2011 ist das Jahr der Pflege und der Wälder, sagt mir ein gewisser Herr Google. Aha, denke ich mir. Viel bewusster ist mir allerdings der Fakt, dass wir uns im Jahr des Smartphones befinden. In allen Winkeln Greifswalds, in jeder zweiten Tasche sind die kleinen Minicomputer, die man nebenbei auch zum Telefonieren benutzen kann. Ständig sichte ich jemanden beim akribischen Umherwischen auf seinem Touchscreen, geradezu selten aber jemanden beim (Achtung, Old School!) herkömmlichen Telefonieren.
Das bizarre ist: Bis zu einem gewissen Grad liebe ich Technik, ja wirklich. Auch ich besitze einen Laptop, eine externe Festplatte, eine Digitalkamera und zahlreiche andere Erfindungen der letzten Dekade. Das alles ist absolut praktisch, seit Jahren fast täglich in Benutzung und ohne all das wäre der Alltag für mich kaum noch richtig vorstellbar. Aber ein Smartphone, das fehlt auf der Liste meiner Habseligkeiten. Auf der Wunschliste steht es aber trotzdem nicht, tatsächlich fehlen tut es mir folgerichtig auch nicht. In der Tat, ich verwehre mich dieser Smartphone-Doktrin, die sicherlich auf einer heimlichen Verschwörung von Apple, Microsoft und Co. basiert.
Besonders tückisch sind die so genannten Apps, die jedes iPhone oder Android-Handy einzigartig machen sollen. Der Slogan dieser Telefonanwendungen lautet dabei stets „Sind sie zu smart, bist du zu schwach“. Mithilfe von Abermillionen Apps sammeln die Konzerne sämtliche Daten, die ihre Nutzer auch noch freiwillig dort reintippen. Welche Musik mag ich („TuneIn Radio“-App)? Wo befinde ich mich gerade („Foursquare“-App)? Welches Spielverhalten habe ich („Angry Birds“-App)? Alles gar kein Problem mehr! Da bedanken sich die Unternehmen doch recht herzlich, dass die oft nicht so smarten Nutzer ihrer Erweiterungen das Runterladen von neuen Applikationen zum neuen Volkssport ausgerufen haben. Denn das spart jede Menge Arbeit und vor allem Geld. – Umfragen sind nicht mehr notwendig, teure Firmen müssen nicht mehr beauftragt werden. Ein Hoch auf die unsmarte Nutzung der Smartphonisten!
Auch erschließt sich mir nicht der Sinn des permanenten vorhandenen Internets durch dieses smarte Telefon. Fantastisch, die Smarties unter uns sind mit Eintritt ins iPhoneland daueronline auf Facebook und können jedes Rätsel im Nu via Google beantworten.
Ich frage mich dabei bloß: ist das tatsächlich ein Fortschritt, oder nicht doch eher ein Schritt zurück? Denn macht es uns nicht vielleicht selbst zu Robotern, die nicht mehr nachdenken können, sondern nur noch auf eintippen und scrollen programmiert sind?
Ich versuche das mit diesem „Leben“ jedenfalls weiterhin erstmal ohne Schlaukopf in der Hosentasche.
Foto: Gabriel Kords (Porträt), Tobias Mittmann via jugendfotos.de (CC-BY-NC)
Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts „fünf x fünf – Die Kolumne“. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Morgen ist an der Reihe: Oliver Wunder.
Jo! Das liest sich mal wie ne ordentlich Kolumne (jedenfalls für meine Begriffe)
Ich bin zwar nicht daueronline, hab jedoch auch so n Teil, bilde mir aber ein, höchstens zu 50% der technischen Möglichkeiten auszunutzen. Bezugnehmend auf deinen letzten Beitrag muss ich aber sagen: auf der Fusion war ich heilfroh, dass es wlan gab und ich ein smartphone hatte. So konnte man die Regenstunden im Zelt abwarten, ohne sich enorm zu langweilen. Aber wenn die Sonne scheint bin ich auch dafür: Internetz aus, Handy in die Täsch und ab über die Wiese 🙂
Hm, Du beschreibst eigentlich nur, daß Du selber nicht smart genug für ein Smartphone bist. Denn niemand zwingt Dich, Fourthsquare etc. zu installieren. Musik kann man hören ohne irgendeinem Anbieter seinen Geschmack zu übermitteln. Angry Birds muß man nicht kaufen usw. usf.
Ob freilich die fraglos vorhandenen Vorteile eines Smartphones für einen wichtig genug sind, entsprechend tief in den Geldbeutel zu greifen – das muß jeder selber entscheiden.
Aber man sollte nicht die eigene Inkompetenz kokett als gegen-den-Strom-schwimmen verschleiern.
Oh, ein Statement gegen Smartphones. Das ist ja mal was ganz neues…
Die Sache mit der Datensammelei permanent und überall anzubringen finde ich langsam langweilig und übertrieben. Zudem weiß ich nicht ob das hier in der Form, zumindest als Argument gegen Smartphones, überhaupt angebracht ist. Ob ich last.fm über mein plugin (=app) auf meinem Desktoprechner füttere, oder eben mobil mit der last-fm app ist doch wohl egal. Oder hörst du mobil komplett andere Musik und keiner darf das erfahren? Bei Foursquare muss man nicht mitmachen, aber wer es machen will, warum denn nicht? Jeder soll doch so leben und das benutzen was er will. Ein Skateboardfahrer wird doch nicht anfangen darüber Texte zu schreiben, wie sehr ihm doch Inlineskater aufn Sack gehen.
Mich stören in der S-Bahn keine Smarthphones, wohl aber Leute die so laut "Musik" hören, dass ich selbst im Nachbarwaggon noch mitsingen kann. Aber das ist ein anderes Thema.
Als ich neulich in Anklam am Otto Lilienthal Museum vorbeifuhr habe ich mein Smartphone rausgeholt und mich die nächsten 20-30 min mit Otto, den Gebrüdern Wright etc. beschäftigt. Was ist daran schlimm?! Ich will mein Android-Smartphone nicht mehr missen. Ich bin jedoch auch intensiver Twitternutzer. Ich finde es super jederzeit die Informationen bekommen zu können, die ich brauche.
Ich versteh diesen Kreuzzug gegen Smartphones (ja, du bist Teil einer Bewegung, jedoch keiner Jugendbewegung 😉 ) einfach nicht. Oft kommt ja dann das Argument "Ich brauch ein Telefon zum telefonieren, nicht um damit im Internet zu surfen." Ok, jeder wie er will, wieso dann aber leute kritisieren, die eine andere Meinung haben?!
Vielleicht sollte man diese ganze Smartphone Sache auch anders betrachten. Für mich sind Smartphones keine Telefone mit denen man auch ins Internet gehen kann, sondern mobile Internetgeräte mit denen man auch telefonieren kann! So wird nämlich ein Schuh draus. Mini-Netbooks quasi. Was ist daran verkehrt?
Smartphones stehen ja noch am Anfang. Stichwort augmented reality. Ich finde das alles sehr spannend. Aber vielleicht seh ich das alles falsch. Vielleicht beginnt jetzt (und natürlich ERST jetzt) mit den smartphones das wovon wir in 1984 gelesen haben. Der Mensch ist jetzt ein Robotor. Genau. (Ich denke grad an die Proteste gegen die Eisenbahn oder andere technische Errungenschaften.)
Ich persönlich finde es einfach super als Star Trek Fan endlich mal selbst nen Tricorder in der Hand zu halten. 🙂
Und was Capt. Picard von smartphones hält wissen wir ja: http://verydemotivational.files.wordpress.com/201…
Ich kann mich dem nur anschließen. Aber es ist sicherlich eine Geschmackssache, ob man Lust hat sich mit so etwas auseinanderzusetzen.
Persönlich genieße ich es mich aktiv an meine Termine erinnern zu lassen, oder eben diese entspannt auf meinem Laptop einzupflegen und auf dem Handy zu synchronisieren. Da bleibt der Kopf frei und man braucht neben dem Telefon nicht nochmal ein Büchlein zum verlieren.
Über Feeds (also Handykompatible Nachrichtenmeldungen) kann ich mich in einer Pause entspannt die Nachrichten lesen die mich interessieren ohne erstmal durchs Web zu surfen.
Kurze Emails kann ich in Pausen abarbeiten, statt abends zwanzig Mails am Stück durchlesen zu müssen (und nein, die Mails werden nicht leider nicht weniger wenn man kein Smartphone hat). Genau wie Ashburn Avenue habe ich ausserdem schon oft einfach mal etwas nachgeschlagen. Ich glaube das würde ich nicht annähernd so oft tun, wenn ich das nicht einfach mit dem Telefon tun könnte.
Was persönliche Daten angeht, ist das eine Sache die man unanbhängig vom Smartphone für sich entscheiden muss. Das manche Menschen das Bedürfnis haben sich in jedem Moment nach Aussen zu tragen ist für mich kein Problem eines Smartphones, sondern ein Benutzerproblem beziehungsweise schlichtweg Geschmackssache.
Und wenn ich das alles nicht brauche, dann bleibt die Kiste daheim ;-).
+1