Ein Kommentar von Julia Löcherbach
Die selbst ernannte Fahrradhauptsstadt, die wir alle unser mehr oder weniger freiwilliges Zuhause nennen, versinkt im Schneechaos! Zumindest für Radfahrer und zu einem geringeren Teil für Fußgänger ist ordentliches Durchkommen in den letzten Tagen unmöglich. Die Straßen sind nicht geräumt, weil die Stadt kein Salz hat und aus diesem Grund sogar empfiehlt, aufs Rad zu verzichten. Diese Forderung ist aber in den Augen der meisten Studenten mehr als lächerlich. Denn wer früh morgens eine Veranstaltung am anderen Ende der Stadt besuchen möchte, der nimmt nicht einen dreiviertelstündigen Fußmarsch in Kauf. Gleiches gilt für das Erreichen von Vorlesungen tagsüber, wo die halbe Stunde Pause den Rest des Jahres sogar noch knapp für einen Zwischenstop in der Mensa reicht.
Das Problem, dass man sich auf den Drahtesel verlassen muss und damit auch auf befahrbare Straßen und Radwege, bleibt also bestehen. Die Eisflächen auf den Straßen, die oft unsichtbar unter dem dreckigen Schnee verborgen sind, machen das unfallfreie Fahren zur Unmöglichkeit. Selbst die berühmte Fahrradstraße Petershagenallee ist von solchen Gletscherspalten überzogen. Wenn das Eis einmal kein Problem darstellt, so liegt zentimeterdicker Schnee, der das Fortkommen stark erschwert und auch wenn sportliche Betätigung nach dem Weihnachtsfest gesund ist, so kann man sich angenehmere Formen vorstellen. Eine weitere Erschwernis sind die Autofahrer, die es nicht einzusehen scheinen, dass man bei so ein bisschen „Wasser“ auf der Straße die Geschwindigkeit merklich unter 50 km/h reduzieren und/oder Rücksicht auf die schlitternden Radfahrer mitten auf der Straße nehmen sollte. Den gegenteiligen Exemplaren, die Schrittgeschwindigkeit auch außerhalb von Spielstraßen fahren, begegnet man nur, wenn man eine Straße queren möchte und sich die kalten Beine in den Bauch steht.
Sollte sich der clevere Radfahrer aufgrund dieser unhaltbaren Zustände trauen, auf dem Gehweg zu fahren, so bleiben ihm zwar die Autos erspart, aber es tun sich Probleme ganz anderer Natur auf. Vorteil ist, dass die Bürgersteige der Nation gemäß dem deutschen Ordnungssinn oft penibelst freigefegt sind. Dort wo ein Verantwortlicher fehlt, sind die Übergänge von einem Grundstück zum nächsten wie mit dem Lineal gezogen und man holpert mit dem Rad über die zentimeterhohen Grenzen. Der Wechsel zwischen manövrierfähigem Untergrund und unpassierbarem Schneematsch machen den Weg zur Uni erst zum interessanten Erlebnis.
Auf den Gehwegen muss man sich allerdings die missbilligenden Blicken ihrer eigentlichen Herrscher gefallen lassen. Die meisten lassen einen geplagten Radfahrer freundlich vorbei, aber es gibt genügend, die absichtlich mitten auf dem Gehweg laufen, so dass kein Durchkommen möglich ist. Als Radfahrer hat man dann die Möglichkeit, den Störenfried oder einen anderen Fußgänger mehr oder weniger absichtlich über den Haufen zu fahren oder einen Umweg mit Schieben in Kauf zu nehmen.
Den Gipfel der schneebezogenen Aufreger bilden Hundebesitzer, die ihre Lieblinge frei in den freigeschaufelten Rinnen laufen lassen und so eine Schlange an Radfahrern produzieren, die geduldig warten, dass der Hund endlich abbiegt. Denn zurückgerufen wird er von Herrchen oder Frauchen ja nicht.
Als vor fünf Jahren ein gefühlter Meter Schnee innerhalb weniger Tage fiel, gab es fast durchgängig freie Fahrt, was bedeutet, dass der Schnee an sich nicht das Problem ist, sondern die fehlende „Verarbeitung“ desselben. Gerade weil sich Greifswald neuerdings als Fahrradhauptstadt bezeichnet, sollte man erwarten, dass dies mittlerweile reibungslos funktionieren sollte.
Bilder: Jörg Dornblut (Fahrradständer, unter CC-Lizenz), Gabriel Kords (Lange Straße)
Sehr schön, ganz meine Meinung! Im Übrigen fällt es schon auf, dass, wenn man (mit dem Auto) die Greifswalder Stadtgrenze überfährt, die Verhältnisse auf der Straße von "geräumt und gestreut" in "schlecht geräumt und nicht gestreut" wechseln. Das ist peinlich für die viertgrößte Stadt im Land!
"Den Gipfel der schneebezogenen Aufreger bilden Hundebesitzer, die ihre Lieblinge frei in den freigeschaufelten Rinnen laufen lassen und so eine Schlange an Radfahrern produzieren"
Wenn Frauen von DIngen erzählen die in Ihren Köpfen so deutlich sind weiss ich oft nicht was gemeint ist… 😉
Der Hund läuft in der Fahrrinne und es bildet sich eine Schlange von Radfahrern, die nicht vorbeifahren können. Was ist an der Formulierung undeutlich?
Was hat dein Unvermögen mit Frauen zu tun?
ich finde es ebenfalls eine frechheit was sich die stadt da erlaubt. was ist das denn für eine begrüngung, dass wenn das salz alle ist die straßen nicht geräumt werden können? man kann doch trotzdem den schneematsch wegschieben und eine hand sand drauf werfen. die greifswalder einwohner mit bürgersteig vorm eigenheim schaffen es ja auch die wege vor centimeter dicken eiskrusten zu bewahren (großes lob an die jenigen). und dann 1€ jobber die die eisinseln auf den straßen mühsam entfernen nicht bezahlen wollen, weil die eigentlich für andere zwecke genutzt werden sollen. wirklich dreist. genauso wie die aufforderung das fahrrad stehen zu lassen: lächerlich bei diesem nahverkehr. am liebsten würde ich die stadt verklagen. dummerweise habe ich mir diesen winter noch nichts gebrochen. aber bei den bedingungen stehen die chancen darauf ja garnicht so schlecht.
"und dann 1€ jobber die die eisinseln auf den straßen mühsam entfernen nicht bezahlen wollen, weil die eigentlich für andere zwecke genutzt werden sollen. wirklich dreist."
Der Knackpunkt bei der Sache ist, dass es vor der ALG2 Gesetzgebung die Stadt oder ein beauftragtes Unternehmen für die Zeit Leute hätte einstellen müssen und somit auch Lohn plus abgaben in die Sozialkassen zahlen müssen. Deswegen ist der Einsatz der soggenanten "1€ Jobber" illegal da so Arbeitsplätze nicht geschaffen sondern verhindert werden!
Jetzt weiß ich endlich, warum bei Dunkelheit so viele Radfahrer ohne Licht unterwegs sind. Sie wollen sich lediglich unerkannt an den potentiellen menschlichen Hindernissen vorbei schleichen.
Heute Abend machte ich mir den Spaß und zählte einmal mit. Auf der Fahrt vom Berufsbildungswerk bis zum Bahnhof konnte ich insgesamt 29 fahrende Fahrradfahrer ausmachen, von denen nur neun mit mindestens einem funktionierenden Licht unterwegs waren. Es ist sogar wahrscheinlich, dass ich noch ein paar Radler ohne Licht übersehen habe.
Und wenn uns die Witterung Schnee und Eis beschert, kann man sich sicher zu Recht über nicht beräumte Wege und Straßen beschweren, berücksichtigen muss man die Gegebenheiten dennoch – egal ob man mit dem Auto, dem Fahrrad oder als Fußgänger unterwegs ist. Und ein auf der Straße umherschlitternder Fahrradfahrer sollte nicht nur von seinem „Hauptfeind“ mehr Rücksicht erwarten, sondern schon aus eigener Sicherheit selbst wie von anderen erwartet handeln. Also auch einmal absteigen und sein Fahrrad ein paar Meter schieben oder etwas mehr Zeit einplanen oder vielleicht sogar ausnahmsweise auf seinen Drahtesel verzichten und evtl. auf den Bus umsteigen.
Pico Rasel
Das Radfahren ohne Licht ist ein Problem und ich finde es unverantwortlich, dann auch noch auf der Straße zu fahren. Das hat jedoch nichts damit zu tun, dass man auf den Bus umsteigt. In meinem Fall z.B. wäre die nächste Haltestelle genau vor der Uni – super!