Kurz vor Weihnachten führten die moritz-Medien ein Interview mit Jan Steyer von der Initiative „Uni ohne Arndt“ und Marco Wagner von der Arndt AG Greifswald. Ein Auszug des Gesprächs erschien Anfang Januar im moritz-Magazin, MoritzTV hat ebenfalls einen Teil des Interviews veröffentlicht. Das Video findet ihr weiter unten.

Uns ging es dabei insbeondere um den stattfindenden hochschulpolitischen Prozess rund um die Urabstimmung und die anstehende Senatsentscheidung. Das Gespräch führten Alexander Müller, Daniel Focke und Carsten Schönebeck.

webMoritz: Im Januar steht die erste Urabstimmung in der Geschichte der Universität Greifswald an. Was ist von euch noch an Aktionen geplant um die Massen zu mobilisieren?

Jan Steyer: Wir wollen den Namen Ernst-Moritz-Arndt-Universität abschaffen, haben daher bis zur Urabstimmung vor, mit Infoständen die Menschen zu informieren. Kurz vor der Abstimmung wird es auch einige Plakataktionen geben. Momentan arbeiten wir gemeinsam mit der Pro-Arndt-AG an einer Zeitung, die Argumenten für und gegen Arndt beinhalten soll. Außerdem wird es noch einige verbale Zusammentreffen der beiden AGs, wie kürzlich beim Debattierclub, geben.

Marco Wagner: Solche Informationsaktionen planen wir natürlich auch. Auch nach der Urabstimmung wird es noch weiter Veranstaltungen geben. Das Thema ist dann ja noch nicht erledigt, am Ende entscheidet ja der Senat. Unter anderem wird es ja noch eine zweite Anhörung geben, bei der auch die Greifswalder Bevölkerung eingeladen wird.

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v.l.n.r. Daniel Focke, Jan Steyer, Marco Wagner, Alexander Müller, Carsten Schönebeck

webMoritz: Warum betreibt ihr überhaupt so einen großen Aufwand, um eine letztendlich rein symbolische Abstimmung?

Marco Wagner: So symbolisch ist die Urabstimmung gar nicht. Die Vollversammlung im Sommer, bei der die Studierendenschaft den Namen abgelegt hat, hatte so große Signalwirkung, dass der Senat eine eigene Kommission zur Namensfrage eingesetzt hat. Genauso hoffen wir, dass die Urabstimmung entsprechend Druck auf den Senat ausüben wird, so dass diese entsprechend für oder gegen den Namen entscheidet. Die Urabstimmung ist also bei Weitem nicht bedeutungslos.

Jan Steyer: Und das Interesse ist ja auch da! 1200 Studierende waren auf der letzten Vollversammlung, davon haben 95 Prozent für den Antrag auf eine Umbenennung gestimmt. Wir merken bei unseren Veranstaltungen und auf unserer Website und dem webMoritz wie viel Rücklauf wir haben. Jetzt wollen wir noch diejenigen erreichen, die sich noch nie mit Arndt beschäftigt haben, an denen das Thema bisher vorbeiging . Auch jene sollen erkennen, wie wichtig es ist, an der Abstimmung teilzunehmen. Das kostet keine große Zeit.

webMoritz: Mit welcher Wahlbeteiligung rechnet ihr?

Jan Steyer: Bei der letzten StuPa-Wahl am Anfang diesen Jahres sind 1500 Studierende zur Wahl gegangen. Wenn wir diese Zahl knacken und nochmals um 600 Stimmen erhöhen können, haben wir schon viel erreicht. Wir peilen die 20-Prozent-Marke an, alles darüber ist super. Dann stellt sich natürlich die Frage, wie das Votum ausgeht. Da sind wir sehr optimistisch, da die Argumente für Arndt äußerst schwach sind und die gegen Arndt wesentlich schwerer wiegen. Wir wollen, dass mindestens 60% der Studenten gegen den Namen stimmen.

Marco Wagner: So schwach schätze ich die Argumente für Arndt nicht ein. Wobei die Argumente für eine Ablegung des Namens natürlich einiges Gewicht haben.

webMoritz: Was ist mit den restlichen 80 Prozent? Interessiert sie der Namenspatron der Universität nicht?

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Marco Wagner von der Arndt AG

Marco Wagner: Ich denke, das ist eher ein generelles Problem der Studierenden, wenn es um Politik geht. Bei der StuPa-Wahl haben wir ja genau das gleiche Problem.Viele denken, das bringt sowieso alles nichts, am Ende entscheidet eh das Rektorat oder der Senat. Sicherlich gibt es auch einige die das Thema nicht interessiert. Aber durch das Zusammenfallen von StuPa-Wahl und Urabstimmung hoffen wir, dass die Wahlen einiges an Attraktivität gewinnen.

Jan Steyer: Im Gegensatz zu einer Bundestagswahl sind die Auswirkungen einer Abstimmung auf der Universitätsebene sehr gering. Dadurch kriegen viele gar nichts von den Wahlen mit. Da kämpfen das Studierendenparlament, der Allgemeine Studierendenausschuss und auch wir gegen an. Daher können wir nur appellieren, geht zur Wahl, gebt eure Stimme ab, denn was dort im Januar entschieden wird, betrifft noch Generationen von Studierenden nach uns!

webMoritz: Am Ende ist es ja der Senat, der über eine Namensablegung entscheidet. Dessen Entscheidung beruht auf der Empfehlung der eingesetzten Namenskommission. Glaubt ihr wirklich, dass eine Urabstimmung unter Beteiligung von einem Fünftel aller Studierenden auf diese Gremien großen Druck ausüben kann?

Jan Steyer: Ich bin schon der Meinung, dass so Druck erzeugt wird, weil es die Diskussion am Leben erhält. Auf diese Weise wird das Thema nicht irgendwo am Rande behandelt, sondern viele müssen sich einen Kopf über ihre eigene Position machen. Wir müssen dem Senat ganz klar sagen: Wir wollen mitentscheiden. Daher müssen wir alle Mittel, die es gibt, nutzen. Eine Urabstimmung ist etwas völlig Neues in der Geschichte unserer Uni. Das hat es nie gegeben, das hat bisher noch keiner ausprobiert. Wir wollen beweisen, dass die große Beteiligung an der letzten Vollversammlung keine Eintagsfliege war, sondern dass wir in den letzten Monaten auch Leute wachgerüttelt haben, die sich jetzt mit dem Thema Arndt beschäftigen.

Marco Wagner: Der Druck wird dadurch erhöht, wenn viele Menschen zur Urabstimmung gehen. Je mehr desto besser. Wenn es uns nicht gelingt die Wahlbeteiligung zu steigern, ist natürlich wirklich fraglich wie sehr sich der Senat beeinflussen lässt. Das kann ich nicht einschätzen. Ich hoffe aber, dass wir die 20 Prozent knacken können und dann ist das sicher ein Zeichen.

webMoritz: Wie bewertet ihr die Namenskommission des Senats?

Jan Steyer: Uni-ohne-Arndt sieht die Kommissionsbesetzung sehr kritisch. Die Positionen pro Arndt sind in der Kommission klar in der Mehrheit. Die wollen das Problem aussitzen. Wir werden uns das Ergebnis genau ansehen und werden gucken, ob sich differenziert mit der Thematik auseinander gesetzt wurde oder ob nur die Positionen vertreten werden, mit denen man in die Kommission reingegangen ist. Wenn das so sein sollte, hätten wir uns die Kommission auch sparen können! Wir wünschen uns jedenfalls ein anderes Ergebnis, als den Text zu Arndt auf der Uni-Homepage. Denn der ist wirklich grottig. Deswegen will auch kein Autor seinen Namen drunter setzen.

Marco Wagner: Wir sehen das etwas anders. Ich glaube nicht, dass man bei allen Mitgliedern der Kommission einschätzen kann, wer dafür oder dagegen ist. Aber das die Komission so einseitig ist, glaube ich nicht. Bei den wenigsten ist das wirklich bekannt. Ich glaube aber auch, dass wenn man für Arndt ist, man trotzdem eine gute und seriöse Arbeit abgeben kann. Ich glaube kaum, dass diese Wissenschaftler den Antisemitismusaspekt ignorieren und Arndt als den größten Helden feiern werden. Das wäre sehr merkwürdig.

Jan Steyer: Aber wir sehen doch an dem Text auf der Homepage, dass die Wörter Antisemitismus und Rassismus darin überhaupt nicht vorkommen. Stattdessen wird von Vorurteilen und latenter Judenfeindlichkeit gesprochen. Wenn die Stellungnahme der Kommission genauso aussehen sollte, hätten wir uns die Kommission sparen können.

webMoritz: Was macht ihr eigentlich, wenn der Senat genau das Gegenteil vom dem beschließt, was ihr jeweils wollt?

Marco Wagner: Das ist eine gute Frage. Letztlich ist das eine Entscheidung des Senats, da können wir dann höchstens noch entsprechende Protestbriefe an den Senat schreiben. Wir würden unser Informationsangebot weiter aufrecht erhalten und darüber informieren, dass die Uni den Namen einmal getragen hat und welche Position wir damals hatten. Das ist natürlich nicht, dass wir wollen, aber wenn der Senat das entscheidet sehe ich wenige Möglichkeiten da noch etwas zu machen.

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Jan Steyer von Uni ohne Arndt

Jan Steyer: Wir haben ein klares Votum der Studierendenschaft hinter uns. Entsprechend sehen wir uns auch gebunden daran und werden unsere Initiative auch weiterführen. Selbst wenn es im Senat eine Mehrheit geben sollte, die für die Beibehaltung des Namens ist. Das Thema kann nicht einfach weggeschoben werden, wir, die Studierenden, dürfen uns nicht einfach abbügeln lassen!

webMoritz: Was macht denn überhaupt einen guten Namenspatron aus?

Jan Steyer: Ein guter Namenspatron sollte eine Vorbildfunktion haben. Er sollte auch im Hier und Jetzt für die Studierenden und Lehrenden die Möglichkeit bieten, sich an ihm zu orientieren. Das ist bei Arndt nicht gegeben, der war Zeit seines Lebens rückwärts gewandt. Wir brauchen jemanden, der uns in die Zukunft blicken lässt.

Marco Wagner: Wir sind auch der Meinung, dass ein Namenspatron ein Vorbild sein muss. Aber es darf nicht in einer göttergleichen Götzenverehrung enden. Es gibt niemanden der generell nur Gutes geleistet hat.

webMoritz: Darf man denn bei der Beurteilung eines Menschen eine simple Plus-Minus-Rechnung aufmachen? Oder gibt es Dinge, die, wenn sie einmal in der Welt sind, so schwer wiegen, dass sie nicht wieder wettzumachen sind?

Marco Wagner: Die Frage ist, wie man mit solchen Sachen umgeht. Wir müssen die positiven Aspekte Arndts ehren, wie beispielsweise seinen Einsatz für die Abschaffung der Leibeigenschaft, dürfen aber die negativen Aspekte nicht vergessen. Wir müssen uns auch mit seinem Negativwerk auseinandersetzen und dieses auch als Mahnung sehen.

Jan Steyer: Wir haben mit unserer Internetseite ja versucht zu zeigen, was die positiven Aspekte Arndts sind. Die sind sehr gering und, was den wissenschaftlichen Bereich angeht, kaum da. Man muss aber den ganzen Arndt sehen. Man kann ihm nicht einfach drei Haare rausreißen und sagen: Guck mal, hier setzt sich Arndt für den deutschen Wald ein und das ist jetzt repräsentativ. Arndt hat Zeit seines Lebens gegen Frankreich und gegen die Juden gehetzt und das ist entscheidend.

webMoritz: Wie steht es eigentlich um die Außenwirkung des Namenspatrons? Schadet der Streit um Arndt der Universität, wenn es so viele negative Schlagzeilen gibt?

Marco Wagner: Nicht der Streit selber schadet, sondern dass immer auf dem Antisemitismus und dem Rassismus rumgeritten wird. Es gab jede Menge Leute im 19. Jahrhundert, die rassistisch gedacht haben und heute verehrt werden. Sollen wir jetzt aufhören Kant zu ehren? Die Einseitigkeit der Diskussion schadet der Außenwirkung am meisten.

webMoritz: Woran genau liegt denn die Einseitigkeit der Debatte?

Marco Wagner: Rassismus und Antisemitismus liefern einfach die besseren Schlagzeilen. Das zieht mehr, als wenn man den Leuten mit der Bauernbefreiung kommt.

webMoritz: Warum wird die Debatte so erbittert geführt und warum so sehr auf persönlichem Niveau?

Marco Wagner: Das hängt damit zusammen, dass viele mit der Art und Weise wie die letzte Vollversammlung abgelaufen ist, nicht einverstanden waren. Diese Leute schlussfolgern dann daraus, dass Uni-ohne-Arndt immer so vorgeht, wie damals. Und ich muss ihnen da teilweise recht geben. Ich habe oft den Eindruck dass Uni-ohne-Arndt sich nicht sehr intensiv mit dem Texten auseinandersetzen will.

webMoritz: Fehlt es der Pro-Arndt-AG an eigenen Argumenten, so dass sie sich jetzt auf die Schwächen der Gegner stürzen muss?

Marco Wagner: Nein, unsere AG tut das überhaupt nicht. Wir haben relativ viel vorgebracht, wie man auch auf unserer Homepage nachlesen kann. Da brauchen wir uns nicht auf unsere Gegner stürzen.

Jan Steyer: Ich finde man hat gerade bei der Veranstaltung im Debattierclub vor ein paar Wochen gesehen, wie sehr einige Leute einfach nur mal Dampf ablassen wollen. Man konnte an den Redebeiträgen sehr gut merken, wie viel angestaute Wut auch gegen Sebastian Jabbusch immer dabei ist. Wir haben versucht, im Nachhinein noch einmal auf die Redebeiträge des Abends auf unserer Homepage einzugehen. Denn es waren einige neue Aspekte dabei, an die noch keiner gedacht hat. Kritik ist immer berechtigt, aber sie sollte sachlich sein.

webMoritz: Warum hat sich Pro-Arndt eigentlich so spät gegründet? Ist sie die typische parteipolitische Reaktion, dass wenn von links ein guter Vorschlag kommt von mitte-rechts gegengesteuert wird?

Marco Wagner: Nein, unsere AG ist eine Folgeerscheinung der Vollversammlung. Wir haben vorher nicht gewusst, was da auf uns zukommt. Es gab nicht wenige, die die Art und Weise der Vollversammlung als gezielte Demagogie betrachteten. Aus dieser Konsequenz sagten wir uns dann, jetzt müssen wir wirklich was machen und gegensteuern. Schließlich sind in unserer AG nicht nur RCDS-Mitglieder.

Jan Steyer: Ich finde es ganz gut, dass es eine Pro-Arndt Gruppe gibt, auch wenn sie vom RCDS unterstützt ist. Denn so gibt es Leute, die sich vom rechtsextremen Rand abgrenzen, der ja auch Arndt für sich beansprucht. So belegen sie eine Position, die sonst das rechtsextreme Lager beansprucht hätte.

webMoritz: Gibt es schon Ideen seitens Uni-ohne-Arndt für einen neuen Namen?

Jan Steyer: Wir wollen den Namen abschaffen. Was dann passiert, muss in einem größeren Rahmen geschehen. Das würden wir auch nicht vorgeben wollen, da sind alle gefordert. Eine gute Möglichkeit wäre, eine Art Wettbewerb um einen neuen Namen zu veranstalten. Es ist aber müßig, sich über künftige Namenspatrone zu unterhalten, solange der alte noch nicht weg ist.

webMoritz: Wenn ihr in der jeweils anderen Initiative wäret, was würdet ihr besser machen?

Marco Wagner: Ich würde mehr die Pro-Argumentation miteinbeziehen. Außerdem würde ich mich weniger auf Professoren, als vielmehr auf Arndts Werke selber beziehen.

Jan Steyer: Wenn ich in der Pro-Arndt-AG wäre, würde ich die Abgrenzung gegenüber den extrem Rechten weiter ausbauen. Da ist Pro-Arndt bisher viel zu weich und ausweichend. Ich würde viel mehr betonen: wenn ihr für Arndt und seinen Antisemitismus seid, dann habt ihr mit uns nichts zu schaffen! Und ich würde dafür sorgen, dass die AG endlich mal loskommt vom RCDS. Ich würde die AG öffnen und aufhören, da eine hochschulpolitische Geschichte kurz vor der StuPa-Wahl draus zu machen.

webMoritz: Vielen Dank für das Gespräch.

Fotos:

Interview – Patrice Wangen

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