichen Gremien hervor, wie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie und dem Greifswalder Institut für Psychologie (Weber) oder der Senatspräsidentschaft und dem Dekanat in Potsdam (Seckler). Weiter ging es mit der offenen Fragerunde.
Viel Konsens, wenige Gegensätze
Grundsätzliche Gegensätze in den Positionen der beiden Kandidaten ließen sich nach der Anhörung nicht ausmachen. Niemand konnte mit einem wirklichen Alleinstellungsmerkmal für sich punkten. Hannelore Webers großer Vorteil war es, mit zwanzigjähriger Erfahrung in Greifswald bei vielen Fragen detaillierter antworten zu können, besser mit den Spezifika der Universität vertraut zu sein, wohingegen Robert Seckler meist nur sein Eindruck von außen oder die Erfahrung aus Potsdam blieb.
Klare Bekenntnisse gab es für den Erhalt der Lehrerbildung in Greifswald. Eine Konzentration in Rostock sei keine Option und es sei weiter für den Erhalt zu kämpfen (Seckler), das Lehramt sei unverzichtbar, der Erhalt ein Gemeinschaftsanliegen aller Fakultäten (Weber). Ebenso waren sich beide einig, dass es langfristige Lösungen geben müsse, um studentische Initiativen und den Hochschulsport erhalten zu können, denn dies seien wichtige Standortfaktoren für die Uni. Konkreter wollten sie allerdings nicht werden. Auch in Sachen CO2-Neutralität und Nachhaltigkeit stimmten beide überein, das die Universität diese Ziele erreichen müsse, denn sie seien „zukunftsweisend“ (Weber) und brächten „Einzigartigkeit“ (Seckler).
Ruth Terodde, in der Gleichstellungsarbeit an der Universität tätig, sprach an, dass der Frauenanteil in der Studierendenschaft zwar sehr groß sei, in den höheren Ebenen bis zur Professorenschaft aber immer weiter abnehme. Sie wollte von den Kandidaten wissen, ob sie zum Ziel hätten, die Gleichstellung zu verbessern und auch hier betonten beide, dies auf der Agenda zu haben. Die Diskrepanz bezeichnete Weber als „dramatisch“, wobei an der Uni allerdings schon etwas passiere. Seckler meinte, auf positive Erfahrungen mit Gleichstellungsprogrammen in Potsdam zurückgreifen zu können.
Wo steht die Uni in acht Jahren?
„Welche Vision haben Sie, wo die Universität Greifswald im Jahr 2020 steht?“, wollte Professor Michael North, Lehrstuhlinhaber für die allgemeine Geschichte der Neuzeit wissen. Robert Seckler reagierte hier mit einer allgemeinen Auflistung von Defiziten, die er an vielen deutschen Unis ausgemacht habe und die Greifswald aus diesem Grund angehen sollte, um an Alleinstellungsmerkmalen zu gewinnen. So sei es ein Problem vieler modularisierter Studiengänge (Bachelor/Master), dass sie zu „Bulimie-Lernen“ führen würden, aber keiner dauerhaften Verankerung von Wissen und Kompetenzen. Sie müssten überarbeitet werden, wobei auch mehr Freiheiten in der persönlichen Schwerpunktsetzung gewährleistet werden sollten.
Hannelore Webers Vision ist es, eine Universität zu erreichen, die nachhaltig ist und so „putzmunter“ bleibe, wie sie heute sei. Die interne Vernetzung zwischen den Fakultäten sei zu stärken, Potentiale dafür sieht sie in den Bereichen Landschaftsökologie und der individualisierten Medizin. Außerdem müssten mittelfristig viele Forschungsgelder neu beantragt werden, hier sei es notwendig, dass sich die Uni im Wettbewerb behaupten kann. Vor allem bei der Vergabe von Mitteln der Deutschen Forschungsgesellschaft sei noch viel mehr möglich als heute.
Wie schon in den webMoritz-Interviews zeigten sich beide Kandidaten überzeugt von den Forschungsschwerpunkten der Alma Mater, wie der individualisierten Medizin oder den Kulturen des Ostseeraums. In diesen Bereichen müsse die Universität weiter eine „kritische Masse aufbauen, um neue Ressourcen zu allokieren“ denn dies seien die Merkmale, die Greifswald noch attraktiver machen würden, so Weber. Großes Potential auf diesem Gebiet sah sie wieder in der Landschaftsökologie, eine Absage als zukünftigen Forschungsschwerpunkt erteilte sie dem Lehramt, Bildung sei zwar Zukunftsthema, andere Standorte aber weit näher an der „kritischen Masse“. Seckler betonte, dass es auch wichtig sei, die Schwerpunkte regelmäßig zu überprüfen, um sich gegebenenfalls auch neu zu orientieren, wenn eine demokratischer Beschluss dies erfordert.
Studentische Hochschulpolitiker nicht überzeugt
Im Namen des AStA ist bereits eine Pressemitteilung als Reaktion auf die Anhörung erschienen. Darin heißt es, dass die Vertreter der Studierendenschaft noch keine ausreichenden Erkenntnisse über die zukünftigen Strategien der beiden Kandidaten haben gewinnen könnten, das Rennen sei weiter offen.
Der studentische Senator Erik von Malottki schreibt: „Wir halten sowohl Frau Weber als auch Herrn Seckler für fähig, das Amt des Rektors, der Rektorin auszufüllen. Wir werden daher beide Kandidaten für die Wahl durch den erweiterten Senat nominieren.“ Für eine endgültige Entscheidung wären noch weitere Gespräche nötig, denn sein Ziel ist es, mit allen studentischen Senatoren einen Konsens zu finden, um mit den gebündelten Stimmen „den Zielen der Studierendenschaft maximalen Nachdruck zu verleihen“.
Die Autoren freuen sich zwar über den von beiden Kandidaten grundsätzlich zugesicherten Einsatz für Lehramt und studentische Kultur. Kritisiert wird aber, dass keine konkret Lösungsansätze genannt wurden. „Beide jedoch nannten einige Aspekte, die uns Studierenden sehr am Herzen liegen. Allerdings hätte ich mir von ihnen eindeutigere Positionen zu Themenfeldern wie beispielsweise der Partizipation von Studierenden auf Institutsebene sowie einer künftigen Entwicklung des Lehramtes gewünscht“, denkt das studentische Senatsmitglied Marco Wagner.
„Frau Weber sprach von der Vision Universität Greifswald 2020. Ich konnte in ihrem Blick in eine mögliche Zukunft keine nennenswerte Verbesserung des Stellenwertes der Studierendenschaft erkennen.“ ist das Fazit von Milos Rodatos, seines Zeichens Präsident des Studierendenparlamentes.
Heute tagt ab 14 Uhr tagt der Senat im Konferenzsaal des Unihauptgebäudes. Um zur Wahl in der Senatssitzung im Oktober antreten zu können, müssen beide Kandidaten nominiert werden.
Fotos: Simon Voigt
In einer einleitenden Vorstellungsrunde"hebten" beide Kandidaten ihre langjährige Leitungserfahrung….
Oops? Das sollte bestimmt "hoben" heißen.
Das ist richtig. Danke für den Hinweis!
Körpersprache?
Bild: „Sind meist auf einer Höhe:…“
Arme vor der Brust verschränkt: skeptisch, desinteressiert, ablehnend, …!
Es gibt im Auge des Betrachters sicher Nuancen was den „Verschränkungsgrad“ betrifft, aber diese Haltung lässt grundsätzlich Zweifel aufkommen.
Oder sollte eine gewisse Distanz Zugangsbedingung zum hohen Amt sein? 😉
Da ich in diesem Artikel namentlich (wenn auch mit einem h zuviel…) erwähnt werde, möchte ich darauf hinweisen, dass ich auf meine Frage, was die Kandidat_innen in Bezug auf die Erhöhung des Frauenanteils bei Professuren unternehmen wollen, durchaus sehr unterschiedliche Antworten erhielt:
Während Frau Weber aufgrund des äußerst geringen Anteils von Professorinnen in fast allen Fakultäten für eine entsprechende Berufungsordnung und einen Frauenförderplan eintritt und dieses Thema damit zur Leitungsaufgabe macht, plädiert Herr Seckler für Entscheidungen im Einzelfall. Das ist eine grundsätzlich verschiedene Herangehensweise: Bei der ersten Antwort sehe ich eine Strategie, bei der zweiten nicht.
Im Bezug auf den wissenschaftlichen Nachwuchs fordert er Programme für Doktorandinnen, damit wiss. Karriere und Familie besser in Einklang zu bringen seien. Hier hätte ich mir im Sinne der Gleichstellung die Ausrichtung solcher Progamme auch auf Doktoranden gewünscht.
die verfasste studierendenschaft könnte sich ja vielleicht mal für die belange der angeblich von ihr vertretenen einsetzen, (wie wärs mal mit nem semesterticket?) das könnte schon entscheidend zu einer besseren position beitragen. mag ja sein dass ihr selbst euch für äußerst wichtig haltet und als gatekeeper eines relativ großen fördertopfes auch gerne mal von allen seiten honig ums maul geschmiert bekommt, aber mal ehrlich, die meisten interessieren sich nicht für euch oder lachen über eure arbeit.