Abschaffung von Master-Hürde und Freiversuch, Teilzeitstudium, Stärkung des Rektors, Erhalt des Diploms und Prüfungsbenotung nur noch mit „bestanden“ oder „nicht bestanden“. Diese Änderungen enthält das Landeshochschulgesetz (LHG), das zum 1. Januar in Kraft getreten ist. Im Interview mit dem webMoritz begrüßen StuPa-Präsident Erik von Malottki und Franz Küntzel, AStA-Referent für Hochschulpolitik, grundsätzlich das neue LHG. Aber es gibt auch Kritik.
webMoritz Am 1. Januar ist das neue Landeshochschulgesetz (LHG) in Kraft getreten. Was sind die wesentlichen Änderungen?
Franz Küntzel Wir haben jetzt einen verstärkten Fokus auf dem Teilzeitstudium, was wir vorher nicht hatten. Studierende haben jetzt einfach die Möglichkeit, besser neben dem Beruf oder mit dem Kind zu studieren, als es vorher möglich war. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Wegfall der sogenannten Master-Hürde. Das ist ein kleines Wunschkind von Studierenden und den politischen Jugendorganisationen gewesen. Hinzu kommt, dass das Diplom in Mecklenburg-Vorpommern erhalten bleibt.
Malottki: „Wesentliche Verbesserungen beim Bologna-Prozess.“
Erik von Malottki Das LHG bringt für die Studierenden wesentliche Verbesserungen, vor allem beim Bologna-Prozess. Die Studentenproteste der letzten Jahre und der verstärkte Druck der Studierendenschaften auf die Politik haben dafür gesorgt, dass unsere Forderungen jetzt umgesetzt werden und wesentliche Verbesserungen bei Bachelor- und Masterstudiengängen möglich sind. Das LHG gibt uns dazu verschiedene Möglichkeiten.
webMoritz Welche Verbesserungen wurden erreicht und welche Möglichkeiten siehst du?
Erik Unter anderem, dass nicht mehr alle Prüfungsnoten in die Endnote gezählt werden müssen, sondern auch mit bestanden oder nicht bestanden gewertet werden können, wie es beim Diplom und Staatsexamen schon jetzt ist. Damit können wir die Prüfungslast und den ständigen Prüfungsdruck senken, der eigentlich das größte Problem des Bologna-Prozesses ist. Das Studium für Bachelor- und Masterstudenten wird künftig weniger verschult sein. Es wird mehr Freiräume geben. Diese müssen wir als Studierendenschaft nutzen und die universitären Gremien dazu bringen, diese Möglichkeiten komplett in die neue Rahmenprüfungsordnung und in die einzelnen Prüfungsordnungen zu bringen. Die Ergebnisse des LHG sind noch nicht fest, wir müssen sie erst an unserer Universität Realität werden lassen.
webMoritz Der Senat hat in seiner Dezembersitzung eine Bologna-Richtlinie verabschiedet. Wie bewertet ihr diese?
Franz und Erik Wir begrüßen, dass die Universität sich zeitgleich mit den unseren Landespolitikern mit den Problemen bei der Umsetzung der Bologna-Reform auseinandersetzt. Die Richtlinie ist ein Schritt zur Umsetzung der Forderungen der Studierenden, welche schon seit Jahren bekannt sind. Nichtsdestotrotz hätten wir uns eine größere Verbindlichkeit des Papiers gewünscht.
webMoritz Wann findet sich das LHG in den Prüfungsordnungen wieder oder gilt die Änderungen wie beispielsweise die Abschaffung des Freiversuches (dieser ist in vielen Prüfungsordnungen vorgesehen) ab sofort?
Küntzel: „Für jetzige Studierende bleibt der Freiversuch erhalten.“
Franz Die jetzigen Studierenden, die nach den alten Prüfungsordnungen studieren, werden den Freiversuch behalten, wie sie ihn kennen. Es wird jetzt in vielen Fächern eine neue Prüfungsordnung erstellt. Dort wird der Freiversuch dann leider wegfallen. Gut ist, dass uns der Senat entgegenkommen ist und es bei zukünftigen Prüfungen generell drei Versuche geben wird. Das ist auf jeden Fall begrüßenswert, aber dafür hätte man nicht die Optionalität des Freiversuchs im LHG einführen müssen. Was wir als Studierendenvertreter noch kritisch sehen, ist, dass in den Bachelorprüfungsordnungen 2010 den Studierenden schon der Freiversuch weggenommen worden ist, obwohl das neue LHG noch gar nicht in Kraft getreten ist. Wir prüfen zurzeit, inwiefern man dagegen vorgehen kann.
Erik Es kann nicht sein, dass die negativen Sachen aus dem LHG schnell umgesetzt werden, aber die positiven Sachen nicht umgesetzt werden. Die Vollversammlung hat gezeigt, dass die Studierenden den Freiversuch auch in Zukunft behalten wollen, trotzdem hat sich die Universität gegen die Beibehaltung des Freiversuchs entschieden. Es kann nicht sein, dass die negativen Sachen aus dem LHG sofort umgesetzt werden, aber die positiven Veränderungen für Studierende anscheinend verzögert werden.
webMoritz Gibt es noch andere Kritikpunkte eurerseits?
Franz Wir sehen es kritisch, dass sich an Fachschulen bestimmte Bachelor- und Masterstudiengänge ihren Abschluss als Diplom anerkennen lassen können. Darin sehen wir einen Etikettenschwindel, denn entweder kehrt man zu Diplomstudiengängen zurück, die sich seit Jahrhunderten bewährt haben, oder stellt komplett auf Bachelor und Master um, wie es in den letzten zehn Jahren geschehen ist. Diesen Mischmasch finden wir nicht gut.
webMoritz Was schlägst du als Lösung vor?
Franz Wer Bachelor und Master studiert, soll das auf dem Zeugnis auch stehen haben wie auch Diplomabsolventen. Wir müssen jetzt erst einmal gucken, wie das umgesetzt wird. Dann müssen wir gegebenenfalls Schritte ergreifen, denn sonst können die Doppelbezeichnungen bei Studierenden und Arbeitgebern zu Irritationen führen. Zum Glück ist Greifswald davon nicht betroffen.
Erik Es gibt natürlich auch noch andere negative Punkte am LHG. Die Position des Rektors wird entscheidend gestärkt. Dies ist kritisch zu betrachten, weil wir uns als Studierendenschaft für eine demokratische Hochschule stark machen. Uns ist wichtig, dass die Machtbalance in der Universität nicht gefährdet wird und die Gefahr sehen wir mit der Stärkung des Rektors.
Rektor sollte nicht über die Gelder der Studierendenschaft entscheiden dürfen.
webmoritz Wie wird der Rektor gestärkt?
Erik Zusätzlich bekommt der Rektor einen größeren Einfluss auf die Studierendenschaft. So wird die Haushaltsprüfung durch den Rektor verstärkt. Wir hoffen natürlich nicht, dass sich das so auswirkt, dass die Studierendenschaft irgendwann am Gängelband des Rektors ist.
webMoritz Mit den Haushaltsmitteln meinst du die Mittel der Studierendenschaft, die jeder Studierende mit seinem Semesterbeitrag bezahlt?
Erik Genau.
Franz Die Studierendenschaften wurden damals gegründet, um den Studierenden eine stärkere Stellung in der Universität zu geben. Deswegen nennt es sich auch studentische Selbstverwaltung. Für uns ist jetzt fraglich, warum der Rektor dort jetzt größeren Einfluss bekommen soll. Es ist okay, dass die Rechtsabteilung StuPa-Beschlüsse prüft, aber über die Gelder der Studierendenschaft sollte ein Rektor nicht entscheiden dürfen. Was ist denn, wenn wir wieder mal zur Demo nach Schwerin fahren wollen und der Rektor sagt dann: „Ich bezahle euch aber die zehn Busse nicht. Das dürft ihr aus meiner Sicht nicht.“ Dann stehen wir alle natürlich alle ein bisschen schlecht da.
webMoritz Vermisst du noch einen Punkt im LHG?
Franz Was im LHG trotz unserer Forderung nicht aufgenommen wurde, ist außerdem, dass die Studierende einen größeren Einfluss auf die akademischen Gremien bekommen sollen. Es ist momentan so, dass wir nur ein Drittel aller Mitglieder im Senat und in den Fakultätsräten stellen. Es müsste aber die Hälfte sein, eine Hälfte Studierende, eine Hälfte Professoren und Mitarbeiter, damit das ausgeglichen ist. Man darf die Belange und Bedürfnisse Studierender nicht ausblenden und deswegen muss man für eine gerechte Verteilung der Sitze sorgen.
webMoritz Ist die Hochschulpolitik auch noch anderweitig durch das neue LHG betroffen?
Erik Ein positiver Punkt ist, dass in Zukunft der Rektor die Studierenden bei Vollversammlungen freistellen muss. Somit finden zu der Zeit dann keine Lehrveranstaltungen mehr statt.
„Rektor muss Studenten für Vollversammlungen freistellen.“
Franz Dadurch können wir auch ganz andere Konzepte für die Vollversammlung entwickeln. Wir können die Vollversammlung vormittags, mittags stattfinden lassen oder mit anderen Sachen kombinieren. Man kann dieses basisdemokratische Organ ganz anders ausrichten. Es wird dann nicht mehr eine vierstündige Gängelveranstaltung sein. Das kann sich jetzt alles ändern und ich bin zuversichtlich, dass das auch attraktiver werden wird. Die Studierenden müssen sich aber auch mehr beteiligen. Wir haben das dieses Jahr gesehen, dass wir viel erreicht haben, aber wir haben den Rückhalt der Studierenden vermisst. Die finden es gut, dass das BWL-Diplom erhalten bleibt oder das Lehramt in Greifswald bleibt, aber dass sie für solche Sachen auch auf die Straßen gehen, ist leider nicht so.
Erik Ein weiterer Punkt im LHG ist auch, dass die studentischen Medien jetzt gesetzlich institutionalisiert werden. Das heißt, dass die studentischen Medien jetzt eine legale Funktion innerhalb der Studierendenschaft haben. Es gibt uns mehr Mittel, dass die studentischen Medien durch die Universität unterstützt werden.
webMoritz Wir danken für das Gespräch.
Das Interview führte David Vössing.
Fotos: David Vössing
Ein professionelles und überparteiliches Medium hätte sich zurückgehalten in der Wahlwoche zwei Kandidaten für den Senat und weitere Gremien eine derartige breite Bühne für die Präsentation zu bieten.
Mit Wohlfühlthemen tut man niemandem weh und macht chic Wahlkampf unter dem Deckmantel von AStA- und StuPa-Tätigkeit. Wirklich traurig, dass der Webmoritz da zulässt! Es hätte ebenso auf andere Köpfe ausgewichen werden können, die ihren Senf zu dem Gesetz geben (andere AStA-Menschen, Senatoren, Hochschulgruppen, was weiß ich). Alternativ hätte der Artikel erst nach der Wahl erscheinen können.
Überparteilich? Wovon träumst du? Geh mal in eine Stupasitzung, merke dir die auffälligen Personen, die markanten Inhalte (nicht: zitierfähige Aussagen!) und vergleiche das mit dem Stupaticker. Das Missverhältnis ist schon nicht ohne.
Absicht liegt hoffentlich nicht vor, sondern politische Kurzsichtigkeit beim Webmoritz. Dass ein Geschmäckle aufkommen würde, insbesondere da beide StuPa-Kandidaten "studentische Medien ausbauen und schützen" (Erik) bzw. "nachhaltig stärken" (Franz) wollen, wäre voraussehbar gewesen.
Da muss ich dir ansatzweise Recht geben. Wir hatten uns einfach keine Gedanken darüber gemacht, das Interview veröffentlicht. Gerade weil zur Zeit in Greifswald nichts los ist und wir für diesen Tag etwas veröffentlichen wollten/ mussten.
Absicht liegt also nicht vor. Allerdings hätten wir zu diesem Thema ohnehin das Dilemma gehabt, dass mindestens einer der befragten Studenten ein StuPa-/ Senatskandidat gewesen wäre. Wir hätten alternativ dich befragen können und vom AStA noch Daniela Gleich. So extrem viele Studenten gibt es ja nicht, die sich mit dem neuen LHG (so gut) auskennen, um eine qualifizierte Bewertung vornehmen zu können.
Des weiteren sehe ich nicht, dass den beiden durch dieses Gespräch ein Vorteil entsteht. Erik ist StuPa-Präsident und als dieser bereits mehrmals im webMoritz präsent gewesen. Gleiches gilt für Franz, der als AStA-Referent auch von "Natur aus" häufig in der Öffentlichkeit steht.
Darüber hinaus sind wir als Medien auch der Aktualität verpflichtet. Klar hätten wir auch noch eine Woche mit der Veröffentlichung warten können. Nur hätten dann bereits die OZ mindestens zwei mal darüber berichtet (Bericht und mgl. Kommentar), der Nordkurier ebenfalls, genau so wie die Schweriner Volkszeitung. Und wir hätten meilenweit hinterher gehinkt und eine veraltete Nachricht übermittelt. Und gerade hinsichtlich der Aktualität sind wir immer bestrebt, so aktuell wie möglich zu sein. Dass das nicht immer gelingt, weil wir ja gleichzeitig studieren, steht auf einem anderen Blatt…
Im Großen und Ganzen stimme ich Erik und Franz zu, allerdings war es nicht die Idee der FachHOCHschulen das Diplom einzuführen. Initiativ in diesem Bereich sind besonders TU9 (dabei haben wir nicht einmal eine TU in M-V) und die Unis, auf deren Drängen diese merkwürdige Diplomregelung (es ist ja nur die Wahl, ob Master o. Diplom auf dem Zeugnis steht, keine inhaltliche Änderung) erst getroffen wurde.
Die FHs sehen sich natürlich benachteiligt, da mit Bologna ihr Bachelor/Master-Abschlüsse, dem der Unis formal gleichgestellt wurden. Weshalb also ein FH-Student, der die gleichen Inhalte auf dem gleichen Niveau in der gleichen Zeit wie ein Uni-Student abarbeiten muss, nun wieder formal schlechter gestellt werden sollte kann ich nicht nachvollziehen. Wenn es also nun in M-V möglich sein soll, dass man als Masterabsolvent ersatzweise ein Diplom ausgehändigt bekommen soll, so ist es nur konsequent dieses Recht auch den FHs zuzusgestehen. Dadurch ist natürlich die Beabsichtung der Wiedereinführung des unterscheidbaren Diploms (also mit (FH)-Kürzel ) durch die Hintertür gescheitert.
Zu begrüssen ist natürlich die Förderung von Teilzeitstudien (aber auch des Fernstudiums). Insbesondere sehe ich dies nicht nur als Aufstiegschance für Menschen, die bisher nicht studierten, sondern auch für Leute, die bereits studiert hatten. Ich weiss nicht wie es euch geht, aber ich weiss nicht, ob mein Abschluss in Jahrzehnten noch so viel wert sein wird, um meinen Lebensunterhalt angemessen zu verdienen, wenn ich mich nicht regelmäßig weiterbilde.