Viele Greifswalder Radfahrer dürften in den letzten Wochen Bekanntschaft mit den Beamten des Verkehrsüberwachungsdienstes der Polizei gemacht haben, die seit einiger Zeit an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet verstärkt Radfahrer kontrollieren. Die Bandbreite möglicher Vergehen ist dabei weit gefächert: Das Fahrrad kann nicht den Vorschriften entsprechen, es kann der falsche Weg benutzt worden sein oder die Beamten nehmen Anstoß an rücksichtsloser Fahrweise. Dass Rotlicht- und Vorfahrt-Verstöße ebenfalls geahndet werden, versteht sich von selbst.

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Dieses hübsche Motiv hat die Stadt aufgehängt.

Gestern setzte die Stadtverwaltung mit einer Pressemeldung aber noch einen drauf: Die Radfahrer werden darin aufgefordert, in der aufgrund des Weihnachtsmarktes derzeit mit besonders vielen Passanten gefüllten Innenstadt mehr Rücksicht zu nehmen. Das wird auch mit aufgehängten Plakaten verdeutlicht. Konkret gilt das vor allem für die Straße „Am Mühlentor“, in der einige Weihnachtsmarkt-Buden stehen, was den Fußgängerverkehr erheblich verstärkt und entschleunigt.

War das Radfahren dort in den Vorjahren auch schon mal ganz verboten, ist es dieses Jahr erlaubt. Polizeihauptkommissar Hartmut Eichler vom Verkehrsüberwachungsdienst findet das richtig: „Die Radfahrer sind schließlich auch Verkehrsteilnehmer.“ Man könne ihnen das Fahren auf dieser wichtigen Strecke nicht verbieten – aber mehr Rücksichtnahme hält er ebenfalls für notwendig und verweist auf §1, Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.“ Viele Radfahrer verhielten sich stattdessen aber „rowdyhaft“, beobachtet Eichler bei den Kontrollen.

Twitter als „sträfliche Unsitte“?

Viele Studenten haben Anstoß an den regelmäßigen Kontrollen der Polizei genommen, die für die angehaltenen Radfahrer fast immer mit der Zahlung eines Bußgeldes zwischen 10 und 45 Euro (bei Rotlichtverstößen) enden. Die Standorte der Kontrollen werden inzwischen regelmäßig von twitternden Studenten ins Internet gesetzt. Mit diesem Phänomen haben sich bereits der FleischerVorstadt-Blog und „daburna“ auseinandergesetzt.

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Ein neuer Twitter-Account will die Kontrollen melden.

Die Polizei sah sich in der besagten Pressemitteilung der Stadt genötigt, darauf einzugehen: Polizeirat Jens Hildebrandt, Leiter der Polizeiinspektion, lässt sich mit dem Satz zitieren: „Zu einer sträflichen Unsitte sei es jedoch geworden, dass die Kontrollen der Polizei per Twitter verbreitet würden und somit oft nach kurzer Zeit unwirksam seien.“ Hartmut Eichler bestätigt das: „Wir stellen vermehrt fest, das Leute ihr Fahrrad an uns vorbeischieben, von denen ich vermute, dass sie sonst gefahren wären.“ Das sei aber, betont er, nur eine Vermutung.

Man werde sich davon aber nicht abhalten lassen, heißt es in der Pressemitteilung abschließend. „Fast täglich“ solle an der Europakreuzung kontrolliert werden. Unmittelbar nach Publikation der Pressemeldung wurde der Twitter-Account „RadkontrolleHGW“ eingerichtet – in dem ab Montag die Standorte der Kontrollen verzeichnet werden sollen. Ob ein ernsthaftes Ansinnen oder ein Scherz dahinter steckt, konnten wir auch auf Anfrage noch nicht herausfinden.

Wie fahren auf der Anklamer Straße?

Auch eine Stellungnahme von Sebastian Jabbusch zu den Kontrollen durfte nicht fehlen: Er bezeichnete bereits vor einiger Zeit in einem Gastbeitrag auf dem Blog der jungen Grünen, „Wildwuchs-MV“, eine Rad-Kontrolle auf der Anklamer Straße als „moderne Form der Wegelagerei“. Der Twitter-Hashtag „#Wegelagerei“ wird seitdem häufiger an Twitter-Meldungen über Kontrollen angehängt.

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Die Ecke Anklamer Straße/Nexöplatz ist wegen der Hausecke schwer einsehbar.

Bei der Polizei sieht man die Ausgangssituation natürlich ein bisschen anders. Auf der Anklamer Straße wollen die Beamten durchsetzen, dass die Radfahrer nur jeweils den Radweg auf der in Fahrtrichtung rechten Straßenseite benutzen. Viele Radfahrer, die in Richtung Innenstadt unterwegs sind, nutzen aber den linken Radweg, denn der ist deutlich besser ausgebaut.

Das stimme zwar, sagt Eichler, der Radweg rechts sei aber trotzdem benutzbar: „Viele Radfahrer tun das ja auch.“ In der Anklamer Straße komme hinzu, dass vor allem die Einmündungen der Brinkstraße und des Nexöplatzes aufgrund ihrer spezifischen Lage sehr gefährlich seien, wenn Radfahrer aus beiden Richtungen kämen: „Damit sind die Autofahrer dann einfach überfordert.“

Eichler weist darauf hin, dass die Beamten sich bei der Wahl der Kontrollpunkte nicht fragten „Wo können wir Kasse machen?“. Denn, so Eichler: „Von der Kasse haben wir ohnehin nichts.“ Vielmehr gehe es darum, an echten Gefahrenpunkten einzugreifen. Darum sage er den Radfahrern bei Kontrollen auch stets: „Sagen Sie weiter, dass wir kontrollieren!“ Das stoße bei vielen Kontrollierten jedoch auf taube Ohren.

Fotos: Stadtverwaltung (Plakat), Screenshot (Twitter), Peter Rieck (entnommen von greifswalds-radwege.de, mit freundlicher Genehmigung von Peter Rieck, nicht cc-lizenziert)