Christine Fratzke (22) schreibt gerne und viel - klar, sie studiert ja auch Germanistik. Zum Beispiel: To-do-Listen, Artikel, Postkarten (zuletzt aus Kopenhagen), facebook-Nachrichten und Bachelorarbeit. Seit 2007 ist sie bei den moritz-Medien und gehört mittlerweile zum Inventar.

Der Sommer in Greifswald ist großartig! Hier ein Openair, da eine Geburtstagsfeier und dort eine Party. Und ehe man sich versieht, beginnt dann meist ein neuer Tag.

Neulich, nach einem tollen Abend im Geokeller, gingen wir nicht nach Hause. Stattdessen holten Tim, Oleg und ich uns im Treffer neues Bier und Frühstück, um den frühen Morgen am Museumshafen zu genießen. Die Sonne schien, wir sangen und winkten den Leuten zu, die in Dienstkleidung morgens Richtung Museumswerft fuhren. Es war sechs Uhr an einem Sonnabend und wir waren zunächst verwundert, warum unsere heiteren „Guten Morgen“-Grüße mit so einer grimmigen Mimik erwidert wurden.

Es sind Momente wie dieser, in denen ich merke, dass mein Lebensrhythmus ein komplett anderer ist als der vieler anderer – vor allem im Vergleich zu Berufstätigen. Es fällt mir derzeit wirklich schwer, vor um elf Uhr aufzustehen. Da ich keine Vorlesungen mehr besuchen muss, fällt der Zwang, früh aufstehen zu müssen, weg. Oft frühstücke ich in der Mensa und erlebe meine kreative Hochphase erst ab 15 Uhr. Besonders gut lerne ich derzeit abends. Danach treffe ich mich mit Freunden, gehe in eine Bar oder sehe Filme. Typisch Studentin, mag man denken. Gibt es nicht da auch diesen blöden Witz: „Guten Abend meine Damen und Herren, guten Morgen liebe Studenten?“ Mir ist das aber zu einfach gedacht, zu klischeehaft.

Dabei ist es doch bekannt, dass die Uhren von jedem anders ticken, dass manche richtige Frühaufsteher sind und manche deutlich später ihre Leistungshochs haben. In Dänemark gründete Camilla Kring vor einigen Jahren die so genannte B-Gesellschaft. Statt den Tag um acht Uhr zu beginnen, sollen B-Gesellschaftsmitglieder – die deutlich bessere Leistungen eher am späteren Tag zeigen würden – erst um 11 Uhr anfangen zu arbeiten und dafür aber auch länger im Büro Zeit verbringen.

Die Zeit läuft gegen mich. Besonders morgens.

Ich finde die Idee ziemlich gut. Gerade im Hinblick auf mein erstes Semester: Morgens um acht Uhr im Hörsaal sitzen. Es war Winter. Der Weg auf dem Rad aus Schönwalde kam einem im Dunkeln und mit Gegenwind und Gegenregen mindestens dreimal länger vor. Und dann saß man da: In nassen Klamotten, mit Kaffee und viel schwarzem Tee intus, die aber nicht so richtig gegen die Müdigkeit helfen wollen. Die folgenden 90 Minuten werden zum Kampf. Alle fünf Minuten gähne ich. Hin und wieder bin ich auch eingenickt und meine Versuche, dies so unauffällig wie möglich zu vertuschen, sind kläglich gescheitert. Blöd, wenn man mit seinem Kopf fast auf den Tisch knallt. Dann hieß es so oft: Müdigkeit vs. ich 1 zu 0. Viel mitgenommen habe ich, bis auf ein paar blaue Flecken, aus diesen Veranstaltungen nicht.

Wäre es nicht toll, wenn Vorlesungen erst ab um 9 oder um 10 Uhr beginnen würden? Und wenn viele Einrichtungen in Greifswald, seien es Fachbibliotheken oder auch Geschäfte in der Innenstadt – warum machen die alle gegen 19 Uhr oder sogar noch früher denn schon zu? – ebenfalls länger offen hätten? Oder ein Supermarkt, in dem man bis 24 Uhr noch einkaufen kann? Oder ein Späti, der länger als 22 Uhr geöffnet hat? Ich vermute, dass ich nicht die Einzige bin, deren Alltag so verläuft.

Vielleicht ist das ja nur eine Phase. Vielleicht liegt´s am Sommer. Vielleicht ändert sich mein Schlaf- und Wachverhalten bei anderen Lebensumständen. Zur Zeit aber genieße ich den Luxus. Denn ganz ehrlich: Als die Berufstätigen am frühen Morgen an uns entnervt vorbeifuhren, wurde mir erst bewusst, wie gut es mir doch geht. Und dass ich diese Zeit genießen sollte – sie ist wahrscheinlich viel zu früh vorbei.

Foto: Gabriel Kords (Porträt), Christine Fratzke (Wecker), Grafik: Jakob Pallus

Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts „fünf x fünf – Die Kolumne“. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Montag an der Reihe: Überraschung!