Im Interview mit dem webMoritz machte Professor Roland Rollberg deutlich, warum er am Diplomstudiengang Betriebswirtschaftslehre festhalten will. Der Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Produktionswissenschaft argumentierte bereits leidenschaftlich auf der Vollversammlung der Studierendenschaft gegen die Umstellung des Diploms auf Bachelor und Master.
Ein Beitrag von David Vössing
webMoritz: Herr Professor Rollberg, fast alle BWL-Studiengänge in Deutschland sind auf Bachelor und Master umgestellt. Wann zieht die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Uni Greifswald nach?
Professor Roland Rollberg: Wir streben keine Umstellung an, weil es die Vernunft verbietet, ein Erfolgsmodell gegen eine suboptimale Lösung einzutauschen. Der Bologna-Prozess ist gescheitert, und selbst frühere Befürworter gestehen dies langsam ein. Alle vor gut zehn Jahren formulierten Ziele, wie beispielsweise die Studienzeitverkürzung oder die internationale Durchlässigkeit, sind nicht erreicht worden, sondern wurden sogar in ihr Gegenteil verkehrt. Die Fakultäten sollten weiterhin frei über ihre Studienstrukturen entscheiden können; politische Reglementierung ist hier fehl am Platz.
webMoritz: Mit der Bologna-Reform, die Sie als gescheitert ansehen, sollten die Abschlüsse weltweit anerkannter werden. Verschließen Sie sich dieser Internationalisierung?
Rollberg: Nein, im Gegenteil! Im Ausland studieren zu können, hängt nicht vom Namen des Abschlusses ab, sondern vom Können der Studenten, die in der Regel Eingangsprüfungen an den ausländischen Universitäten zu bestehen haben. Der Diplom-Kaufmann ist weltweit bekannt, anerkannt und befähigt die Absolventen in der Regel zur Aufnahme eines ausländischen Master-Studiums. Ich selbst habe einen Master of Science in Großbritannien erfolgreich absolviert und kenne das System von innen. In Deutschland war man vor einigen Jahren empört, als die ersten deutschen Bachelorabsolventen im Ausland reihenweise nicht zum Master-Studium zugelassen wurden. Mich hat es nicht gewundert! Außerdem führen die verschulten Strukturen des neuen Systems dazu, dass nicht einmal Freiräume für einfache Auslandssemester verbleiben. Daher ist die Bereitschaft der Studenten, ins Ausland zu gehen, im neuen System deutlich zurückgegangen.
webMoritz: Die Studierendenvollversammlung, wo Sie sich vehement für das BWL-Diplom aussprachen, votierte für die Beibehaltung des Diploms, jedoch gab es auch Gegenstimmen. Diese kritisieren, dass mit unterschiedlichen Abschlüssen die Gleichberechtigung leide.
„Das ist doch absurd!“
Rollberg: Das hat doch mit Gleichberechtigung nichts zu tun. Jeder ist frei, den Studiengang zu wählen, der ihm am besten gefällt. So wie ich nichts dagegen habe, wenn jemand auf Bachelor studiert, sollte auch niemand etwas dagegen haben, wenn jemand auf Diplom studiert. Das ist das Gleiche, als forderte ein Einkommensloser aus „Gleichberechtigungsgründen“ die Armut aller Menschen. Das ist doch absurd!
webMoritz: Auf einer Internetseite der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät machen Sie den Bachelor nieder. Kritisieren Sie nicht auch damit die zahlreichen Bachelorstudiengänge, die an der Universität Greifswald angeboten werden?
Rollberg: Von „Niedermachen“ kann keine Rede sein. Es gibt nur einfach keinen einzigen Grund, das weltweit anerkannte Erfolgsmodell Diplomkaufmann/-frau der sogenannten. „Bolognarisierung“ zu opfern. Dort, wo es aus unserer Sicht sinnvoll ist, versperren wir uns nicht den neuen Studiengängen. So haben wir beispielsweise einen Bachelor of Arts (Nebenfachstudium Wirtschaftswissenschaften) und einen Master of Health Care Management (Aufbaustudium Gesundheitswirtschaft). In diesen beiden Fällen war die Umstellung sinnvoll. Der Diplom-Kaufmann aber darf im Sinne eines richtig verstandenen Qualitätsmanagements keinesfalls aufgegeben werden.
webMoritz: Vielen Dank für das Gespräch.
Foto: privat, Gabriel Kords (Professor Rollberg Vollversammlung [Aufmacherbilder])
Am Ende relativiert Herr Rollberg seine pauschalen Aussagen zum Bachelor ja schön.
Allerdings sollte er als Professor von Anfang auf eine ausgeglichenere Wortwahl an achten. "Der Bologna-Prozess ist gescheitert." Vor allem an solchen Aussagen (und den daran geknüpften Einstellungen)!
Unabhängig von der BWL-Diplom-Problematik: Ich bin froh, dass ich nur drei Jahre studieren muss, um einen Studienabschluss zu kriegen. Nicht zuletzt wegen meinem Geldbeutel. Aber auch, weil ich nicht erst mit 30 was richtiges arbeiten will. Ich finde den Stoff bei vielen Fächern zu locker und ineffektiv gestaltet. Wenn man mal ein bisschen von den Studierenden fordern würde, dann hätte man nach dem Bachelor auch inhaltlich wesentlich mehr drauf. Dann sollte allerdings auch die Studienfinanzierung ohne Nebenjob großflächiger funktionieren (Bafög).
Ich finde es immer wieder interessant wie Bachelor/Master Kritiker über Sachverhalte beschweren, an denen sie mit ihrem Verhalten selber nicht ganz schuldlos sind.
Ist es nicht so, dass die Einführung des Bachelors und Masters von Anfang vom universitären Dünkel abgelehnt wurde? "Qualitative Gründe" wurden zwar vorgeschoben, aber letztendlich ist nur dabei heraus gekommen, dass versucht wurde Diplomstudiengänge in ein Bachelorstudium zu stopfen u. das Masterstudium ja nicht jedem zugänglich zu machen.
Dass der Bachelor u. Master nicht nur Hinterhofabschlüsse sind zeigen entsprechend andere Länder, in denen die Menschen nicht sterben wie Fliegen, weil sie von Master-Ärzten behandelt wurden und auch leben sie nicht in Diktaturen mit ihren Bachelor-Juristen.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich es unglaublich finde, wie sehr sich die Taten und Aussagen von Prof. Rollberg doch unterscheiden. Die Umstellung auf den B.A. Teilstudiengang Wirtschaft war sinnvoll? Schön, aber warum sitzt man dann als ein solcher in den Vorlesungen von Prof. Rollberg und wird behandelt, als wäre man minderbemittelt? Da kommen dann so Aussagen, wie: "Ach sie hatten ja gar kein Produktionswirtschaft, naja dann holen sie das doch mal nach." Auf den ersten Blick, eine verständliche Aussage. Aber wenn man genauer hinschaut merkt man, dass man die komplette Vorlesung nachholen müsste, um überhaupt auf einem Stand zu sein, damit man verstehen kann um was es geht. Oder das sticheln seinerseits in Richtung der B.A.s, dass sie doch lieber mal Diplom studieren sollten, denn damit kann man nach dem Studium wenigstens was anfangen und muss kein Taxifahrer werden…
Und wie kann man von einer sinnvollen Umstellung sprechen, wenn man einfach einen Diplomstudiengang um ein Viertel kürzt und dann Bachelor drüber schreibt? Es kann doch nicht sein, dass die B.A.ler die gleichen Klausuren schreiben, wie die Diplomer (da wird sich noch nicht mal die Mühe gemacht den Kopf der Klausur zu ändern). Nach diesem Prinzip habe ich nun schon mein komplettes Vordiplom und die Hälfte des gesamten Diploms, obwohl ich doch "nur" ein B.A.ler bin.
Aber zurück zum Punkt: Es mag sein, dass es an unserer Universität nicht überall gelungen ist, den Bachelor auf solide Füße zu stellen. Das muss man man wohl der viel zu schnellen Umstellung anlasten. Aber wir sind in den meisten Studiengängen auf einem guten Weg! Die Dozenten und Organisatoren sind zumeist bereit viel Arbeit zu investieren, um den B.A. sinnvoller und studierbarer zu gestalten. Nur eine Fakultät sträubt sich dagegen und das ist diejenige, die sich damit brüstet den Bolognaprozess nur zu unterstützen, wenn es sinnvoll ist. Und das ist die größte Scheinheiligkeit, die es gibt!
*sign*
"Das ist das Gleiche, als forderte ein Einkommensloser aus „Gleichberechtigungsgründen“ die Armut aller Menschen."
Mhhh, erinnert mich irgendwie verdammt an die Programmatik der Linken 😀