Das Rechenzentrum der Universität Greifswald bietet Dozenten seit diesem Semester an, ihre Vorlesungen digital aufzuzeichnen und über eine spezielle Webseite den Studierenden zugänglich zu machen. webMoritz war bei einem Einsatz des Systems dabei.
E-Learning ist in Greifswald angekommen
Bereits seit drei Jahren gab es im Universitätsrechenzentrum Überlegungen, wie man Vorlesungen digitalisieren könnte, um sie den Studierenden online zur Verfügung zu stellen. Doch bislang war keine Lösung für die verschiedenartigen Anforderungen geeignet. Bei einer Lehrveranstaltung müssen verschiedene Inhalte aufgezeichnet werden, damit ein Onlinenutzer den Lehrstoff überhaupt nachvollziehen kann. Mit dem nun angeschafften System der Marke „tele-TASK“ können all die Anforderungen, die an einen digitalen Mitschnitt gestellt werden, erfüllt werden.
GrypsCast: Vorlesung 2.0
Das System, das sich in einem tragbaren Gehäuse befindet, ermöglicht die Aufnahme des Referenten mit Video und Ton, sowie der abgespielten Präsentation. Alles wird später zu einem Video zusammengefasst und von Mitarbeitern des Rechenzentrums auf die GrypsCast-Seite hochgeladen. Um auf die digitalen Mitschnitte zuzugreifen benötigen die Studierenden einen Zahlencode, der vom Dozenten am Anfang des Semesters mitgeteilt wird. Dies ist notwendig da Urheber- sowie Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben müssen. Über GrypsCast können die Mitschnitte mit jedem beliebigen Computer betrachtet werden. Der Zugriff mit mobilen Geräten wie Smartphones ist in einer späteren Phase des Projekts angedacht.
Das Rechenzentrum als Dienstleister
Der große Vorteil des angeschafften Systems ist, dass sich der Dozent nicht mit der Technik auseinandersetzen muss. Mitarbeiter des Rechenzentrums übernehmen die Aufnahme und Bearbeitung der Mitschnitte. Auch spielt es keine Rolle, welche Hardware der Dozent für seine Präsentation benutzt. Alle Computer die einen VGA-Ausgang besitzen können an das System angeschlossen werden, um die Bildschirmpräsentation des Dozenten zu erfassen. Die Mitschnitte können über das Rechenzentrum, wenn benötigt, innerhalb von zwei bis drei Stunden hochgeladen werden. Theoretisch sind mit dem System sogar Live-Streams von Vorlesungen möglich. Dazu müsste jedoch weitere Hardware angeschafft werden. Für den Transport des tele-TASK Systems wird demnächst ein „tele-TASK-Mobil“ angeschafft, das aus einem Fahrrad mit Anhänger bestehen wird. Man hofft von Seiten der Universität aus, dass das System gut angenommen wird. Dann stehe auch der Anschaffung von weiteren Geräten nichts mehr im Wege, so Jan Meßerschmidt, Pressesprecher der Universität. Zur Zeit werden nach und nach alle Dozenten über die neue Technik in Kenntnis gesetzt. Professor Michael Herbst nutzt das tele-TASK System bereits für seine Vorlesung „Evangelische Seelsorge“. webMoritz wird in den nächsten Wochen darüber berichten wie das System von Studenten und Dozenten angenommen wurde.
Kommentar:
Digitale Aufzeichnungen von Vorlesungen sind im 21. Jahrhundert eigentlich nichts besonderes mehr. Viele Universitäten bieten ihren Studierenden diesen Service bereits an. Umso besser, dass nun auch die Universität Greifswald aufschließen möchte. Aber welchen Nutzen bringt das System wirklich für Studierende und wird es dazu führen, dass die Teilnehmerzahl der aufgezeichneten Vorlesungen dramatisch sinkt?
Erfahrungen anderer Universitäten haben gezeigt, dass die Teilnehmerzahl stabil bleibt und die Mitschnitte als sinnvolle Ergänzung angenommen werden. Die eigentliche Frage ist wohl eher, ob sich genug Dozenten bereit erklären, das System zu nutzen. Nicht wenige Dozenten stehen dem Thema Internet und Kommunikation feindlich gesinnt gegenüber. Sprüche wie: „Auf E-Mails antworte ich grundsätzlich nicht“ und die mangelhafte Nutzung von E-Learning Plattformen wie StudIP, Moodle und HIS erschweren vielen Studenten den Unialltag.
Aber gerade an der Universität Greifswald könnte das neue System auch helfen, ein paar alte Probleme zu lösen. Beispielsweise könnte die obligatorisch überfüllte Methodenvorlesung der Bachelorstudenten damit entlastet werden. Auch könnten die Institute, die vom Einsturz bedroht sind, ihre Lehrveranstaltungen online abhalten. So könnte man die Sanierung von Gebäuden in der Innenstadt sicher weiter in die Zukunft verschieben.Es bleibt also zu hoffen, dass sich das System durchsetzt und rege genutzt wird.
Fotos: Alexander Kendzia, Startseite: Wikimedia
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Informativ – danke für den Artikel. Das Thema birgt noch viele Fragen (Menge an Vorlesungen VS ein einziges System; welcher Dozent hat Vorrecht – schon interessant, dass Prorektor Herbst, die Technik schon vorab verwendet; Unerlaubte Weitergabe des Zugangscodes; Nutzungskosten; Lizenzen; Datenschutz bezügl. Nutzung durch die Studierenden etc.). Würde ich toll finden, wenn ihr da dran bleibt.
Auf das “tele-TASK-Mobil” bin ich mal gespannt, wenn es neben mir an der Europa-Kreuzung steht, klingt ja umweltfreundlich (aber erstmal den nächsten Winter abwarten, ob der tTM-Fahrer das Wetter nicht doch scheut). Mal schauen, ob es sich um einen Uni-Mitarbeiter handelt.
Zu deinem Kommentar, Alexander: Auf die Mitarbeit kommt es sicherlich an und einige "elitär veranlagte" Dozenten, welche die Anwesenheitspflicht hochhalten und Anwesenheit mit aktiver Mitarbeit verwechseln, stellen sich immer quer. Die "Generation Internet 2.0" wird sich aber freuen.
Etwas schade finde ich deinen Fazit: „Auch könnten die Institute, die vom Einsturz bedroht sind, ihre Lehrveranstaltungen online abhalten.“ Gute Alternative, aber eher als Übergangslösung.
Dann aber schreibst du: „So könnte man die Sanierung von Gebäuden in der Innenstadt sicher weiter in die Zukunft verschieben. Es bleibt also zu hoffen, dass sich das System durchsetzt und rege genutzt wird.“ Natürlich soll sich das System durchsetzen – bitte. Aber nicht als Ersatzlösung um lange überfällige Sanierungen wieder zu verschieben (wenn nicht sogar zu verhindern). Wenn die Studentinnen und Studenten der betroffenen Institute (Amerikanistik/Anglistik, Historisches Inst., Slawistik, etc.) irgendwann alle zuhause oder in der UB vor dem Laptop sitzen und das Studium vereinfacht zum TV-Glotzen mutiert, wäre es einfach nur enttäuschend.
Interaktiv – ja, bitte. Einseitige Filmchenberieselung – nein, danke.