Demnächst selten in Greifswald: InterCity der Bahn

Demnächst selten in Greifswald: InterCity der Bahn

Die Deutsche Bahn will die IC-Verbindungen zwischen Rügen, Stralsund, Greifswald und Berlin ab Dezember von täglich fünf auf zwei Verbindungen reduzieren. Das bestätigte Bahn-Pressesprecher Burkhard Ahlert dem webMoritz auf Anfrage.  Endgültig werde diese Entscheidung zwar erst mit der Festlegung des neuen Fahrplans Ende dieses Monats. Da dieser aber weitgehend ausgearbeitet sei, werde es wohl so kommen.

Gestern hatte die SPD-Bundestagsabgeordnete Sonja Steffen aus Stralsund per Pressemitteilung über die Pläne informiert. Sie hatte auf Initiative eines Bürgers aus dem Wahlkreis bei der Bahn nach derartigen Plänen gefragt.

Nur noch zwei Fernzüge pro Tag und Richtung

Wie Bahn-Pressesprecher Ahlert ausführte, entfallen künftig alle IC Verbindungen bis auf den täglichen EuroCity aus bzw. nach Prag (aus Berlin an Greifwald 18:00, ab Greifswald in Richtung Berlin 12:00 Uhr) und einen weiteren Intercity (aus Berlin an Greifswald 16:00 Uhr, ab Greifswald in Richtung Berlin 10:00 Uhr). Somit wird es werktags weder die Möglichkeit geben, per InterCity nach Berlin zu fahren, noch die Möglichkeit, vormittags von Berlin zu kommen. Samstags und sonntags wird es bis zu zwei weitere Züge pro Tag und Richtung geben, diese fahren allerdings größtenteils nur in der Saison und zu bestimmten Anlässen (etwa Weihnachten).

Ahlert sagte, die beibehaltenen Züge hätten vor allem Touristen zur Zielgruppe. Die Züge, die jetzt wegfallen, seien größtenteils sehr schwach ausgelastet gewesen, meistens unter 30 Prozent. Damit könne man nicht wirtschaftlich arbeiten. Im Fernverkehr müsse die Bahn aber wirtschaftlich arbeiten, da es für diesen keine Zuschüsse gebe.

Entfallende Intercitys werden wohl nicht durch Regionalzüge ersetzt

Obergeschoss im Regional-Express: Eng und muffig.

Zuschüsse gibt es nur im Regionalverkehr. Das Land bestellt Verkehrsleistungen von Regionalzügen bei der Bahn (oder anderen Unternehmen). Das bedeutet: Wenn die wegfallenden Fernzüge ersetzt werden sollen, müsste das Land für sie weitere Regionalverbindungen bestellen und bezahlen. Weil die Mittel für solche Verbindungen im nächsten Jahr aber gekürzt werden, ist davon wohl nicht auszugehen. Eine weitergehende Anfrage beim zuständigen Ministerium war dem webMoritz heute nicht mehr möglich.

Es ist also wahrscheinlich, dass die Passagiere aus den entfallenden Fernzügen künftig als zusätzliche Fahrgäste in den bereits existierenden Regionalzügen auftauchen werden. Bahn-Pressesprecher Ahlert kündigte weiter an, dass auf besondere Ereignisse entlang der Strecke – etwa den Semesterstart in Greifswald – keine Rücksicht genommen werden könnte. Zusätzliche oder längere Züge seien nicht zu erwarten, dafür fehle es der Bahn an Kapazitäten.

Für die Fahrgäste zwischen Greifswald und Berlin heißt der Wegfall, dass in Zukunft zu vielen Tageszeiten nur noch Züge des Regionalverkehr genutzt werden können. Wer nach Berlin will, wird dann also nicht mehr zweieinhalb Stunden im Intercity reisen können, sondern darf drei Stunden im Regionalexpress Platz nehmen. Dort verkehren enge Doppelstockwagen, die zudem häufig überfüllt sind.

Sonja Steffen: Regional-Express ist unzumutbar

Für die Bundestagsabgeordnete Sonja Steffen (SPD) ist das ein Unding: Sie selbst sei oft auf der Strecke unterwegs und versuche stets, im Intercity zu fahren – denn die Regionalzüge seien eng und muffig. Sie sieht einen eklatanten Komfortverlust: „Gerade Fernreisenden, die etwa aus Frankfurt nach Vorpommern fahren, ist doch nicht zuzumuten, drei Stunden mit ihrem Gepäck im Regionalzug zu sitzen.“ In den Doppelstockwagen müsse man „im Obergeschoss den Kopf und im Untergeschoss die Füße einziehen“. Gepäck könne man ohnehin kaum unterbringen. Für

Für Steffen bedeutet die Entscheidung der Bahn „den langsamen Rückzug aus der Fläche. Vor zwei Jahren ging das los, als man uns die Nachtzüge weggenommen hat.“

Auch die Greifwalder Lokalpolitik sträubt sich gegen die Entscheidung der Bahn. Kaj Karpirinsky von den Grünen sagte dem webMoritz, die Bahn solle ihr Angebot attraktivieren anstatt es zu streichen. Im Kern fordert er neue Fahrzeuge für die Strecke, die besser beschleunigen und bremsen könnten, eine höhere Streckengeschwindigkeit, bessere Anschlüsse und bei geringer Auslastung kürzere Züge.

Zudem müsse erwogen werden, auf den InterCity-Zuschlag zu verzichten: „Die Züge sind kaum schneller, kosten aber deutlich mehr.“ Karpirinsky sieht zudem einen systematischen Fehler bei der Fahrgastberechnung: „Ganze Personengruppen werden ignoriert: Saisonverkehr und Studierende. Beide machen einen erheblichen Anteil an den Fahrgästen aus.“

Nächsten Dienstag: Podiumsdiskussion zum Thema

Die Grünen behandeln das Thema am nächsten Dienstag auf einer prominent besetzten Podiumsdiskussion. Ab 19 Uhr heißt es im Kulturzentrum St. Spiritus „Ausbauen statt Abhängen“. In der Veranstaltung, an der neben parteiinternen und lokalen Verkehrsexperten auch Ingulf Leuschel aus der Geschäftsführung der Bahn teilnimmt, soll es um Zukunftsmodelle für guten Bahnverkehr im ländlichen Raum gehen. Ingulf Leuschel war bei der Bahn zeitweilig selbst für den Fahrplan des Fernverkehrs zuständig und ist somit ein Kenner der Materie und der Problematik.

Fotos: Doppelstockwagen: user „Falk2“ via wikimedia (C-BY-NA), sonstige:webMoritz-Archiv