Heute habe ich meine Wohnung geputzt, damit ich guten Gewissens wegfahren kann. Mein Mitbewohner kann ganz schön grantig werden, wenn die Wohnung mal im Dreck versinkt. Dann denke ich jedoch daran, wie es in meinem ersten Jahr in Greifswald war und warum ich ausgezogen bin. Damals lebte ich noch auf einem Verbindungshaus. Ich war naiv und kannte keinen.
Es war das erste WG-Zimmer, was ich besuchte und sofort bekam. Nach und nach lernte ich jedoch mehr und mehr, dass meine liberal-naive Vorstellung von einer Verbindung überhaupt nicht zutraf. Und hier rede ich nicht von Konservativismus. Der ging mir nicht so auf die Nerven, wie das ständige stumpfe Betrinken und die ständigen Hausbesuche von anderen Verbindungen. Zugegeben, anfangs mochte ich das fröhliche Treiben und dass immer irgendwas auf dem Haus abging. Aber nach einen halben Jahr ist es ermüdend, immer wieder dasselbe zu machen. Immer im selben Kreis, am selben Ort. Halbverschlossen vor der Öffentlichkeit. Vor allem wenn die Gäste meist eine Horde Hardcore-Biertrinker sind. Ein Abend blieb mir besonders in Erinnerung. Als mehrere verschiedene Verbindungen auf unseren Haus Gäste waren. Einige von meinem Bund hatten ihre Fahnen gestohlen, die immer draußen vor jedem Verbindungshaus hängen.
Sie waren wütend deswegen. Es ging um Ehre und exzessives Biersaufen. Braveheart-like brüllend und grölend polterten sie in den Festsaal rein. Sie hatten pro Farbe, die sich auf ihrem Verbindungsband befindet, einen Kasten Bier dabei. Auf den meisten Bändern, die man um die Brust trägt, sind entweder zwei oder drei Farben drauf. Bedeutet: An diesem Abend musste jeder von ihnen in kürzester Zeit drei bis vier Liter Gerstensaft in sich reinschütten. Damit begannen sie auch sofort. Der damalige Chef meiner Verbindung schrie mich und ein paar andere hysterisch an, alle vorhandenen großen Behältnisse sofort in den Raum zu schaffen. Aus diesem hörte man das Brüllen und Speien von vielen Rachen. Nur eine natürliche Reaktion des Magens auf zu viel Flüssigkeit. Dachte ich jedenfalls. Eigentlich musste ich für eine Klausur lernen und wollte nichts mit den Spektakel zu tun haben. Doch in der Luft lag eine Art Bedrohung. Eine Bedrohung für den teuren Parkettboden im Saal. Alles an Schubkarren, Eimern und Ähnlichem brachten wir daraufhin in den Raum mit den Bierberserkern.
Statt zu warten, dass sie von alleine von zu viel Flüssigbrot platzen, schoben sich die meisten ihre Hand tief in den Rachen. Bier aufmachen. Bier exen. Hand reinstecken. Kotzen. Genuss ist was anderes. Es ist Exzess.
Einem von ihnen ist das Bier in die voll-gefüllte Schubkarre reingefallen. Völlig ungeniert holte er dieses raus, schluckte es leer und schoss einen Strahl, mit dem Geräusch einer sterbenden Giraffe, wieder in den Karren. Völlig betäubt starrte ich auf dieses Sodom und Gomorra des „kühlen Blonden“. Dabei ist der Begriff eigentlich in diesem Zusammenhang falsch gewählt. Wenn das Bier eine kühle Blonde, wie in der Köstritzer Werbung wäre, dann war sie gerade auf Crack und hatte einen Gangbangmarathon hinter sich. Bei den Gedanken schüttelt es mich.
Ich war wieder in meiner jetzigen Wohnung, die Geschichte lang wieder in der Vergangenheit. Jetzt wusste ich wieder, warum ich nicht mehr da wohnte. Erleichtert wusch ich das Geschirr und packte meine Sachen ein. Am nächsten Morgen fuhr ich auf die Fusion, um dem kollektiven Exzess zu frönen und Neues zu erleben. Dieser dauert vier Tage. Und danach freue ich mich nur noch auf meine Wohnung. Die ruhig ist. In der nichts passiert, wenn ich nicht will. Auf den Genuss eines Sonntagsbieres.
Fotos: privat (am Tresen), Gabriel Kords (Porträt), Jakob Pallus (Grafik)
Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts „fünf x fünf – Die Kolumne“. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Am Montag ist wieder an der Reihe: Christine Fratzke.
Erstmal vorweg: Wieviel Bier adäquat ist, um die jeweilige Fahne zurück zu bekommen, obliegt dem Gastgeber. Wer den Spuren eines Tigers folgt, muss damit rechnen, einen zu finden.
Heute war es mal wieder Zeit ein wenig im webMoritz zu lesen. Lesen soll ja bilden und außerdem gibt es dadurch ja auch immer etwas Neues und Interessantes zu erfahren.
Und siehe da schon fand ich auch eine Überschrift, die mich neugierig machte. Ich dachte erst hinter dem Artikel mit der Überschrift „Vier Liter in 50 Minuten“ würde sich irgendein Weltrekordversuch oder ein Bericht über den Benzinverbrauch von Kraftfahrzeugen verstecken.
Ich öffnete den Bericht und sah ein Foto von Oleg. Ich dachte sofort Mensch Oleg, den kennst du doch. Ja, lang ist es her aber ich sehe ihn immer noch mit seiner Fliege durch Greifswald laufen.
Sofort kamen mir die alten Erinnerungen wieder hoch. Noch bevor ich anfing zu lesen, fielen mir so manche schönen und nicht so schönen Ereignisse wieder ein.
Es muss im Oktober 2007 gewesen sein, da kam Oleg mit zwei Kumpels aus Minden nach Greifswald um zu studieren. Ich kann mich noch dran erinnern, wie Oleg eine Woche bei uns geschlafen hat, bevor er sich entschied auf Dauer bei uns einzuziehen. Wir haben gegrillt und gemeinsam Pizza gegessen in unserem Garten. Ach ja und dann irgendwann hat er sogar das Band aufgenommen, weil er von dem ganzen Verbindungswesen so fasziniert war.
Alte Greifswalder Turnerschaft Markomanno-Teutonia im CC, genau so heißt die Verbindung. Ach ja, was hatten wir doch für Spaß. Oleg und seine Kumpels waren aber auch echte Partytypen. Wenn die Mensa oder das Mira mal zu hatten, dann wurde die Party in das Haus der AGT! Markomanno-Teutonia verlegt. Das ist ja auch nicht schlimm bei diesem schönen Tresen.
Besonders das alte Haus faszinierte Oleg. Er studierte ja Kunstgeschichte und ich denke, da bekommt man ein Auge für das Alte und Schöne
Besonders toll fanden wir alle die Besuche bei anderen Verbindungen oder den Treffen von Ihnen (Dachverbandstagungen). Ob nun in Münster, in Marburg, Bad Blankenburg, Coburg oder hier in Greifswald.
Ordentlich war Oleg auch immer zumindest machte sein Zimmer immer den Eindruck. Wenn man es betrat, hätte man nicht vermutet, dass es von der Miete her echt günstig ist. Aber ein junger, aufstrebender Student muss auch ein wenig unterstützt werden. Und das haben wir gerne gemacht.
Naja wenn ich ehrlich bin, war nicht immer alles Gold aber wir waren bestrebt es hinterher dann auch wieder zum Glänzen zu bringen.
Eine Begebenheit fällt mir da sofort wieder ein. Es war am 13. November 2007, das Semester hatte gerade begonnen und wir standen bei uns am Tresen. Es wurde geraucht, geklönt und gemütlich ein Bier getrunken. Da kamen wir auf eine tolle Idee, wie wir dachten.
Es gibt unter Verbindungsstudenten eine alte Tradition. Man nimmt sich eine Leiter und „klaut“ die Fahne und stellt sie dann bei sich sicher. Dies macht man natürlich nur um der anderen Verbindung indirekt eine Einladung zu geben, sich im Rahmen eines Besuches die Fahne zurück zu holen.
Wir wussten, dass wir im Keller eine große Leiter stehen hatten. Mit dieser bewaffnet machten wir uns auf dem Weg zur katholischen Studentenverbindung KdStV Allemania zu Münster und Greifswald in der Bachstraße. Es dauerte auch nicht lange und schon hatten wir die Fahne. Was haben wir alle gelacht. Naja das Ganze endete darin, dass wir dann fast alle Fahnen der Greifswalder Verbindungen beisammen hatten.
Am Abend darauf standen wir alle zusammen und unterhielten uns über den Spaß, welchen wir alle am Vortag hatten. Gestört wurden wir nur durch das Klingeln an der Haustür.
Es waren drei Verbindungen, die zur selben Zeit ihre Fahne „auspauken“ wollten.
Nun muss man erklären, dass auch das Auspauken zu der Tradition des "Fahneklauens"
dazugehört. Dabei kommt es immer drauf an wie man sich verständigt. Normalerweis heißt es
pro Farbe auf der Fahne eine Kiste Bier (wenn dann auch genügend Leute vorhanden sind).
Insgesamt kamen die anderen Verbindungen mit ca. 30 Leuten und hatten neun Kisten Bier im
Schlepptau. Naja das waren also 180 Flaschen Bier für knapp 30 Mann.
Sechs Flaschen pro Person, damals dachte ich es sei ja nicht so schlimm, da man in der Mensa
mitunter mehr trinkt und auch Spaß hat.
Das war falsch gedacht. Einige der Anwesenden hatten wohl im Vorfeld schon so viel getrunken,
dass sie nicht mehr in der Lage waren sich gebührend zu benehmen.
Sie benahmen sich wie wilde Tiere, obwohl ich noch nie ein Tier gesehen habe, welches sich so
benimmt.
Da ich damals der Mann gewesen bin, der demokratisch zum sogenannten „Chef“ gewählt war,
machte ich mir umso allerhand sorgen. Was sollten bloß unsere neuen Bundesbrüder denken und
was ist mit dem hundert Jahre alten Holzfußboden. Sofort erhob ich meine Stimme und
veranlasste Alles, um den Schaden einzudämmen.
Leider gelang es mir nicht so recht. Aber nachdem wir uns durchgesetzt hatten und mit dem
Chaos alleine waren, fassten alle mit an und sorgten wieder für Ordnung.
Ich war froh, dass ich noch ein paar helfende Hände hatte.
Wir redeten dann gemeinsam über das Geschehene und waren uns einig, dass wir uns nie so
benehmen werden. Und sowohl Oleg als auch ich bewiesen danach in Marburg, Bad Blankenburg
und Münster, dass Markteuten sich benehmen und auch wissen, wann man mit dem Trinken
aufhören sollte. Naja manchmal bekommt man auch einen freundlichen Hinweis und befolgt
diesen dann. Der Spuck aus dem November war schnell vergessen und zum Glück war es ja auch
erst die sechste Woche von Oleg als Student. Also bestand nicht die Gefahr, dass er in dem
Lernen für bevorstehende Klausuren gestört wurde. Die standen dann erst zu Beginn des nächsten
Jahres auf dem Plan.
Wir genossen weiter das schöne und interessante Verbindungsleben mit all seinen schönen
Seiten. Dabei ließen wir es nicht zu, dass uns noch einmal etwas wiederfährt, was uns nicht passt.
Ach ja leider weiß ich gar nicht mehr, was ich auf der Weihnachtsfeier geschenkt bekommen
habe aber ich glaube, dass Oleg mich beim Wichteln gezogen hatte. Naja ist ja auch nicht weiter
schlimm ich erinnere mich lieber an die tolle Pute und den leckeren Wein, den wir genossen
haben.
2008 begann Oleg bei MoritzTV und schwärmte uns allen davon vor. Ich fand es schön, dass
auch außerhalb des Verbindungshauses eine Sache vorhanden war, die gar nichts mit Verbindung
zu tun hatte. Das ist ja auch wichtig, ich habe meinen Sport den Fußball. Was würde ich nur
machen, könnte ich nicht mehr kicken oder ins Stadion gehen.
Ich denke das ist das Tolle daran, dass man sowohl die Verbindung hat, aber auch noch andere
Hobbies.
In einem Gespräch hat mir Oleg im Jahr 2008 gesagt, er würde gerne mal über Verbindungen
schreiben oder einen Bericht machen. Aber dann nur einen, der nicht die Unwahrheit verbreitet,
das hat ihn gestört. Ich fand die Idee an sich ganz toll. Leider hat dies dann wohl doch nicht
geklappt.
Naja nachdem Oleg im Juli 2008 seine erste Partie gefochten hatte, entschied er sich dann doch gegen das Verbindungsleben. Er hatte nicht mehr die Zeit sein Studium und die Verbindung unter einen Hut zu bekommen. Naja Studium hat Vorfahrt das stimmt, auch wenn man beide Sachen plus Hobby locker erledigt bekommt. So zog er leider vom Haus und war kein Markteute mehr. Aber wir haben gesagt er könne jederzeit klingeln und auf ein kleines Bierchen oder eine Cola an den Tresen kommen und über Alles reden. Und erfreulicher Weise habe ich ihn auch regelmäßig auf verschiedenen Verbindungshäusern gesehen. Sei es bei Parties oder beim Bier trinken.
Auch wenn sich die Wege mal trennen, ich als der „damalige Chef“ habe immer gesagt: „Wichtig ist, dass man sich in die Augen schauen kann!“
Und das hab ich auch immer können, wenn ich Oleg mit seiner Fliege in Greifswald gesehen habe.
Oh ja die Erinnerungen, dabei wollte ich doch voller Spannung lesen worüber Oleg berichtet. Also los!
Autsch, was ist denn das?! Bis eben kamen mir überwiegend nur tolle Erlebnisse, die ich mit Oleg erlebt habe und dann so was.
Was ist mit dem Bericht über Verbindungen, der mit dem Negativen aufräumen sollte? Was ist mit dem wir müssen uns immer in die Augen schauen können.
Ich glaube, ich war zu naiv. Ich habe geglaubt, es sei wichtig würdevoll und ehrlich miteinander umzugehen. Ich ein schreiender Chef, der hysterisch ist?! Verbindungsstudenten kotzend und saufend?!
Ja, sicher trinke ich mein Bier und vielleicht auch mal eins auf Ex, aber kotzen ist nun gar nicht mein Ding.
Gerade habe ich den Artikel fertig gelesen und ich bin traurig und enttäuscht. Sollte das Lächeln und das Hallo, welches mir in den Straßen Greifswalds von Oleg bis heute begegnet nur vorgespielt und geheuchelt sein.
Das wäre schade. Hatten wir doch eine so schöne Zeit. Ich sitze jetzt an meinem Schreibtisch und weiß nicht, ob ich traurig oder wütend sein soll. Wieso schreibt er denn so einen Bericht.
Vor meinem Fenster weht eine Fahne, sie flattert hin und her. Da kommt mir da s Sprichwort mit der Fahne im Wind in den Sinn. Sollte dies denn der Wahrheit entsprechen?! Und wenn ja, wieso. Also, ich werde gleich ins Bett gehen, aber den Sinn hinter dem Artikel von Oleg verstehe ich nicht.
Aber nun weiß ich, was es bedeutet, wenn man das Herz gebrochen oder den sprichwörtlichen Dolch von hinten in selbiges gestoßen bekommt.
Nun ja, wer dem Artikel von Oleg glauben will, kann es gerne tun. Alle anderen lade ich gerne einmal ein, sich davon zu überzeugen, dass das Geschilderte nicht der Standard ist. Sondern dass auf dem Hause der Alten Greifswalder Turnerschaft! Markomanno-Teutonia im CC eine friedliche und angenehme Stimmung herrscht. Und man auch bei einem Glas Cola am Tresen reden kann.
Vielen Dank
Christoph Bauch
Scheinheilig bis zum geht nicht mehr dieser Artikel!
Ich hoffe, du konntest dich auf der Fusion von diesem Saustall erholen^^ http://www.trendhure.com/toiletten-beim-fusion-festival-video/
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