Wer über den belebten Marktplatz im Zentrum Greifswalds schlendert und nach rechts abbiegt, um Richtung Wall zu gelangen, stößt abseits vom Treiben der Stadt auf ein großes, weißes und eher unauffälliges Gebäude. Dort, am ehemaligen Stadtrand, stand jahrhundertelang ein Franziskanerkloster an dessen Stelle vor 165 Jahren ein großes Armen-und Altenheim errichtet wurde. Seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts beherbergt das Gebäude das Pommersche Landesmuseum. Nach hinten gerückt durch einen großen Granitvorplatz und gesäumt vom Wall und einem kleinen Findlingsgarten beherbergt das Museum die größte Sammlung pommerscher Geschichte, Kunst und Kultur.
Merkwürdige Steine aus dem Norden
Die Ausstellung beginnt in den alten Gewölben des Hauptgebäudes mit der Entstehungsgeschichte der pommerschen Landschaft und der Ostsee vor 185 Millionen Jahren. Den Besuchern werden unter anderem alte Fossilien und Bernsteine jener Epochen präsentiert. Die Eiszeit, welche die Landschaft wie wir sie heute kennen, entscheidend geformt hatte, brachte gewaltige Findlinge aus Skandinavien hierher, welche an Ort und Stelle liegen blieben, als das Eis geschmolzen ist. Ein wirklich imposantes Exemplar ist im Museum zu sehen und zeigt dem geneigten Geologen, mit welcher Kraft sich die Eismassen bewegt haben. Dabei werden auch eine Reihe von Sagen präsentiert, mit denen sich die ersten Menschen vor 15000 Jahren versuchten zu erklären, woher die riesigen Steine kommen mögen, als sie begannen das Land zu besiedeln.
Der Mensch entdeckt Pommern
Mit dem Menschen beginnt auch der Teil der Pommerschen Landesgeschichte des Museums. Anhand vieler Modelle und Originalfunde wird die Alltagswelt der ersten Jäger und Sammler Pommerns veranschaulicht. Beispielsweise ein Schädel, der mithilfe von jungsteinzeitlicher Trepanation (Einbohren des Schädels, um das Innere zu behandeln) wahrscheinlich erfolgreich operiert werden konnte. Daran lässt sich gut der Stand der medizinischen Kenntnisse der Region ableiten, ungefähr 12000 Jahre bevor die Medizinische Fakultät in Greifswald gegründet wurde.
Weiter Richtung Gegenwart geht es mit der Bronze- und Eisenzeit sowie der Epoche der Völkerwanderung, in welcher die Germanen nach Süden zogen und sich neue Stämme wie die Slawen aus dem Osten in Pommern niederließen. Ein wirklich beeindruckendes Exponat jener Zeit ist der Goldring von Peterfitz. Dieser massive, rund zwei Kilogramm schwere Goldring ist ein Beispiel für Kultobjekte, die im Boden oder Mooren gefunden und ihrem Träger möglicherweise die Aufnahme in die Walhall nach dem Tode sichern sollte.
Die Spuren des Mittelalters
Im Mittelalter wuchs die Bevölkerung Pommerns immer weiter an, sodass die Menschen begannen immer größere Landstriche für ihre Zwecke zu kultivieren und die Natur zu verdrängen. In diesem Zusammenhang werden auch Umweltschäden durch den Menschen dokumentiert, die (für den einen oder anderen Landschaftsökologiestudenten sicherlich sehenswert) bereits vor rund 1000 Jahren angerichtet wurden, lange bevor sich die Region mit Atommüll für die nächsten 10000 Jahre herumplagen musste.
In einem eigens für ihn eingerichteten Saal befindet sich das wohl wichtigste Exponat im Pommerschen Landesmuseum: Der Croy-Teppich, eine Leihgabe aus dem Besitz der Universität. Der Bildteppich stammt ursprünglich aus dem Besitz des Herzoges Philipp I (1516-1560) und sollte dessen Residenz in Wolgast schmücken. Auf diesem wirklich riesigen (4,46 x 6,90 Meter) Teppich sind 23 Personen eingenäht, welche als Mitglieder fürstlicher Familien sowie als Leitfiguren der Reformation in Deutschland eine Rolle gespielt hatten. Ihr Status lässt sich an den äußerst kostspieligen, mit Gold und Silber durchzogen Materialien und der hohen Qualität der Stickereien erkennen, welche ein einzigartiges Kunstwerk der Reformation darstellen und das das Herz eines jeden Kunsthistorikers höher schlagen lassen.
Pommern in schwedischer Hand
Mit dem Mittelalter endet der Rundgang durch die Gewölbe des Museums und wird in der ersten Etage mit dem Beginn der schwedischen Herrschaft über Pommern fortgesetzt. Gleich zu Beginn verkündet das damals sehr populäre Kinderlied „Das Pommernland ist abgebrannt…“ die weitreichende Verwüstung, aus der Pommern aus dem Dreißigjährigen Krieg hervorging. Dies sollte jedoch nicht so bleiben, da die Schwedenzeit für das Land in vielerlei Hinsicht einen Aufschwung bedeutete. Beispielsweise war Schwedisch-Pommern der erste Landesteil Deutschlands, der flächendeckend vermessen wurde, was die Geographen unter uns mit einer nachgestellten Apparatur zur Triangulation selber ausprobieren können. Außerdem gibt es noch die volle Ladung Seefahrts- und Hansegeschichte sowie allerlei aus dem Alltag der bäuerlichen Bevölkerung.
Die Region, wie wir sie heute kennen
Weiter geht es mit der Ausstellung im sich industrialisierenden 19. Jahrhundert, das die Agrarregion grundlegend wandelte. Viele Bauern suchten nach neuer, besser bezahlter Beschäftigung in den Städten oder veranlasste sie gleich zur Auswanderung in die sogenannte Neue Welt, wo sie Städte mit Namen wie Pommerode in den USA oder Blumenau in Brasilien gründeten. Auch zu diesem Thema gibt es einen Schwerpunkt. Ein anderer Grund für die Auswanderung war die Unterdrückung der Bauern durch Großgrundbesitzer, den Landjunkern, denen sie endlich durch neu gewonnene Rechte entfliehen konnten. Einzig Otto von Bismarck fand weiterhin eine anhaltend große Verehrerschaft in Pommern, wie die Ausstellung zeigt.
Der Wandel veranlasste die Region an der Ostsee sich neu zu orientieren. Schnell fand man als neue lukrative Einkunft den noch heute sehr wichtigen Tourismus. Schließlich wollten die neuen reichen Bürger der Städte sich erholen, was bekanntlich an der See am schönsten ist. Diesem Thema widmet sich ein eigener Abschnitt des Landesmuseums. Die neuen Badeorte wie Binz, Heiligendamm oder Zinnowitz prägten das neue Bild der Region, welches bis heute wirkt und immer noch Urlauber aus ganz Deutschland nach Pommern lockt.
Alles, was hier dargestellte wurde, stellt nur einen kleinen Ausschnitt der umfangreichen Dauerauststellung des Pommerschen Landesmuseums dar. Wer die ganze Geschichte der Studienheimat in ihrem vollen Umfang erleben will, kann sich für 2,50 Euro (Ermäßigt) oder 4,50 Euro (Normal) Eintritt alles anschauen.
Zusätzlich gibt es immer auch noch Sonderausstellungen im Quistorp-Bau in der Mühlenstraße, der im durch die gläserne Museumsstraße mit dem Hauptgebäude verbunden ist. Aktuell gibt es dort die „Papierne Schätze – Kostbarkeiten aus sechs Jahrhunderten.“ , mit Grafiken, Zeichnungen und Aquarellen von Dürer, Cranach, Rembrandt, C.D.Friedrich, Feininger, Dix, Grosz, Niemeyer-Holstein und anderen.
Foto: Simon Voigt