In nichtöffentlicher Sitzung hat die Greifswalder Bürgerschaft am Montagabend entschieden, dass Stillhalteabkommen mit der BauBeCon, dem Sanierungsträger des Technischen Rathauses, bis zum 30. September 2012 zu verlängern. Das Vertrauen zwischen Stadt und BauBeCon ist erschüttert, nachdem es zu einer Kostenexplosion beim Bau des Technischen Rathauses auf über 13 Millionen Euro kam und ein früherer BauBeCon-Mitarbeiter die Unterschrift von Oberbürgermeister Dr. Arthur König (CDU) fälschte. Weitere Themen der Bürgerschaftssitzung waren der geplante Um- und Neubau des Campus Loefflerstraße und ein Strategiekonzept der Stadtwerke

„Grund für die Verlängerung sind die laufenden Ermittlungen zur Aufklärung von Unstimmigkeiten bei einzelnen Sanierungsvorhaben. Im Rahmen der Untersuchungen sind weitere Unregelmäßigkeiten bekannt geworden, die den bisher vermuteten Schadensumfang weiter erhöhen könnten“, äußerte König anschließend im öffentlichen Teil der Sitzung. Der Schadensumfang steigt laut Ostsee-Zeitung vom 22. Juni von einer halben auf nahezu eine Million Euro. Bisher war bekannt, dass durch 36 fingierte Rechnungen eine halbe Millionen Euro an städtischem Sanierungsvermögen veruntreut wurden. Für Dezember 2011 war ursprünglich eine Vergleichsvereinbarung zwischen Stadt und BauBeCon vorgesehen. Sie kam aufgrund von Unstimmigkeiten nicht zustande. Stadt und BauBeCon stellten Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft und nehmen seitdem eine Prüfung ihrer eigenen Unterlagen vor, die noch andauere. Mit der Verlängerung des Stillhalteabkommens sollen laufende und geplante Sanierungsmaßnahmen wie die Umgestaltung der Fußgängerzone am Mühlentor nicht gefährdet werden.

Planungen für neuen Campus Loefflerstraße vorgestellt

Uwe Sander (BBL) erläuterte die Planungen.

Im öffentlichen Teil der Bürgerschaftssitzung wurden Planungen für den neuen Campus Loefflerstraße 23 vorgestellt, an dem bis 2016 Sanierungen und Neubauten für etwa 41 Millionen Euro durchgeführt werden. Laut Uwe Sander vom Landesbetrieb für Bau und Liegenschaften entstehe im jetzigen Wirtschaftsgebäude im Nordosten des Campus eine Mensa mit einer vorgelagerten Cafeteria. Die denkmalgeschüzte Fassade bleibe erhalten, ebenso der Obstgarten. Hinzu komme ein neues Hörsaalgebäude mit zwei kleinen Hörsälen im Erdgeschoss und einem großen Hörsaal im Obergeschoss für bis zu 500 Plätze, der auch teilbar sei. An der Nordseite zum Ryck sind 33 Parkplätze vorgesehen und eine Zufahrt für die Feuerwehr. Uni-Kanzler Dr. Wolfgang Flieger ergänzte, dass sich mit dem neuen Campus der Radverkehr verlagern wird: „Wir erwarten tagsüber mehr Fahrradprobleme in der Loefflerstraße.“ Die Mensa am Schießwall verliere damit ihre Berechtigung und „könnte eine Kulturmensa werden“. Auch die Verwaltung des Studentenwerkes solle dort bleiben.

In der Bürgerschaft kamen Fragen nach der Parkplatzsituation auf. So seien 49 Parkplätze notwendig, so Sander, nur 33 sind bisher eingeplant. Flieger wies auf den wegfallenden Bedarf durch die verlagerte Krankenversorgung hin. Zur Lösung des Radverkehrsplans schlug Stadtplaner Gerhard Imhorst vor, die Verbindung vom alten Campus über Rubenow- und Rotgerberstraße durchgängig für Radfahrer zulässig zu machen. Bisher müssen die Radfahrer theoretisch bei Kreuzung der Fußgängerzone ein paar Meter schieben. Er sieht eine Verträglichkeit von Rad- und Kfz-Verkehr, auch wenn es zu Problemen um die Mittagszeit wegen der Mensa komme.

Kein atomstromfreies Strategiekonzept für Stadtwerke

André Dreißen ist Geschäftsführer der Stadtwerke Greifswald

Einstimmig wurde das Strategiekonzept der Stadtwerke Greifswald verabschiedet. Zu den Hauptprämissen zählte König einerseits den Einstieg in eine regenerative Energieerzeugung und -verteilung und andererseits „ein Blick über die Stadtgrenzen hinaus“. Mit letzterem meinte er eine Stromversorgung auch des Terrains um Greifswald herum. Von einem Regionalversorger wollte er nicht sprechen. Von den Grünen gab es zwei Änderungsanträge. Mehrheitlich abgelehnt wurde der Verzicht auf Atomstrom, womit beispielsweise die Stadtwerke Rostock um Kunden werben. Greifswalds Stadtwerke-Geschäftsführer André Dreißen hielt wenig davon, „Greifswald bilanziell atomstromfrei zu machen“, wenn es noch woanders Atomstrom gebe. Es gebe immer mehr Ökostromkunden und „jeder sollte sich frei für seinen Strommix entscheiden“, äußerte er seine persönliche Meinung. Mit 15 Ja-Stimmen bei 14 Gegenstimmen wurde knapp ein grüner Änderungsantrag angenommen, dass es zeitabhängige Tarife gibt. Damit wäre Strom nachts, am Wochenende und in den Tagesrandzeiten günstiger, tagsüber aber teurer. Dreißen hält diesen flexiblen Tarif für möglich, der aber bisher noch keine Einsparungen bringe.

Mit 17 Ja-Stimmen bei fünf Gegenstimmen und vielen Enthaltungen wurde Franz-Robert Liskow (CDU) für  den Vorstand des Studentenwerkes vorgeschlagen, in den er noch gewählt werden muss. Einstimmig sprach sich die Bürgerschaft gegen die geplante Amtsgerichtsstrukturreform aus, wonach die Zahl der Amtsgerichte reduziert werden soll.

Fotos: David Vössing