Das Motto „Greifswald Nazifrei“ konnte zwar nicht in Erfüllung gehen, immerhin blieb Schönwalde II von Nazis frei, abgesehen von den in diesem Stadtteil wohnenden Rechtsextremisten. Dafür sorgten nach Polizeiangaben rund 1.500 Menschen, die die Route der Neonazis blockierten. Die Nazigegner setzten sich jedoch nicht nur auf die Route, sondern auch auf mögliche Ausweichstrecken, sodass die NPD anstatt der geplanten sieben nur dreieinhalb Kilometer zurücklegen konnte.

Hinzu kommt, dass sie bis auf die Hans-Beimler Straße und Heinrich-Hertz-Straße einen vollkommen anderen Weg einschlagen mussten. Die Route führte nun nicht mehr durch die Stadtteile Südstadt, Schönwalde I und Schönwalde II, sondern lediglich durch die Südstadt und tangierte in der Lommonossowallee und der Heinrich-Hertz-Straße Schönwalde I. Die Hauptstraßen von Schönwalde I und II, der Ernst-Thälmann-Ring und die Makarenkostraße konnten die Rechtsextremisten somit nicht passieren.

Pastörs wütend über vorzeitigen Abzug

Auch die Beteiligung der Neonazis an dem Aufruf der NPD, gegen die angeblich bevorstehende „Fremdarbeiterinvasion“ zu demonstrieren, fiel recht mager aus: Anstatt der angemeldeten 500 Demonstranten kamen lediglich 350. Die Demonstranten waren überwiegend männlich und passten in weiten Teilen in das Bild der „Klischeenazis“: Springerstiefel, Glatze, Bomberjacke. Besonders auffällig war die relativ hohe Anzahl von Kindern zwischen zehn und fünfzehn Jahren, die sich an der Versammlung beteiligten. Einige von ihnen verkleideten sich als Soldaten der Wehrmacht und mimten Adolf Hitler nach.

Den Goebbels-Part übernahm in Folge des Rückzugs der Schweriner Juwelier und Spitzenkandidat der NPD Udo Pastörs. Vor Wut schäumend schrie er in die versammelte Menge und schimpfte auf die „Roten Mischpoken“ Ulf Dembski und seine Ehefrau. Zudem richtete er auch einige Worte an die Gegendemonstranten: „Ihr seid der Ausdruck der Stumpfsinnigkeit der Bundesrepublik Deutschland! Ihr habt immer noch nichts begriffen!“

Nazigegner errichteten insgesamt 12 Blockaden

Gerade an den Gegendemonstranten könne man erkennen, welche weitreichende Folgen der „Umerziehungsprozess“ seit 1945 habe. Die Rede wurde jedoch immer wieder durch Antifaschisten gestört, die mit verschiedenen Gegenständen Lärm schlugen und die Neonazis mit fröhlichem Gesang immer wieder verhöhnten. „Ihr habt den Krieg verloren! Ihr habt…“ – so ging es immer weiter. Die Wut und der Hass der Neonazis auf die Gegendemonstranten war ihnen sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben. Nicht einmal ihre Kundgebung verlief reibungslos.

Wie die Polizei berichtete, wurden im Laufe des Tages von Nazigegnern insgesamt 12 Blockaden errichtet. Die Blockadeteilnehmer seien vorwiegend Jugendliche, Heranwachsende und Studierende gewesen, „die ihren Protest friedlich zum Ausdruck brachten.“ Insgesamt sprach die Polizei 167 Platzverweise aus. Nach Informationen des webMoritz handelte es sich hierbei zum überwiegenden Teil um Blockierende in der Heinrich-Hertz-Straße. Zudem wurden insgesamt zehn Personen in Gewahrsam genommen.

Zu Gewaltausschreitungen kam es weder von Seiten der Neonazis noch von Seiten der Nazigegner. Bei einem Durchbruchversuch von einer Gruppe Antifaschisten setzte die Polizei Pfefferspray ein, um die Demonstranten zurück zu drängen. Infolge der Tumulte, die bei der versuchten Vereinigung von zweier Blockaden in der Lomonossowallee und den heranrückenden Neonazis zwischen Demonstranten und Polizei kurz nach dem Durchbruchversuch entstanden, soll es nach Angaben von Demonstranten vereinzelt zu heftigen Übergriffen von Seiten der Polizei gekommen sein.

Polizei bedankt sich bei friedlichen Demonstranten

So soll ein Polizist eine Demonstrantin unsittlich berührt haben, ein weiterer habe einen Demonstranten getreten. Wie dem webMoritz von anderen Versammlungsteilnehmern mitgeteilt wurde, habe die Polizei den letztgenannten Beamten anschließend aus dem Verkehr gezogen.

Wie die Polizei berichtet, sei es auch zu einer Verletzung eines ihrer Beamten in Folge des Zündens von Pyrotechnik gekommen. Welchem politischen Lager der Täter angehörte, gab sie jedoch nicht an. Nach Beobachtungen des webMoritz wurde beim Rückzug der Neonazis aus den Reihen des NPD-Demonstrationszuges ein Feuerwerkskörper gezündet. Abschließend bedankte sich der Einsatzleiter Olaf Kühl in der Pressemitteilung „ausdrücklich bei den Demonstranten für ihren friedlichen Protest und lobte den engagierten und besonnenen Einsatz der Polizeikräfte.“

Das Bündnis Greifswald Nazifrei zeigt sich ebenfalls zufrieden mit den Protesten. „Aufgrund unserer Entschlossenheit konnten weitere Blockaden die geänderte Routenführung durchkreuzen, sodass die Neonazis gezwungen wurden auf dem Absatz kehrt zu machen“, erklärte Cornelia Schultze, Pressesprecherin des Bündnisses. Das Bündnis bewertet die Verkürzung der Route als Erfolg, zeige es doch, dass „viele couragierte Menschen in Greifswald bereit waren, sich entschlossen gegen die Verbreitung neonazistischer Propaganda auf die Straße zu setzen.“ Nicht zufrieden ist das Bündnis damit, dass es ihm nicht gelang die Demonstration durch Blockaden ganz zu verhindern.

Oberbürgermeister beeindruckt von Protesten

Oberbürgermeister Dr. Arthur König zeigte sich ebenfalls beeindruckt von den Protesten. „Die Art des Agierens ist unterschiedlich, aber alle sind vereint in der Aussage: Greifswald ist bunt – hier herrscht kein Platz für braunes Gedankengut. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, wie breit die demokratische Gesellschaft in Greifswald aufgestellt ist. Die Stadt ist geprägt von ihrer Universität und kann sich auf sie verlassen“, erklärte der Oberbürgermeister.

Das Studentenfernsehen Moritz-TV war ebenfalls vor Ort und hat sowohl von dem NPD-Aufgebot, als auch von der Gegendemonstration und den Blockaden umfangreiches Filmmaterial in einem Beitrag zusammen gestellt:

Auf dem Fleischervorstadtblog wurde ebenfalls eine umfangreiche Zusammenfassung der Ereignisse veröffentlicht. Der Blogbetreiber nahm dabei vorwiegend die unterschiedlichen Kanäle der Berichterstattung unter die Lupe.

Fotos: Marco Wagner, Susanne Große, Andrea Dittmar, David Vössing, Video von Moritz-TV.