Der Kampf um den Erhalt der Greifswalder Lehramtsstudiengänge geht in die nächste Runde. Am Donnerstag, dem 8. Juli, werden mehrere Busse um 7:30 Uhr vom Hauptbahnhof und um 7:45 Uhr vom Südbahnhof nach Schwerin fahren, um gegen den Abbau des Lehramts in Greifswald zu protestieren. An- und Abreise nach Schwerin ist kostenlos. Außerdem haben nach Angaben des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) die Dekane der Philosophischen und Theologischen Fakultät alle Studierenden an diesem Tag von den Universitätsveranstaltungen befreit. Das Studententheater StuThe wird in Schwerin mit dabei sein und mit einem Impro-Programm für Abwechslung zwischen den politischen Reden sorgen. Die Dekane der philosophischen und theologischen Fakultät werden ebenfalls in Schwerin anwesend sein. Als Redner tritt nach Aussagen Paula Zills, AStA-Referentin für Studium und Lehre, unter anderem Mathias Brodkorb (SPD) auf.
Der Streit um das Greifswalder Lehramt ist nicht neu. Bereits 2006 gab es Seitens der Landesregierung Planungen, die Lehramtsstudiengänge in Rostock zu konzentrieren. Damals sollte im Rahmen der Umsetzung der Bologna-Reform bei Lehramtsstudiengänge in Greifswald der Bachelor of Education und in Rostock der Master of Education eingeführt werden. Diese Pläne wurden durch einen anderslautenden Landtagsbeschluss aus dem Jahre 2008 ausgehebelt. Dieser besagt, dass keine Umstellung der Lehramtsstudiengänge auf das Bachelor/ Master-System erfolgen soll.
Vollständige Verlagerung des Lehramtsstudiums nach Rostock nicht ausgeschlossen
Im April dieses Jahres schloss das Bildungsministerium im Vorfeld der Verhandlungen um die Einigung auf eine neue Zielvereinbarung zwischen Land und Universität erstmalig eine vollständige Verlagerung des Lehramtes nach Rostock nicht mehr aus. Bereits in den vergangenen vier Jahren wurden mehrere Lehramtsstudiengänge geschlossen. So zum Beispiel die Sportwissenschaft, die Lehramtsstudiengänge für naturwissenschaftliche Fächer und ab 1997 das Grundschullehramt.
Insbesondere die Schließung des Lehramtsstudienganges Sport hatte die Schließung des Instituts für Sportwissenschaften zur Folge. Um weitere Szenarien dieser Art zu verhindern, formierte sich eine Protestbewegung gegen die Pläne des Bildungsministeriums in Greifswald. Diese wurde mit einer Mahnwache am 22. April eingeleitet. An dieser nahmen etwa 80 Menschen teil. Anlässlich des Girls Days besuchte auch Bildungsminister Henry Tesch an diesem Tag die Universitäts- und Hansestadt. Die vielfach das Grabeskreuz eines der zahlreichen bedrohten Fächer tragenden Studentinnen und Studenten suchten das Gespräch des Bildungsministers.
Dieser erklärte damals, dass niemand vor habe, das Lehramt in Greifswald „ad hoc abzuschaffen“. Es ginge lediglich um eine Konzentration des Lehramtes in Rostock, was nicht mit einer Schließung der Lehramtsstudiengänge einhergehen müsse. Angesichts der Tatsache, dass diese Konzentration in den Jahren 2006 bis 2010 durch die Verlagerung der Lehramtsstudiengänge für die Grundschule, Naturwissenschaften und Sport nach Rostock bereits erfolgt ist, erschien dies zahlreichen Studierenden wenig glaubwürdig.
Podiumsdiskussion brachte keine neuen Erkenntnisse zu Tage
Der Allgemeine Studierendenausschuss veranstaltete aus diesem Grund am 10. Mai eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Lehramtsstudiengänge in Greifswald. Geladen waren der Bildungsminister Henry Tesch (CDU), Dekan der Philosophischen Fakultät Professor Alexander Wöll, Prorektor Professor Michael Herbst, Vertreter der Landeskonferenz der Studierendenschaften (LKS) Thomas Schattschneider, Landes- und Kommunalpolitiker der FDP Sebastian Ratjen, sowie bildungspolitischer Sprecher der Linkspartei Professor Wolfgang Methling und SPD-Kreisvorsitzender Christian Pegel. Tesch wurde an diesem Tag durch seinen Staatssekretär Udo Michallik vertreten.
Die Diskussion brachte jedoch keine neuen Erkenntnisse zu Tage. Es wurde lediglich deutlich, wo die Redner auf dem Podium zu diesem Thema stehen.
Aufgrund weiterhin fehlender positiver Signale aus dem Bildungsministerium folgte anschließend die Organisation einer Großdemonstration für den Erhalt der Lehramtsstudiengänge in Greifswald. Sie hatte – für Greifswalder Verhältnisse – eine hohe Beteiligung zu verzeichnen. Es nahmen 500 Studierende an der Protestaktion teil. Neben „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut“ fielen auch Sprüche wie „Meck, Meck, Meck, Tesch muss weg!“
Greifswalder Positionspapier stößt auf Anerkennung und Lob
Der Ton wurde spürbar energischer. Doch alleine durch Proteste könne man diesen Kampf nicht gewinnen, meinten zumindest einige Studierende, die Mitglied im AStA oder StuPa sind. Sie erarbeiteten ein Positionspapier der Greifswalder Studierendenschaft zur zukünftigen Lehramtsausbildung an der Universität Greifswald. Das Papier stieß auf überwiegend positive Resonanz. So lobte Senatorin Professor Maria Theresia Schafmeister das Dokument als „ausgezeichnet“. Sie kündigte an, dass das Papier auch im Senat besprochen werden würde. Auch Studiendekan Professor Patrick Donges stellte sich hinter die Studierendenschaft.
Der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät stärkte den Verfassern des Positionspapiers ebenfalls den Rücken. So heißt es in dem mehrheitlich angenommenen Beschluss:
„Der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät begrüßt und unterstützt mit großem Nachdruck das Positionspapier der Studierendenschaft der Universität Greifswald und bekennt sich zur Fortführung und zum Ausbau der Lehrerbildung an der Universität Greifswald.“
Doch auch innerhalb der Landesregierung stießen die Studierenden nicht auf taube Ohren. Während der Übergabe des Positionspapiers an Ministerpräsident Erwin Sellering eröffnete dieser Paula Zill und dem webMoritz gegenüber, dass er sich um ein Treffen zwischen den Vertretern der Studierendenschaften in Rostock, Greifswald und dem Bildungsministerium bemühen werde. Zudem müsse „geprüft werden, ob die Pläne des Bildungsministeriums den Interessen des Landes entsprächen“ so Sellering im Gespräch mit dem webMoritz.
Auch Udo Michallik, Staatssekretär des Bildungsministeriums, äußerte sich positiv über die Qualität des Papiers. So geht aus einer E-Mail an die amtierende AStA-Vorsitzende Daniela Gleich hervor, dass das Bildungsministerium das Greifswalder Konzept zur Lehramtsausbildung mit in die Überlegungen des Ministeriums mit einbeziehen wolle. „Sie werden gewiss in weiteren Gesprächen zu den Zielvereinbarungen eine wichtige Rolle spielen“. Zudem sehe Michallik „weiteren konstruktiven Beratungen gespannt entgegen.“
Kritik aus Rostock
Von Rostock hagelte es hingegen zunächst Kritik. In einer offiziellen Stellungnahme von Anne-Katrin Wilking und Carolin Miesorski, beide Vertreterinnen der studentischen Lehramtskonferenz, geht hervor, dass das Positionspapier aus Greifswald „kein Perspektivplan, sondern ein Offenbarungseid“ sei, in dem mit „falschen Zahlen“ hantiert würde. Zudem ginge es den Greifswaldern nach Aussagen der beiden SLK-Vertreterinnen „einzig und allein um Besitzstandswahrung.“ In Greifswald war man angesichts des rauhen Tons, welcher in dem Schriftstück angeschlagen wurde, überrascht. Schließlich gab es in den vergangenen Jahren immer eine sehr gute Zusammenarbeit mit studentischen Vertretern aus Rostock, meinten die Verfasser des Greifswalder Positionspapiers gegenüber dem webMoritz.
Unabhängig davon fuhr das Rektorat der Universität Rostock ebenfalls schwere Geschütze auf:
„Viele Rostocker Lehramtsstudierende sind über die kampagnenartig vorgebrachten Fehlinformationen der Greifswalder Studierendenschaft verärgert und erwägen Gegendemonstrationen vor dem Schweriner Schloss“, sagte der Studentische Prorektor der Rostocker Universität, Heiko Marski. Die Konzentration auf Jura in Greifswald und auf Lehrerbildung in Rostock ist eine hochschulpolitische Tatsache, die jede vernünftige, tragfähige und zukunftsweisende Entscheidung in Rechnung stellen muss. Jedes Abgehen davon verringert die Effizienz, erhöht die Kosten und schadet der Profilbildung. Der Verzicht auf das Jurastaatsexamen in Rostock hätte nur dann einen Sinn gehabt, wenn im Gegenzug Rostock konsequent zum Zentrum für die Lehrerausbildung in Mecklenburg-Vorpommern ausgebaut wird.“
Sowohl während der Demonstration in Greifswald für den Erhalt der Lehramtsstudiengänge, als auch während der Podiumsdiskussion entgegnete Prorektor Professor Michael Herbst, dass man den Mythos Rostock begraben müsste. Greifswald habe während der Zeit, als die Rechtswissenschaften in Rostock stark abgebaut wurden, alle naturwissenschaftlichen Fachkombinationen für das Lehramt an Rostock abgeben müssen.
AStA Rostock ruft zur Mäßigung
Dem AStA Rostock ist dagegen wenig an einem Streit zwischen den Vertretern der Studierendenschaften in Rostock und Greifswald gelegen und ruft zur Mäßigung. Phillip da Cunha, AStA-Vorsitzender der Universität Rostock, hoffe, dass man an einer für nächsten Dienstag anberaumten gemeinsamen Sitzung mit Vertretern der Uni Greifswald eine konstruktive Lösung finde. „Ich bin an einer gemeinsamen Lösung für beide Universitäten sehr interessiert“, erläuterte da Cunha dem webMoritz gegenüber. „Eine Gegendemo in Schwerin wird es nicht geben“, sagte der AStA-Vorsitzende in Bezug auf die Aussagen der Pressemitteilung des Rektorats der Uni Rostock.
Aus einem Gespräch mit den Verfassern des Greifswalder Positionspapiers ging ebenfalls hervor, dass man an einer tragbaren Lösung für beide Universitäten interessiert sei. An einer Aufkündigung der bisherigen konstruktiven Zusammenarbeit und den positiven Beziehungen der beiden ASten untereinander sei man in Greifswald ebenso wenig interessiert.
Trotz des vielen Lobes aus der Landesregierung, speziell aus dem Bildungsministerium, blieb eine klare Zusage für einen Erhalt der Lehramtsstudiengänge bislang aus. Stattdessen schrieb die Ostsee Zeitung am 2.Juli 2010, dass das Bildungsministerium ein „Ende der Lehrerausbildung“ empfehle. Für Greifswald sei lediglich das Fach „Kunst und Gestalten“ im Lehramtsmodus vorgesehen. Somit schwebt nach wie vor das „Damoklesschwert Lehrerbildung“ über Greifswald.
Bilder: Carsten Schönebeck (Thomas Schattschneider, Mahnwache, Demo Greifswald), Daniel Focke (Logo Demoaufruf)
„Viele Rostocker Lehramtsstudierende sind über die kampagnenartig vorgebrachten Fehlinformationen der Greifswalder Studierendenschaft verärgert (…)"
na, nu… mich als greifswalder lehramtsstudent verärgert die im Positionspapier gehäuft auftretende Schönrederei bezüglich der Qualität unserer Fachdidaktiken. und nicht nur dort…
ich hab das positionspapier gelesen und war hernach reichlich verärgert und irritiert.
wäre ich an Stelle der Uni Rostock, ich wollte die Greifswalder Studierendenschaft nicht geschenkt.